Anfang und Ziel ist der Mensch. Heinrich Mann

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Anfang und Ziel ist der Mensch - Heinrich Mann

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die schlechten und geruchlosen Eigenschaften der Kunsthalle wenigstens einigermaßen zu heben im Stande ist? – ich meine nämlich die Börse. »Welch’ ein genialer Gedanke!« muß ich wiederholen, wenn ich zur Mittagsstunde die meist schon aus der Ferne einen recht behäbigen Eindruck machenden Kaufherrn daherkommen sehe; einen Eindruck, der in der Nähe durch den lieblichsten Geruch bedeutend erhöht wird. Und mit diesem Duft, der unauslöschlich an ihnen haftet, mit diesem Duft von Käse, Petroleum, Schmalz, Leder etc. etc. schwängern und – bereichern sie die Luft, und dieser Duft – –

      Oh, mein Fräulein, die Worte versagen mir, und in überströmender Bewunderung vermag ich nur auszurufen: »Welch’ ein genialer Gedanke!«

      Es ist doch gut, daß L. nur ein Theater besitzt. Man denke sich, es seien etwa ein halbes Dutzend Straßen von derartiger fataler Geruchlosigkeit zu befreien: – ich fürchte, ich fürchte, selbst den L.’er gingen auf die Dauer die genialen Gedanken aus. Aber Gott sei Dank, L. hat nur ein Theater.

      (1889) Essay. Posthum veröffentlicht in Sinn und Form 1/1963, hier: Klein, W. Hg. u. a., Essays und Publizistik, Bd. 1., S. 389f.

      Wohin

      Ich wußte nicht, wohin ich ging –

      Vor mir auf, durch den Park, der so dunkel jetzt,

      Matt flattert ein weißer Schmetterling –

      Ist nun meine Liebe zu Tod gehetzt,

      Sah ich diese Nacht zuletzt? –

      Oder wird das schmerzliche Licht mich lehren,

      Zu dir, zum Vergessen zurückzukehren? –

      Dann wirst du umarmen mein schwindelndes Haupt,

      Und alles wird sein, wie es immer war –

      Und hab ich auch nie an dich geglaubt,

      Jetzt ist es, als säh ich alles klar,

      Als seiest du dennoch, dennoch wahr –

      Und wieder ein Tag, und deine Züge,

      Können doch nichts sein, als kalte Lüge.

      Wer bist du? – Und wenn du mich fragst,

      weiß ich denn selber, wer ich bin?

      Wie oft, daß in meinen Armen du klagst,

      Es sei verdrossen und kalt mein Sinn,

      Ich liebte dich nicht. – Weiß ich’s? – Wohin?

      Wohin – Wie kann ich finden uns beiden

      Erlösung von unserm seltsamen Leiden.

       (1892) Gedicht. Briefe an Ludwig Ewers, S. 305

      Haltlos

      Der nächste Tag war der unsäglichsten Aschermittwochsstimmung geweiht. Weniger im Gedanken an das Geschehene: Was jetzt zu tun oder nicht zu tun – das war der Inbegriff seines Jammers. Er hatte ja eigentlich – nun gewiß, er war Moralphilosoph – also, er hatte eigentlich gewisse Verpflichtungen übernommen. Das tut jeder mal, vielmehr es passiert jedem mal. Aber sie auch gleich einhalten –

      Hatte er denn überhaupt das Zeug dazu? Er, in seiner Stellung, mit seinen Lebensanschauungen, mit seinem Naturell! Er würde bodenlos unglücklich werden und machen. Und nahm er die Folgen seiner – Unüberlegtheit auf sich, trotz alledem – nun, so war er eben ein »guter Kerl«. Ah, wie ihm’s in den Fingerspitzen kribbelte, ihn zu ohrfeigen, diesen »guten Kerl« – das heißt, den Begriff … denn er selbst – – Unsinn, nie! Da hörte einfach jede Philosophie auf. Die war gut für die Theorie, hier aber … Und dann hätte er sich doch fast geohrfeigt, so weit er vom »guten Kerl« entfernt war.

      Oh, er wußte ja gut, wie entsetzlich gemein er handelte – noch schlimmer: wie gewöhnlich, unoriginell. Ihn schwindelte, so tief war der Fall, den er tun mußte von der Höhe seiner weltverachtenden, bewußt-exklusiven Moral, die bei der ersten Gelegenheit, sich zu betätigen, barst und bebte, ihn in das flache Sandfeld der Gewöhnlichkeit hinabzuschleudern. Und kein Ausweg. Denn die Unmöglichkeit des – das platte Wort, er mochte es nicht denken! – des Heiratens war ja so trostlos klar.

      So räderte sich der Kreislauf der Gedanken ihm durchs Hirn, von morgens an. Mittags lief er zwecklos durch die Straßen; ans Essen dachte er so wenig wie an ein Wiedersehen mit – ihr, mit seiner Geliebten. Nur ein dunkles Gefühl hatte er, man werde sich wohl noch mal sprechen müssen. Er hatte doch eigentlich etwas »gutzumachen«. Ja, das war klar. Aber wie! – »Mit Geld!« stieß er höhnisch hervor, wie um seine Selbstverachtung noch mehr zu reizen. Und dann – im Ernst, er fand nichts anderes. Und das Ende war – der Wunsch sich selbst anzuspeien.

      (1890, veröffentlicht 1897) Novelle. Haltlos, Novellen Bd. 1, S. 51f.

      Bourget als Kosmopolit

      Seine Kunst des Verallgemeinerns mußte sich ungleich schwieriger gestalten, sobald sie von der Uebung an dem landschaftlichen Charakter, an der Bevölkerung, an Kunst und Leben eines einzelnen fremden Landes dazu überging, Typen verschiedener Nationalitäten und Rassen und diese auch wieder in einer ihrem Ursprung fremden Umgebung und Lebensweise darzustellen. Die Aufgabe hatte eine complicirte Fassung bekommen, sobald es sich darum handelte, den eigenen Kosmopolitismus gleichsam mit dem der zu zeichnenden Charaktere zu multiplizieren. Da es aber Bourget war, der sie sich stellte, so konnte die vollgültige Lösung entstehen, welche nunmehr in dem mit einem, wie es scheint, zuerst von Stendhal gebrauchten Wort »Cosmopolis« betitelten Roman vorliegt.

      »Heute … schaffen sich eine beträchtliche Anzahl von Personen, wie Beyle, in Graden und Nuancen, die nach den Mitteln und Temperamenten schwanken, Sammelplätze zum Genuß exotischer Eindrücke. Allmählich und Dank einem unvermeidlichen Zusammentreffen der verschiedenen Adepten des weltbürgerlichen Lebens, bildet sich eine europäische Gesellschaft, eine Aristokratie besonderer Art, deren vielfältige Sitten noch nicht ihren endgültigen Maler gehabt haben.« Mit diesen Worten war bereits in dem in mancher Beziehung grundlegenden Aufsatz über Stendhal das Thema angedeutet. Bei näherem Eingehen auf dasselbe mögen sich die besonderen Schwierigkeiten aufgedrängt haben, von denen in einigen Bemerkungen der »Italienischen Eindrücke« die Rede ist. »Je mehr ich gereist bin«, heißt es dort, »desto augenscheinlicher ist es mir geworden, daß die Civilisation die Grundverschiedenheiten zwischen Volk und Volk, auf denen die Rasse beruht, nicht gemäßigt hat. Sie hat bloß die hervor tretenden Aeußerlichkeiten dieser Verschiedenheiten mit einem einförmigen Firniß überkleidet. Das Ergebnis ist nicht eine Annäherung. Die Rasse ist im Gegenteil schwerer zu erkennen, da die Gleichheit der äußeren gesellschaftlichen Formen uns die innerlichen Gegensätze verbirgt. Es erscheint paradox, aber wahrscheinlich kennen wir einander viel weniger, unter Nationen gesprochen, als zu den Zeiten, wo jeder nach seiner Gewohnheit lebte.«

      Die Gesellschaft, welche Cosmopolis schildert, ist eine solche, in der kaum Einer nach den ihm von Hause eigenen Gewohnheiten lebt. Alle diese Menschen, die in der gleichen Stadt Rom, wo sie sich theils für immer, theils zu länger oder kürzer begrenztem Aufenthalt niedergelassen haben, die gleiche Existenz

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