Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Ein Schauder durchrieselte die beiden anderen Damen. Die Augen der hübschen Madame Carré-Lamadon glänzten und sie war ordentlich blass geworden, als befände sie sich schon in der Gewalt des Offiziers.
Die Herren, welche sich etwas abseits besprochen hatten, kamen näher heran. Loiseau, ganz ausser sich, wollte diese »Elende« an Händen und Füssen gebunden, dem Feinde ausliefern. Aber der Graf, der eine angeborene Diplomaten-Natur besass, denn seine Vorfahren waren durch drei Generationen bei der Gesandtschaft gewesen, liebte nicht die Gewalt. »Sie muss selbst die Entscheidung treffen« sagte er.
Nun schmiedete man einen Plan.
Die Damen drängten sich zusammen, ihre Stimmen wurden leise, und jeder gab in der allgemeinen Beratung seine Ansicht kund. Es war übrigens sehr amüsant. Diese Damen fanden die sonderbarsten Redewendungen, die zartesten Ausdrücke, um die schmutzigsten Dinge zu sagen. Ein Uneingeweihter würde nichts verstanden haben; so vorsichtig deutete man alles an. Aber da die leichte Schamhülle, welche jede Frau von Welt besitzt, nur die äussere Oberfläche bedeckt, so gefielen sie sich eigentlich in diesem närrischen Abenteuer; es machte ihnen im Grunde des Herzens riesigen Spaß. Sie plauderten von Liebessachen, mit den schnalzenden Lippen eines Koches, der ein leckeres Souper bereitet.
Ihre Munterkeit kehrte von selbst zurück, so scherzhaft erschien ihnen schliesslich die ganze Geschichte. Der Graf fand sogar den Mut zu einigen riskanten Witzen, die aber so fein gegeben waren, dass alles lächelte.
Loiseau fand schon etwas derbere Ausdrücke, aber man war ihm nicht böse darob. Und der Gedanke, den seine Frau so rücksichtslos ausgesprochen hatte: »Wenn es das Geschäft dieses Mädchens nun einmal ist, warum macht sie hier eine Ausnahme?« beherrschte sie alle. Die reizende Madame Carré-Lamadon schien sogar heimlich zu denken, dass sie an jener ihrer Stelle hier am wenigsten eine Ausnahme machen würde.
Man durchdachte sorgfältig den Angriffsplan, wie bei einer belagerten Festung. Jeder prägte sich die Rolle ein, die er zu spielen hatte, die Beweise, die er vorbringen wollte, die Kunstgriffe, die er anwenden musste. Man ordnete den Angriff, die Kampfesmittel und den Sturm, um diese lebende Feste zu zwingen, den Feind aufzunehmen.
Nur Cornudet hielt sich abseits; er stand dieser Sache ganz fremd gegenüber.
Man war so in der Verteilung der Rollen vertieft, dass man Anfang nicht bemerkte, wie Fett-Kloss aus der Kirche zurückkam. Aber ein leises »Pst« des Grafen warnte sie noch rechtzeitig. Bei ihrem Erscheinen schwieg plötzlich alles still und eine gewisse Verlegenheit hielt anfangs jeden ab, sie anzureden. »War es hübsch bei der Taufe?« fragte endlich die Gräfin, welche durch ihre Erziehung mehr an die Doppelzüngigkeit des Salons gewöhnt war.
Fett-Kloss, noch ganz bewegt, schilderte alles, sowohl die Gesichter als die Haltung der Einzelnen; sogar das Innere der Kirche. »Es tut einem zuweilen so gut, zu beten,« fügte sie hinzu.
Bis zum Frühstück bemühten sich die Damen liebenswürdig gegen sie zu sein, um sie vertrauensseliger und für ihre Vorschläge zugänglicher zu machen.
Bei Tisch begann man sofort die Annäherungsversuche. Zunächst führte man ein allgemeines Gespräch über den Opfermut. Man führte Beispiele aus alter Zeit an: Judith und Holofernes, dann, ohne rechte Veranlassung Lucrecia und Sextus; Kleopatra, die ihre zahlreichen Feinde einen nach dem anderen in ihrem Bett zu ihren Sklaven umwandelte. Dann tischte man eine Geschichte auf, so fantastisch, wie sie nur im Gehirn dieser unwissenden Millionäre entstehen konnte, wonach nämlich die Römerinnen bei Kapua den Hannibal und mit ihm seine Lieutenants und die Scharen seiner Söldner in ihren Armen eingeschläfert hätten. Man führte der Reihe nach alle Frauen an, die einen Eroberer auf seiner Siegeslaufbahn abhielten, ihren Leib zum Schlachtfeld machten, ihn als Waffe, als Mittel der Herrschaft verwendeten und durch ihre heroischen Liebesopfer die Welt von einem verhassten schändlichen Wesen befreiten; die ihre Keuschheit der Rache und der Pflicht opferten.
Man sprach sogar mit verschleierten Ausdrücken von jener vornehmen Engländerin, die sich eine furchtbare ansteckende Krankheit einimpfen ließ um sie auf Bonaparte zu übertragen, der nur durch ein Wunder der Ansteckung entging, indem ihm zur Stunde des gefährlichen Rendezvous plötzlich die Manneskraft fehlte.
Alles dieses erzählte man in ganz leichter und zufälliger Weise; nur zuweilen brach man absichtlich in lauten Beifall aus, um zur Nacheiferung anzuspornen. Man hätte schliesslich glauben sollen, dass die einzige Aufgabe der Frau hier auf Erden, ein ewiges Opfer ihrer Person, eine beständige Hingabe an die Launen der Soldateska sei.
Die beiden Ordensschwestern schienen nichts zu verstehen; sie waren in tiefe Gedanken versunken. Fett-Kloss sagte nichts.
Man ließ ihr den Nachmittag über Zeit zum Nachdenken. Aber statt sie, wie bisher »Madame« zu nennen, sagte man jetzt »mein Fräulein« zu ihr, ohne dass man sich selbst über den Grund dazu Rechenschaft gab. Aber es war, als hätte man die Achtung vor ihr um einen Grad heruntersetzen, ihr das Gefühl ihrer Schande näher legen wollen.
In dem Augenblick, wo die Suppe aufgetragen wurde, erschien Herr Follenvie. »Der preussische Offizier lässt Fräulein Elisabeth Rousset fragen, ob sie ihre Ansicht noch nicht geändert hat?« wiederholte er seine stehende Phrase.
»Nein, mein Herr,« antwortete Fett-Kloss trocken. Aber