Die Löwenskölds. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Die Löwenskölds - Selma Lagerlöf страница 8
»Da hast du ganz recht, Freund Löwensköld«, sagte der Propst. »Diese Vorliebe der Jugend für das Kriegshandwerk ist tief bedauerlich.«
»Nun, ich gab also dem Wunsche nach«, fuhr der Rittmeister fort, »und da sie etwas von einem großen Kriegshelden hören wollten, erzählte ich ihnen von Gathenhielm und seinem grausamen Verfahren gegen Kaufleute und friedliche Reisende, weil ich dachte, ich würde dadurch Entsetzen und Abscheu bei ihnen hervorrufen. Und als mir dies auch gelang, bat ich sie, nun auch zu bedenken, dass dieser Gathenhielm ein echter Sohn der Kriegszeit gewesen ist, und fragte sie, ob sie wohl wünschten, die Erde von solchen Teufelsbraten bevölkert zu sehen?
Ehe jedoch meine Söhne mir auf diese Frage Antwort gegeben hatten, ergriff der Hauslehrer das Wort und bat mich, ihm zu erlauben, nun auch eine Geschichte von Gathenhielm zu erzählen. Und da er sagte, diese Geschichte bestätige nur, was ich schon vorher von Gathenhielms Wildheit und Raserei gesagt habe, gab ich die Erlaubnis.
Und dann begann er zu erzählen: Nachdem Gathenhielm in jungen Jahren gestorben und seine Leiche in der Kirche zu Onsala in einem Marmorsarkophag, den er dem König von Dänemark geraubt hatte, beigesetzt worden war, stellte sich in der Kirche ein so fürchterlicher Geisterspuk ein, dass es die Onsalaer Kirchspielbewohner nicht mehr aushalten konnten. Sie wussten sich schließlich keinen andern Rat, als die Leiche aus dem Sarkophag herauszunehmen und sie auf einer öden Schäre draußen im Meer zu beerdigen. In der Kirche hatte man nun allerdings Frieden, die Fischer aber, die auf ihren Fahrten in der Nähe von Gathenhielms neuer Ruhestätte vorbeikamen, erzählten, man höre von dort her immer Lärm und Getöse, und der Schaum der Wogen spritze über die öde Schäre jederzeit hoch empor. Die Fischer meinten, alle die Seeleute und Krämer, die Gathenhielm von den gekaperten Schiffen einst über Bord hatte werfen lassen, würden jetzt aus ihren nassen Gräbern emporsteigen, ihn zu quälen und zu peinigen, und sie hüteten sich sehr davor, in dieser Richtung zu fahren. In einer finsteren Nacht war aber doch einer von ihnen in die Nähe dieser gefährlichen Stelle geraten. Da fühlte er sich von einem Wirbelwind erfasst, der Schaum peitschte ihm ins Gesicht, und eine stöhnende Stimme rief ihm zu: ›Geh nach Gata in Onsala, und sag meiner Frau, sie soll mir sieben Bündel Haselruten und zwei Wacholderknüppel schicken!‹«
Der Propst hatte bisher ruhig und geduldig diese Geschichte angehört, als er aber merkte, dass sein Nachbar nur eine gewöhnliche Spukgeschichte zu berichten hatte, konnte er eine Bewegung der Ungeduld kaum unterdrücken.
Der Rittmeister beachtete es indes gar nicht, sondern fuhr ruhig fort: »Du wirst verstehen, dass gar nichts andres infrage kommen konnte, als dem Befehl Folge zu leisten. Und Gathenhielms Frau, nun, sie gehorchte ebenfalls. Die zähesten Haselruten und die derbsten Wacholderknüppel wurden herbeigeschafft, und ein Knecht von Onsala ruderte mit ihnen hinaus nach der Schäre.«
Jetzt aber machte der Propst einen so deutlichen Versuch, den Rittmeister zu unterbrechen, dass dieser es nicht mehr unbeachtet lassen konnte.
»Ja, ich weiß, was du denkst, verehrter Freund. Ich machte mir auch dieselben Gedanken, als ich heute Mittag diese Geschichte hörte, aber, bitte, höre mir bis zum Schluss zu. Ich habe also sagen wollen, das müsse ein beherzter und seinem Hausherrn sehr gehorsamer Mann gewesen sein, sonst hätte er es wohl kaum gewagt, diesen Auftrag auszuführen. Nun, als er in die Nähe des Begräbnisplatzes kam, da schlugen die Wogen hoch darüber weg, wie wenn ein regelrechter Sturm herrschte, und Lärm und Waffengeklirr ertönte weit umher. Der Knecht ruderte aber doch so nah wie möglich heran, und es gelang ihm, die beiden Wacholderknüppel und die Haselrutenbündel auf die Schäre zu werfen. Darauf aber entfernte er sich mit hurtigen Ruderschlägen von dem Ort des Grauens.«
»Mein verehrter Freund …«, begann der Propst.
Der Rittmeister aber ließ sich nicht unterbrechen: »Schon in kurzem Abstand aber ließ er die Ruder ruhen, um zu sehen, ob sich nicht etwas Merkwürdiges begeben würde. Und er brauchte nicht vergebens zu warten. Denn auf einmal stieg der Gischt himmelhoch über der Schäre empor, das Getöse wurde wie das Donnern einer Feldschlacht, und grausige Jammerrufe ertönten über das Meer hin. Eine ganze Weile ging es, jedoch mit abnehmender Heftigkeit, so weiter, und schließlich hörten die Wogen ganz auf, gegen Gathenhielms Grab anzustürmen. Und bald lag die Schäre ruhig und still da, wie alle die andern Schären auch. Der Knecht tauchte die Ruder nun wieder ein, um den Heimweg anzutreten; doch in demselben Augenblick hörte er eine höhnische, triumphierende Stimme, die ihm zurief: »Geh nach Gata in Onsala, und bestelle meiner Frau, dass Lasse Gathenhielm im Tode wie einst im Leben über seine Feinde siegt.«
Der Propst hatte jetzt mit gesenktem Kopf zugehört.
»Als der Hauslehrer dies Letzte erzählte«, fuhr der Rittmeister fort, »merkte ich wohl, dass meine Söhne mit dem Schurken Gathenhielm Mitleid empfanden und gern von seinem Übermut erzählen hörten. Deshalb erklärte ich, diese Geschichte schiene mir sehr gut aneinandergehängt zu sein, sei aber kaum etwas andres als Lüge und Dichtung. ›Denn‹, sagte ich, ›wenn ein so wilder Seeräuber wie Gathenhielm die Kraft gehabt hätte, sich auch noch nach seinem Tode zu verteidigen – wie ließe es sich dann erklären, warum mein Vater, der ein ebensolcher Haudegen wie Gathenhielm, aber dabei ein guter und redlicher Mensch war, einen Dieb in sein Grab hinein dringen und sich das Liebste, das er besaß, rauben ließ, ohne die Macht zu haben, die Untat zu verhindern und später den Schuldigen in irgendeiner Weise zu verfolgen oder zu beunruhigen.‹«
Bei diesen Worten stand der Propst mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit auf und sagte: »Das ist auch ganz meine Meinung.«
»Ja, aber hör nun, was weiter geschah!«, fuhr der Rittmeister fort. »Kaum hatte ich ausgesprochen, als ich hinter meinem Stuhl ein lautes Stöhnen hörte. Und dieses Stöhnen klang genauso wie der müde Seufzer, den mein seliger Vater auszustoßen pflegte, wenn er von den Gedanken des Alters geplagt wurde; mir war wirklich, als befinde er sich hinter mir, und ich sprang von meinem Stuhl auf. Da sah ich allerdings nichts, aber ich war mir so sicher, dies Stöhnen gehört zu haben, dass ich mich nicht zu Tisch setzen wollte, sondern bis jetzt hier ganz allein über diese Sache nachgegrübelt habe. Und ich habe inständig gewünscht, auch die Ansicht meines hochgeschätzten Freundes über diese Frage zu hören. War es mein Vater, den ich einen klagenden Seufzer über den verschwundenen Schatz habe ausstoßen hören? Wenn ich glauben könnte, er fühle noch immer Sehnsucht nach dem verlorenen Kleinod, dann wollte ich wahrlich lieber von Hof zu Hof ziehen und überall nachforschen, als meinen Vater noch einen einzigen Augenblick den grausamen Schmerz fühlen lassen, von dem dieses Stöhnen mir Kunde gab.«
»Dies ist am heutigen Tag das zweite Mal, dass ich auf die Frage zu antworten habe, ob der tote General wohl noch immer um seinen verlorenen Ring trauert und ihn wiedergewinnen möchte«, sagte der Propst. »Nun will ich mit deiner Erlaubnis, verehrter Freund, zuerst meine Geschichte berichten, und dann wollen wir uns miteinander darüber beraten.«
Danach rückte nun der Propst mit seiner Erzählung heraus, und er merkte jetzt sehr wohl, wie wenig er zu befürchten gehabt hätte, der Rittmeister werde sich der Sache seines Vaters nicht ernsthaft annehmen. Der Propst hatte nicht gedacht, dass sich selbst in dem friedlichst gesinnten Menschen noch etwas von der Natur der Lodbroksöhne finden würde. Nein, es ist wohl doch wahr, wie die Sage