Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler. Giorgio Vasari

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Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler - Giorgio Vasari

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der Medici-Familie, der andere einen lebensgroßen Christuskopf.15 Die Ehrerbietung durch die beiden Connaisseurs von erstem Rang erfährt durch den Zusatz, Borghini würde besagten Christuskopf unter jenen Kunstobjekten aufbewahren, die er am meisten schätzt, sogar noch eine Steigerung. Dieser Einschub im Text der Giuntina macht deutlich, daß dem Konzept der grazia nach dem Konzil von Trient und nach Gründung der Accademia del Disegno eine größere Bedeutung zukommt. Da Anmut nicht erlernbar, sondern angeboren ist, zeigt sich darin die besondere Begabung des Künstlers, und weil der Begriff im theologischen Kontext auch die göttliche Gnade bezeichnet, läßt sich diese Begabung zudem als eine Gottesgabe und als einen Widerschein des Göttlichen im Kunstwerk verstehen. Zwar hatte Vasari schon in der Editio princeps dem Florentiner Bildhauer Mino bescheinigt, daß er in der Kunst begnadet (»graziato«) gewesen sei, er aber nicht zu jenen gehörte, die ihre Prinzipien beherrschten (»fondato nell’arte«). Dieses Manko an Wissen und Kompetenz scheint in der späteren Fassung des Textes zumindest teilweise durch die Tatsache wettgemacht zu werden, daß die von Mino geschaffenen Werke nicht nur den damaligen Betrachter zu begeistern vermochten, sondern auch Vasaris Zeitgenossen, die mit großem Urteilsvermögen ausgestattet waren, darunter Connaisseurs wie Herzog Cosimo I. und Vincenzo Borghini, die diese Werke aufgrund ihrer grazia emotional affizieren konnten. Die Beherrschung der Regeln war zwar ein Grundanliegen der künstlerischen Ausbildung im Rahmen der 1563 gegründeten Accademia del Disegno, der wahre Künstler zeichnete sich in diesem höfischen Umfeld jedoch primär durch die grazia seiner Werke und deren positive Wirkung auf den Rezipienten aus, der idealiter beim Anblick derselben gefangengenommen werden und in Liebe zu ihnen entbrennen sollte. Daß der Betrachter gemäß Vasari von Minos Werken affiziert wird, ist nur konsequent zu Ende gedacht. In dem Maße, wie Mino selbst von Desiderios Werken ›verzaubert‹ (»invaghito«) ist, weil er in ihnen jene grazia als Abglanz des Göttlichen erkennt, er dank der Gnade Gottes sogar befähigt ist, auch den eigenen bildhauerischen Werken diese Anmut zu verleihen, im selben Maße wird auch der aufmerksame Betrachter beim Anblick der Figuren, die Mino mit grazia schuf, in eine Art entrückten Zustand versetzt und emotional berührt. Über Desiderio, den seine Zeitgenossen schon für seine »somma gratia« gepriesen hatten,16 sagte Vasari in der Einleitung zu dessen Vita bezeichnenderweise: »Eine außerordentlich hohe Verpflichtung dem Himmel und der Natur gegenüber haben jene, die ihre Schöpfungen ohne Mühen mit einer gewissen Anmut hervorbringen, wie man sie den Werken weder durch Studium noch durch Nachahmung verleihen kann, weil sie eine echte Himmelsgabe ist und in einer Weise auf jene Werke herabregnet, daß sie immer ein Maß an Liebreiz und Gefälligkeit mitbringen, die nicht nur auf jene anziehend wirken, die etwas von dem Beruf verstehen, sondern auf viele andere mehr, auch wenn sie nicht dieser Profession angehören. Die Ursache dafür ist jene allem Guten innewohnende Leichtigkeit, die nicht schroff und hart vor Augen steht, wie es oft bei mühseligen und schwierig errungenen Werken geschieht. Jene Anmut und Schlichtheit, die allseits gefällt und für jedermann ersichtlich ist, besitzen alle Werke, die Desiderio schuf«.17

      In den Augen Vasaris ist Mino zwar ein Künstler, dem es nicht gelungen ist, einen eigenen Stil auszubilden, der aus Mangel an entsprechendem Studium auch nicht zum Vorbild für andere taugt, dessen Werke dank der göttlichen Gnade jedoch besagte Ausstrahlung haben, die allseits gefällt und von jedermann wahrgenommen wird. Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, wenn es in der 1568er Ausgabe der Vita heißt, Borghini würde sich an einem von Mino geschaffenen lebensgroßen Christuskopf in unbeschreiblicher Weise ergötzen.

       SF

      Bibl.: Irle 1997; Zuraw 2005; Byington 2013; Ginzburg 2013a; Ginzburg 2013b; Gregory 2014; Marques 2014.

      DAS LEBEN DES BILDHAUERS MINO AUS FIESOLE

       Vita di Mino. Scultore da Fiesole (1568)

      Wenn unsere Künstler in den Werken, die sie ausführen, nach nichts anderem streben als danach, den Stil ihres oder den eines anderen vortrefflichen Meisters zu imitieren, sei es, weil ihnen ihre Arbeitsweise gefällt oder die Haltungen der Figuren beziehungsweise das Aussehen der Gesichter oder der Faltenwurf der Gewänder, und sie dann nur diese studieren, werden sie sie mit der Zeit zwar durchaus ähnlich ausführen, damit allein aber niemals die Vollendung der Kunst erlangen, weil ganz offensichtlich nur selten einer an die Spitze kommt, der immer nur hinterher gegangen ist.1 Die Nachahmung der Natur verfestigt sich nämlich im Stil desjenigen Künstlers, der die lange Erfahrung zu einem Stil hat werden lassen, weshalb die Nachahmung ein fester Bestandteil der Kunst ist und vorsieht, daß das, was du ausführst, das Schönste der natürlichen Dinge wiedergibt, und zwar unverfälscht und ohne den Stil deines Meisters oder den von anderen, die ihrerseits die Dinge, die sie der Natur entnommen haben, in Stil verwandeln. Und mag es auch so scheinen, als seien die Werke vortrefflicher Künstler natürliche oder zumindest naturähnliche Gebilde, ist es doch bei aller Sorgfalt unmöglich, sie so ähnlich zu schaffen, daß sie naturgleich sind, und, selbst wenn man die besten heraussucht, einen so perfekten Körper zu erschaffen, daß die Kunst sie [die Natur] übertrifft. Und wenn dem so ist, folgt daraus, daß vollendete Malereien und Skulpturen nur mit solchem entstehen können, welches ihr entnommen ist, und daß, wer ausschließlich die Stile anderer Künstler studiert und keine natürlichen Körper und Gebilde, seine Werke notwendigerweise weniger gut als die Natur schaffen wird und auch weniger gut als derjenige, dessen Stil man entlehnt. Man hat daher bei vielen unserer Künstler beobachten können, welche, die Natur außer acht lassend, nichts anderes als die Werke ihrer Meister studieren, daß sie diese nicht vollständig erfaßt haben und ihren Meister nicht überholen konnten, sondern der Begabung, die ihnen mitgegeben wurde, ungeheuer geschadet haben. Hätten sie hingegen Stil und natürliche Dinge gemeinsam studiert, würden sie mit ihren Werken mehr Früchte hervorgebracht haben, als sie es taten.2 Zu sehen ist dies an den Werken des Bildhauers Mino da Fiesole,3 dessen Begabung ihn befähigt hatte, zu tun, was er wollte, der jedoch, verzaubert4 vom Stil seines Meisters Desiderio da Settignano,5 der schönen Anmut, die jener den Köpfen von Frauen und Kindern und auch sonst jeder seiner Figuren gab und die ihm nach seinem Urteil besser als die der Natur schienen, nur diesen [Stil] praktizierte und verfolgte, dafür die natürlichen Vorbilder vernachlässigte und als unwichtig abtat und in der Kunst deshalb eher begnadet war als fundiert.6

      Auf der Anhöhe von Fiesole, dieser schon altehrwürdigen Stadt nahe Florenz, wurde der Bildhauer Mino di Giovanni geboren,7 und als man ihn in eine Steinmetzlehre bei Desiderio da Settignano gab, einem jungen und in der Bildhauerei vortrefflichen Mann, zeigte er eine solche Veranlagung für diesen Beruf, daß er während des Zuhauens der Steinquader lernte, die von Desiderio in Marmor geschaffenen Werke aus Ton nachzubilden. Und diese gelangen ihm so ähnlich, daß jener, als er sah, mit welchem Gewinn er sich dieser Kunst zugewandt hatte, ihn vorantrieb und an seinen Marmorwerken einsetzte, bei denen er sich mit größter Umsicht bemühte, den zugrundeliegenden plastischen Entwurf zu wahren. Er beschäftigte sich noch nicht lange damit, als er bereits einige Erfahrung in dieser Tätigkeit gesammelt hatte, worüber Desiderio sich unendlich freute, Mino aber noch mehr über dessen Liebenswürdigkeit, weil er sah, wie bereitwillig jener stets darauf bedacht war, ihn die Fehler vermeiden zu lehren, die man in jener Kunst machen kann. Während er sich also anschickte, in diesem Beruf vortrefflich zu werden, wollte es sein Pech, daß Desiderio in ein besseres Leben überging. Dieser Verlust traf Mino sehr, der Florenz verzweifelt verließ und nach Rom zog,8 wo er einigen Meistern zur Hand ging, die damals Werke aus Marmor und Grabmäler für Kardinäle ausführten, die nach Sankt Peter in Rom kamen (und heute durch den Neubau zugrunde gegangen sind). Auf diese Weise wurde er als erfahrener und hinreichend tüchtiger Meister bekannt und bekam von Kardinal Guillaume d’Estouteville,9 dem sein Stil gefiel, den Auftrag, den Marmoraltar auszuführen, wo der Leichnam des Heiligen Hieronymus in der Kirche Santa Maria Maggiore aufbewahrt wird; dazu Szenen im Flachrelief mit Episoden aus seinem Leben, die er zur Vollendung brachte und darin jenen Kardinal porträtierte.10 Später, als der Venezianer Papst Paul II. seinen Palast in San Marco errichten ließ,11 setzte er Mino dort bei der Ausführung einiger Wappenschilde ein.12

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