Der kleine Fürst Staffel 13 – Adelsroman. Viola Maybach
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Eberhard Hagedorn hörte ihr geduldig zu. Fast alles, was sie ihm erzählte, wusste er bereits, doch davon ließ er sich wie üblich nichts anmerken. Gabriela von Szanten musste in dieser Nacht jemandem ihr Herz ausschütten, und dieser Jemand war nun einmal er.
Wenn er dazu beitragen konnte, dass zwei unglückliche Menschen wieder glücklich wurden, sollte es ihm recht sein.
*
Florian war gar nicht erst ins Bett gegangen nach diesem furchtbaren Abendessen, bei dem es ihm schwergefallen war, einen Bissen hinunterzubringen, obwohl jeder Gang köstlicher gewesen war als der vorangegangene. Aber sich einzugestehen, dass er die Situation von Anfang an richtig eingeschätzt hatte, während die anderen im Irrtum waren, hatte ihn mehr Kraft gekostet, als er sagen konnte. Gabriela war nicht in ihn verliebt, das hatten nun alle deutlich sehen können. Vielleicht war sie am Nachmittag, nach ihrer Ankunft, einfach müde gewesen und hatte deshalb so blass und niedergeschlagen gewirkt. An diesem Abend jedenfalls war sie wie früher gewesen. Keine Spur von unglücklicher Liebe zu ihm.
So viel zum Thema Menschenkenntnis, dachte er bitter. Alle haben sich geirrt, und ich war beinahe schon bereit, ihnen zu glauben, einfach, weil ich ihnen unbedingt glauben wollte.
Plötzlich wurde ihm die Suite zu eng. Er würde noch einen Spaziergang durch den Park machen, das passte zu seiner Stimmung. Es war eine ziemlich finstere, mondlose Nacht, wie gemacht für düstere Gedanken über unerfüllte Liebe und eine freudlose Zukunft.
Er verließ seine Suite und schlich die breite Treppe, die in die Eingangshalle führte, hinunter. Ihm war klar, dass er die Alarmanlage ausschalten musste, wenn er das Schloss noch einmal verließ. Er war bereits am Hauptportal, als er meinte, leise Stimmen zu hören, und so blieb er lauschend stehen. Ja, da sprach eindeutig jemand! Ohne nachzudenken folgte er den Stimmen, die offenbar aus der Küche kamen. Wurde dort etwa um diese Zeit noch gearbeitet?
Er schlich weiter, bis ihm bewusst wurde, dass eine der Stimmen Gabriela gehörte. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Gleich darauf erkannte er auch die Stimme ihres Gesprächspartners, es war Eberhard Hagedorn, der allerdings nur ab und zu etwas einwarf.
Er schob sich jetzt Schritt für Schritt vorwärts, bis er die Tür zur Küche erreicht hatte. Sie stand offen.
Die beiden saßen am Küchentisch, vor Gabriela stand eine Tasse, aus der sie ab und zu nippte. Jetzt konnte Florian verstehen, was sie sagte.
»Ich liebe ihn, Herr Hagedorn, und ich werde es ihm niemals sagen können. Es ist zu spät. Ich bin zu spät gekommen. Jetzt hat er sich in diese Annabelle verliebt!«
Florians Herzschlag setzte aus.
*
»Was ist denn?«, fragte Baron Friedrich schläfrig, als er sah, dass Sofia auf dem Bettrand saß. »Kannst du nicht schlafen?«
»Ich schon, aber andere offenbar nicht«, murmelte sie. »Hörst du das denn nicht, Fritz? Da sind doch ständig Geräusche auf dem Flur.«
»Ich höre nichts, ich schlafe«, brummte er und drehte sich auf die andere Seite.
Die Baronin warf sich einen Morgenmantel über und verließ das Schlafzimmer. Gleich darauf warf sie einen Blick auf den nur schwach beleuchteten Flur hinaus. Im selben Moment sah sie, wie Anna in Christians Zimmer verschwand. Sie hatte sich also nicht geirrt.
In diesem Augenblick sah sie, wie Konrad vorsichtig den Kopf aus dem Zimmer streckte. Als er seine Mutter sah, grinste er verlegen. »Kannst du auch nicht schlafen, Mama?«
»Eigentlich schon, aber mir kam es so vor, als hätte ich etwas gehört.« Vorsichtshalber erwähnte die Baronin nicht, dass sie Anna gesehen hatte. Ihre beiden Kinder stritten gelegentlich noch immer gern, sie wollte Konrad keinen Vorwand liefern, mal wieder auf seine ›kleine Schwester‹ zu schimpfen, die nachts, wenn die Erwachsenen ihre Ruhe haben wollten, im Schloss herumgeisterte.
»Ja, das dachte ich auch«, erklärte Konrad. »War aber wohl doch nichts. Gute Nacht, Mama.«
»Schlaf schön, Konny.«
Sie schlossen ihre Türen gleichzeitig. Wenn Anna bei Christian war, hieß das, es tat sich etwas, das wusste Sofia. Aber sie beschloss, sich nicht weiter einzumischen. Bisher waren ihre Einmischungen, fand sie, nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Vielleicht lief es ohne sie besser.
Als sie wieder unter die Bettdecke schlüpfte, drehte sich Friedrich wieder zu ihr um und streckte die Arme nach ihr aus. »Wo bleibst du denn?«, murmelte er.
Sie rutschte zu ihm und kuschelte sich an ihn. »Ich bin ja schon wieder da, Fritz.«
Er umschlang sie mit beiden Armen und drückte sie an sich. War sie zuvor noch davon ausgegangen, in den nächsten Stunden keinen Schlaf zu finden, so merkte sie jetzt, wie ihre Atemzüge mühelos ruhig und gleichmäßig wurden und sie ganz leicht ins Land der Träume glitt.
Und morgen, war ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen, sind vielleicht alle Probleme gelöst …
*
»Jetzt passiert’s«, sagte Anna und ließ sich auf Christians Bett fallen.
Togo, der davorlag, hob nicht einmal den Kopf, er bewegte nur kurz seinen Stummelschwanz. Christian hingegen fuhr erschrocken in die Höhe. »Mach das nicht noch mal, Anna!«, stöhnte er, als er seine Cousine erkannte. »Man kann einen Herzschlag bekommen vor Schreck, ist dir das nicht klar?«
»Du doch nicht, dein Herz ist völlig in Ordnung«, versetzte sie ungerührt. »Sie sind beide in der Küche.«
Er sah sie verwirrt an. »Von wem redest du?«
»Von Gaby und Florian natürlich.« Sie betrachtete ihren Cousin kopfschüttelnd. »Es wird Zeit, dass du richtig wach wirst, wir müssen nach unten.«
Er ließ sich wieder zurückfallen und schloss die Augen. »Ich verlasse dieses Bett nicht vor morgen früh, Anna. Wenn du willst, erzähl mir, was los ist, aber ich stehe nicht auf.«
»Gaby hat Herrn Hagedorn ihr Herz ausgeschüttet.«
»Und woher weißt du das?«
»Wieso fragst du das, wenn du die Antwort doch genau weißt?«
»Eines Tages werden sie dich beim Lauschen erwischen, du solltest damit aufhören.«
»Du lauschst doch selbst ab und zu«, erwiderte sie. »Jedenfalls hat sie ihm erzählt, dass sie Florian liebt, ich habe es selbst gehört.«
Endlich war es ihr gelungen, Christians Aufmerksamkeit zu erregen. »Also doch!«, rief er. »Sie hat auch geschauspielert beim Abendessen.«
Anna nickte. »Und dann ist Florian aufgestanden. Er muss sie gehört haben, jedenfalls ist er zur Küche gegangen.«
»Und?«
»Mehr weiß ich nicht. Als mir klar geworden ist, dass Herr Hagedorn ihn gesehen hat und