Ellenbogenfreiheit. Daniel C. Dennett
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Vorwort
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Gilbert Ryle gebeten, ein Buch zu schreiben, in dem er darlegen sollte, wie die neuen philosophischen Methoden über alte Probleme triumphierten:
„ … es wurde Zeit, dachte ich, ein sich durchhaltendes Stück analytischer Zerlegearbeit, die sich auf einen bekannten und umfangreichen Gordischen Knoten richtet, darzustellen… Eine Zeitlang dachte ich, das Problem der Willensfreiheit sei der passendste Gordische Knoten; aber am Ende entschied ich mich für den Begriff des Geistes – obwohl der endgültige Titel des Buches mir erst in den Sinn kam, als die Drucker verlangten, mit dem Druck der ersten Seiten beginnen zu können.“ (Ryle 1970, S. 12).
Ellenbogenfreiheit ist natürlich nicht das Buch über Willensfreiheit, das Ryle geschrieben hätte, hätte er nicht ein verlockenderes Projekt gefunden, aber es zeigt seinen Einfluß – bis zu einem Grad, der mich oft verwundert hat. Bringt man diese Tatsache mit meiner unendlichen Bewunderung und Zuneigung für diesen Mann zusammen und mit meiner Freude, wieder nach Oxford eingeladen zu sein, um diese Gedanken über den freien Willen 1983 als John-Locke-Vorlesungen vorzutragen, dann kann man sehen, daß meine Entscheidung, dieses Buch dem Gedenken an meinen Doktorvater zu widmen, obwohl sie frei, rational und verantwortlich war, auch vorhersehbar und (in einem gewissen Sinn) sogar unausweichlich war. Ich hätte nicht anders handeln können.
Bei meinem eigenen Versuch, eine einheitliche Gruppe von Antworten auf die schwierigen Fragen über Willensfreiheit herauszuarbeiten, wurde mir von vielen geholfen, einschließlich vieler Philosophen, deren Arbeiten ich kritisiere. Besonderen Dank schulde ich Bo Dahlbohm und Douglas Hofstadter, die mich auf ihre sehr verschiedene Art von vielen falschen Spuren und Fallen wegführten, wie sie es in der Vergangenheit schon oft getan haben. Danken möchte ich auch Michael Berry, Gordon Brittan, Carl Castro, Pat Churchland, Tony Coady, Richard Dawkins, Richard Gregory, Laurie Kahn-Leavitt, Christopher Peacocke, Michael Ruse, Teddy Seidenfeld, Michael Slote, Sue Stafford und Andrew Woodfield. Hugo Bedau, John Mazzone und meine anderen Kollegen und Studenten an der Tufts Universität halfen ebenfalls mit konstruktiver Kritik und Vorschlägen. Schließlich gilt mein Dank der Fakultät für Philosophie in Oxford für ihre freundliche Einladung und allen in Oxford für ihre großzügige Gastfreundschaft gegenüber mir und meiner Familie.
Daniel C. Dennett
Tufts University
Januar 1984
Kapitel I
Bitte keine Schreckgespenster
Der Philosoph ist derjenige, der einen Vortrag über das Henkerparadox* auf einem Symposium zur Todesstrafe hält.
James D. McCawley
1. Das ewige, fesselnde Problem
Die Vorstellung eines Fatums ist älter als die Philosophie selbst, und seit es dieses Fach gibt, haben Philosophen zu zeigen versucht, was an der Vorstellung falsch ist, daß unser Schicksal vor unserer Geburt besiegelt sei. Es erschien stets wichtig zu beweisen, daß wir nicht bloß unser Schicksal ausführen, sondern irgendwie unsere Wege selbst finden, Entscheidungen treffen – nicht bloß „Entscheidungen“ in uns aufkommen lassen.
In der Frühzeit der griechischen Philosophie standen Überlegungen zur Kausalität im Brennpunkt der Aufmerksamkeit, und manche Philosophen begannen sich zu fragen, ob nicht alle physikalischen Ereignisse durch die Gesamtsumme aller vorausgegangenen Ereignisse verursacht oder determiniert werden. Wenn es so ist – wenn, wie wir sagen, der Determinismus wahr ist – dann müssen unsere Handlungen selbst, als physikalische Ereignisse, determiniert sein. Wenn der Determinismus wahr ist, dann ist jede unserer Taten und Entscheidungen, so scheint es, das unausweichliche Ergebnis der Summe der physischen Kräfte, die in dem Moment wirken, der wiederum das unausweichliche Ergebnis der Kräfte ist, die einen Augenblick zuvor wirkten, und so fort bis zum Anfang der Zeit.
Wie könnten wir dann frei sein? Die Epikureer, die überraschend moderne Materialisten waren (sie glaubten, daß das Bewußtsein aus materiellen Atomen zusammengesetzt sei genauso wie alles andere), versuchten, sich von dieser drohenden Gefahr der vorherbestimmten Wahl zu befreien, indem sie das System der allgemeinen Verursachung da und dort aufbrachen. Sie postulierten, daß Atome gelegentlich „zufällige Abweichungen“ zeigen.
„Schließlich, wenn immer jede Bewegung verknüpft ist und aus der alten Bewegung immer wieder die neue in bestimmter Ordnung entsteht und die Urkörper nicht durch Abbiegen vom Wege einen Anfang der Bewegung machen, der die Gesetze des Fatums bräche, daß nicht Ursache auf Ursache folge seit unendlicher Zeit, woher kommt dann den lebenden Wesen über die ganze Welt hin, woher kommt, frage ich, dieser freie, vom Fatum losgerissene Wille…?“ (Lukrez, Über die Natur der Dinge, Berlin 1972, II, Zeilen 250–255).
Die oft wiederholte Schwierigkeit bei diesem Lösungsvorschlag (und seinen moderneren Varianten) ist, daß, selbst wenn solche zufälligen Abweichungen passieren, sie anscheinend nicht dazu dienen können, uns die Art von freiem Willen zu verschaffen, die wir uns wünschen. Wenn ein Atom in meinem Gehirn plötzlich mit einer zufälligen Abweichung abdreht, muß es das „völlig grundlos“ tun, und wenn dies mich veranlaßt, etwas Wichtiges zu beschließen oder zu entscheiden, bin ich vollkommen in der Gewalt dieser zufälligen Abweichungen. Zufällige Wahl, so blind und willkürlich wie der Fall eines Würfels oder die Drehung eines Glücksrads, scheint überhaupt nicht wünschenswerter zu sein als vorherbestimmte Wahl. In der Tat waren viele der Meinung, daß es weniger wünschenswert sei, und haben daraufhin verschiedene Möglichkeiten der Vereinbarung des freien Willens mit dem Determinismus vorgeschlagen (verschiedene Varianten des Rekonziliationismus oder, wie er häufiger genannt wird, des Kompatibilismus). Manche dieser Aussöhnungsversuche sind kaum attraktiver als die schreckliche Aussicht, die sie versperren sollten.
Die Stoiker z. B. behaupteten, daß eine gewisse Art von Freiheit darin gefunden werden könnte, daß man nicht gegen das Unvermeidliche ankämpft, sondern vielmehr seine Wünsche nach unten anpaßt, um seiner Lebenslage Rechnung zu tragen. Sie empfahlen eine Haltung weiser Resignation, die sie Apatheia nannten. Und obwohl man bedenken sollte, daß der Begriff während seiner etymologischen Reise bis zu unserer heutigen Apathie vereinfacht und negativ besetzt wurde, bleibt die Tatsache, daß die Stoiker ihre Lehre gerne mit Hilfe manch besonders depriminierender Metaphern erklärten. Jedem von uns ist eine Rolle in der Tragödie des Lebens zugewiesen, so versuchten sie klarzumachen, und es gibt für uns nichts anderes zu tun, als unsere vorgeschriebenen Zeilen so gut, wie wir können, aufzusagen; es gibt keinen Raum, um aus dem Stegreif zu sprechen. Oder man denke an einen angeleinten Hund, der hinter einem Wagen hergezogen wird; er kann friedlich hinterhertrotten oder sich widersetzen. In jedem Fall wird er am selben Bestimmungsort ankommen, aber wenn er sich in seine Bestimmung schickt und das Beste aus der Reise macht, genießt er eine gewisse Art von Freiheit. Mit einem Strick um den Hals durchs Leben geführt zu werden – was für eine Freiheit!
Seit mehr als zwei Jahrtausenden versuchen Philosophen, eine Lehre über den freien Willen zu entdecken, die sowohl attraktiver als auch auf