Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm

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Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm

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wehrte ab: »Fangen nicht auch Sie noch damit an, Herr Sander. Oder glauben Sie im Ernst, ein Bankdirektor würde so eine Story erfinden, dazu noch die eigene Tochter kidnappen lassen? Ich bitte Sie, vergessen Sie das ganz schnell.«

      Sander nickte. Der Fall hatte seine ohnehin lebhafte Fantasie zum Blühen gebracht. Aber schließlich durfte man doch alles denken. Nur halt nicht schreiben.

      »Ich hab da was erfahren«, fuhr Grüninger fort, dessen Drähte zu jeglicher Art von Institutionen schon legendär waren, was daran lag, dass er vertrauliche Informanten niemals preisgab. Nicht einmal innerhalb der Redaktion. Wenn Grüninger jemandem etwas versprach, dann hatte dies Gültigkeit. Ein Mann, ein Wort.

      Sander trat näher an den sitzenden Grüninger heran, der seine antiquierte Schreibmaschine beiseiteschob, auf der er mit unvorstellbarem Tempo im Zweifinger-System seine Artikel in die Tasten hauen konnte. Von der neuen Computertechnologie hielt er nicht viel.

      Er sortierte einige Schmierblätter, die aus den Rückseiten alter Pressemitteilungen bestanden, und war sichtlich bemüht, durch seine dicken Brillengläser die eigene ziemlich verschnörkelte Handschrift zu entziffern. »Es ist wohl so gewesen, dass das Geld tatsächlich in zwei Chargen von der Landeszentralbank geholt wurde. Die erste mit 700.000 D-Mark war die routinemäßige. Jeden Vormittag wird Geld geholt, wobei sich die Höhe des Betrags am zu erwarteten Geschäftsbetrieb orientiert«, dozierte Grüninger, was ihm ein Informant vertraulich geflüstert hatte. »Die Täter wollten ursprünglich fünf Millionen, was aber, wie wir wissen, Seifritz heruntergehandelt hat. Dazu mussten die Geldboten allerdings ein zweites Mal zur LZB geschickt werden.« Grüninger nahm ein weiteres Blatt zur Hand. »Zur Frage, ob auch Geld aus dem Sparkassentresor genommen wurde, hat es wohl einige Irritationen gegeben. Warum man das so geheimnisvoll behandelt hat, ist mir inzwischen klar. Während der Kassierer – es ist dieser Rilke – die ersten 700.000 Mark für die Täter in eine Tasche verpackt hat, ist ein Kassenangestellter aufgetaucht, der 30.000 Mark wollte. Um den schnell wieder loszuwerden, hat Lackner diese Summe kurzerhand aus der Tasche genommen, die für die Täter bereitstand. Und damit es letztlich wieder 700.000 waren, hat er anschließend 30.000 aus dem Tresorbestand herausgenommen und in die Transporttasche gesteckt.«

      »Und warum hat man daraus ein Geheimnis gemacht?«, wunderte sich Sander.

      »Ganz einfach«, sah ihn Grüninger triumphierend an. »Die 30.000 aus dem Tresor waren sogenanntes Fanggeld, das Lackner den Tätern geistesgegenwärtig unterjubeln konnte.«

      »Fanggeld?«

      »Ja. Scheine, deren Nummern registriert sind. Hat jeder Kassierer unauffällig bei sich liegen«, wusste Grüninger zu berichten.

      »Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Geld irgendwo auftaucht und man Rückschlüsse auf den Besitzer ziehen kann«, meinte Sander.

      »Ganz so einfach wird das nicht sein. Wenn die Scheine irgendwo im Ausland eingetauscht werden, wird das nicht sofort auffallen. Vielleicht bleibt die Beute auch eine Zeit lang in einem Versteck.«

      Sander grinste: »Was macht das für einen Sinn, wenn man Millionär geworden ist und das Geld unters Kopfkissen legen muss?«

      Grüninger blieb ernst. »Es macht zumindest den Sinn, nicht plötzlich als reich in Erscheinung zu treten und aufzufallen. Sie würden sich doch auch wundern, wenn ich mir in den nächsten Tagen einen teuren Porsche zulegen würde.«

      Sander grinste in sich hinein. Das würde ihn tatsächlich wundern. Aber gleich aus zweierlei Gründen: weil Grüninger, der als äußerst sparsam und genügsam galt, wohl ausgeflippt sein müsste, wenn er mit einer solchen Nobelkarosse daherkäme. Und weil er außerdem ein eingefleischter Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs war.

      22

      Hinweise gab es genügend. Aber viele beruhten auf Spekulationen und Vermutungen, wie die Soko Fils – benannt nach dem Fluss, der Göppingen durchfließt – meist sehr schnell feststellen konnte. Hartmut Zeller, Chef einer starken Ermittlermannschaft, informierte täglich den Direktionsleiter Josef Walser, der die goldenen Sterne auf der Schulterklappe seiner Uniform zu schätzen wusste. Er nahm mit sorgenvoller Miene zur Kenntnis, dass die Geiselnehmer wie vom Erdboden verschwunden zu sein schienen. Auch in der Wohnung Seifritz’, wo sich die Täter eine Nacht lang aufgehalten hatten, war nicht das Geringste von ihnen zu entdecken. »Da sie Handschuhe getragen hatten, gab es keinerlei verwertbare Fingerabdrücke. Wir wissen bis heute nicht, ob es noch einen vierten Täter gegeben hat«, erklärte Zeller. »Ob da einer vom Bahnhof aus tatsächlich das Bankgebäude observiert hat oder sich sogar in der Sparkasse aufgehalten hat, ist weiterhin unklar.«

      Der Direktionsleiter hörte konzentriert zu und entschied, mit einer hochgezogenen Augenbraue eine Frage loszuwerden, die ihn immer wieder beschäftige: »Die Familie ist aber okay?«

      »Absolut. So, wie es jetzt aussieht«, winkte Zeller ab.

      »Gab es in letzter Zeit Personen, die sich für die Räumlichkeiten in der Bank interessiert haben?«

      »Nichts Außergewöhnliches. Natürlich sind in so einem Gebäude immer mal wieder Handwerker unterwegs. Elektriker, Installateure, Fernmeldeamt und so weiter.«

      »Auch in jüngster Zeit?«

      »Wir haben uns zuerst mal die Firmen nennen lassen, die seit Anfang des Jahres tätig waren.«

      »Der Coup scheint mir aber langfristig vorbereitet worden zu sein«, wagte der Direktionsleiter einzuwenden.

      »Wir müssen einen Zeitabschnitt nach dem anderen angehen. Auch natürlich einige Personen aus der Bank, keine Frage.«

      »Mir scheint«, fuhr der Göppinger Polizeichef Walser fort, »dass die Täter zwar mit bankinternen Abläufen bestens vertraut waren, nicht aber mit dem persönlichen Umfeld von Seifritz. Sonst wären sie ja wohl nicht davon ausgegangen, in der Wohnung eine Ehefrau anzutreffen, die es gar nicht gibt. Und als stattdessen die 18-jährige Marion aufgetaucht ist, haben sie sich seltsamerweise nicht nach einer weiteren Tochter oder einem Sohn erkundigt. Ihr ursprünglicher Plan müsste also gewesen sein, die Ehefrau zu kidnappen.«

      Zeller zuckte mit den Schultern. »Seifritz kann uns keine Personen aus seinem persönlichen Umfeld benennen, denen er die Tat zutrauen würde. Außerdem fällt ihm niemand ein, der vom Aussehen oder der Stimme her den Tätern ähneln könnte.«

      »Dann hatten die Täter eben einen oder mehrere Informanten«, gab der Polizeidirektor zu bedenken.

      Zeller sah auf die Uhr. Ähnliche Gespräche hatte er in den vergangenen Tagen schon viele geführt. Sowohl mit dem örtlichen Polizeichef als auch mit seinen Vorgesetzten in Stuttgart. Langsam nervte ihn dies, zumal es immer wieder dieselben Fragen waren, die sich sein Team und er ohnehin ständig stellten. »Ihre Leute aus Göppingen nehmen sich schwerpunktmäßig Personen vor, die hier wohnen und mit den Örtlichkeiten vertraut sind«, versuchte Zeller, die Diskussion abzuschließen, und fügte an: »Ende Januar gab’s in der Tiefgarage ein geplatztes Wasserohr. Eine Riesensauerei. Das Wasser drang bis ins dritte Untergeschoss ein. Der Installateur, der deshalb auch im Bereich des Tresorraumes tätig war, wird gerade von dem Göppinger Ermittler Klaus Biegert vernommen.«

      Der Direktionschef war zufrieden.

      23

      Helmut Reinicke, 27 Jahre alt und ein Zupacker wie aus dem Bilderbuch: breitschultrig, groß und kräftig, offenes Lachen auf dem Gesicht. Das füllige schwarze Haar viel zu lang und ungekämmt.

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