Anfang und Ziel ist der Mensch. Heinrich Mann

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Anfang und Ziel ist der Mensch - Heinrich Mann

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Gefühle und Gedanken zu haben glauben«, scheinen bis zur thatsächlichen Gleichheit assimiliert zu sein. Aber es kann auch zwischen ihnen Situationen geben, wo durch den inneren Druck von Leidenschaften der einförmige Firniß, der die Verschiedenheiten ihrer Geburt verdeckt, Sprünge erhält. Wenn in solchem Falle die Rassen unter Hervorkehrung ihrer Grundeigenthümlichkeiten gegen einander gerathen, so ist in erster Linie ein heftiger Zusammenstoß zwischen den weitesten Gegensätzen Schwarz und Weiß zu erwarten. Der Instinkt ist hier so stark, daß er auch wenige Tropfen des schwarzen Blutes, mögen sie selbst vor geraumer Zeit in das Familienblut gerathen sein, unschwer erräth.

      (1894) Essay. Bourget als Kosmopolit, zuerst in: Das Zwanzigste Jahrhundert. Blätter für deutsche Art und Wohlfahrt, hg. v. H. Mann, Heft v. Januar 1894, hier: Klein, W. Hg., Essays und Publizistik, Bd. 1, S. 52–67, hier S. 53ff.

      Reaction

      Doch alles ist Reaction! Mit diesem Schlagwort wird jede vernünftige Bestrebung, die Zukunft zu bessern, niedergeschlagen. Werden wir uns doch über die Begriffe klar. Die, welche den freien Gedanken zu vertheidigen vorgeben, vergessen gern die erste größte Wahrheit, die uns die Philosophie mitzutheilen hat: die Begriffe sind relativ. Der Begriff »Fortschritt« ist ebenso wenig absolut wie ein anderer; er kann also auch nicht dauernd derselben Partei wie derselben Geistesrichtung angehören. Die bürgerliche Revolution, die den heutigen Liberalismus zur Macht erhoben hat und auf die er sich beruft, bedeutete einst den Fortschritt. Sie ist mit aufrichtigen und hohen Idealen vom Gelehrtenthum und der lernenden Jugend angestrebt, vom Bürgerthum errungen worden, und sie hat wenigstens auf der einen Seite Erfolge erzielt, die niemand von uns entbehren möchte. Wir danken ihr ein großes Maaß bürgerlicher Freiheit, einen freieren Athem des öffentlichen Lebens, einen regeren Austausch der geistigen Erzeugnisse, zum Theil sogar die Machtstellung, welche Deutschland heute behauptet.

      Auf der anderen Seite aber haben jene edlen und vertrauensseligen Bestrebungen, die dauernden politischen und wirtschaftlichen Ausgleich und Zufriedenheit bezwecken, keine andere als die geradezu und dennoch natürliche Folge gehabt, das Nationalvermögen und damit auch den politischen Einfluß in den Händen Weniger anzusammeln, die ohnehin zumeist mit unserem Volksthum wenig oder nichts gemein haben und ihm auf alle Weise zur Last fallen. Eine namenlose Verbitterung der besitzlosen Stände ist daraus hervorgegangen, so drohend und so stark, wie sie keiner der revolutionären Staatengebilde je gekannt hat. Für uns muß es sich darum handeln, daß dieser Verbitterung keinerlei neue Nahrung zugeführt und daß ihr die alte entzogen werde; daß die kapitalistische Ungerechtigkeit so viel wie möglich ihren Ausgleich erhalte. Wir wünschen die Ideale von 48 auch in dem Theile verwirklicht zu sehen, in welchem sie bisher fehlgeschlagen sind. Das ist in Wirklichkeit der Weg des Fortschrittes.

      Läßt man alles in dem Sinne wie bisher weiter gehen, so werden wir nur bald am Ziele sein. Die Vielen, die unserer Kultur fremd geblieben sind, die an unsren Genüssen nicht theilgenommen haben, von unserer Kunst nichts und von unserer Wissenschaft nur das kennen, was ihnen den Verstand raubt – sie werden über diese gehaßte Cultur herfallen und das Ende wird eine Barbarei sein, von der wir keine Vorstellung haben. Dann, nur leider zu spät, wird Jeder wissen, daß Alles, was man heute Fortschritt nennt, Reaction war.

      Es ist heute Reaction, für die unbeschränkte politische Freiheit, für Gewerbefreiheit und freie Konkurrenz einzutreten. Es ist eine rückständige und überlebte Meinung, Wissenschaft und Aufklärung für die Förderer der Zivilisation im unwissenden und armen Volk zu halten. Es ist ein reactionäres Verbrechen, Gott und die Unsterblichkeit zu leugnen.

      Gleichwohl wird die Presse, die den Geschäftemachern und Spekulanten dient, fortfahren, dies alles Fortschritt zu nennen. Und leider wird man ihr bis tief in die staatserhaltenden Schichten hinein Glauben schenken. Die große Menge wird ihren ehrlichen aber unzeitgemäßen Idealen blindlings folgen und dadurch zu zahllosen Gimpeln werden, die sich von wenigen nüchternen Interessen leicht einfangen lassen. Je größer aber diese Menge ist, desto weniger vertritt sie den Fortschritt. Wann wäre dieser je bei der Menge gewesen? Er hat sich noch stets bei der Minorität befunden, die am Ende dennoch Recht behält.

      (1895) Essay. Reaction, zuerst in: Das Zwanzigste Jahrhundert. Blätter für deutsche Art und Wohlfahrt, hg. v. H. Mann, Heft v. April 1895, hier: Klein, W. Hg. u. a., Essays und Publizistik, Bd. 1, S. 119–125, hier S. 124f.

      Kaiser Wilhelm II. und das Gottesgnadentum *

      Nur vor einer Persönlichkeit pflegte sie bisher Halt zu machen, die Kritik, die allen anderen zugesetzt hatte. Wenn man sonst Jedermann als Typus oder vielmehr als eine Zusammensetzung von Typen ansah, (…), so hatte man gewöhnlich doch für die eine Persönlichkeit ganze Gefühle bewahrt, den Monarchen liebte oder haßte man, man empörte sich oder gab sich hin. Man konnte noch, im Guten oder Bösen an ihn glauben wie man nur an das glaubt, was man nicht kennt. Seine Persönlichkeit war auch noch von keinem Revolutionär angetastet worden. Man mochte ihn auf’s Schaffot schleppen, so wußte man im Grunde doch niemals wer er war. (…). Denn sein Wille war zu dem Kollektivbegriff der »Regierung« erweitert, aus deren Physiognomie die seinige niemals mit Sicherheit zu entziffern war.

      Auch in dieser Bedeutung ist er »von Gottes Gnaden« geblieben. Denn es ist zu bedenken, daß das Gottesgnadenthum ein Rest ist von Etwas, was ehemals allgemein war. Wir Alle waren einmal von Gottes Gnaden, jeder an seinem Platze, als volle Persönlichkeit, mit einer Seele aus einem Stück, die man gut oder schlecht, unbrauchbar oder tüchtig nannte. Diese einfache Schöpfung ist von der Kritik analysirt worden als ein komplizirter Automat mit widersprechenden Fähigkeiten und vorgeschriebenen Bewegungen. Sollte nun auch jene einzig übrig gebliebene Seele der Kritik verfallen, so würde aus den Stücken, in die sie sie zerlegt hätte, Jeder das ihm Genehme festhalten, das übrige ausscheiden. Es würde ein Feilschen und Zerren beginnen, dem die Persönlichkeit des Monarchen und damit der Monarchie selbst endgültig erliegen müßten. Denn die Mystik des Gottesgnadenthums besteht eben in der Unkenntnis des Monarchen, und das Ende dieser Unkenntnis wäre zugleich das Ende der Monarchie.

      (1895) Essay. Wilhelm II., zuerst in: Das Zwanzigste Jahrhundert. Blätter für deutsche Art und Wohlfahrt, hg. v. H. Mann, Heft v. Juli 1895, hier: Klein, W. Hg. u. a., Essays und Publizistik, Bd. 1, S. 190–195, hier S. 193f.

      Antisemitismus im Geist der Zeit *

      Denn von einer »Religion« kann wohl auch bei den gebildeten »Reformjuden« kaum die Rede sein, die sich in »Freien Gemeinden« zusammenfinden, wie solche auch von Christen begründet werden, die der Kirchlichkeit dadurch zu widersprechen meinen, daß sie neue Sekten bilden. Es wird dort eine Freimaurermoral gelehrt, die von jeder Autorität losgelöst, gerade so willkürlich und unverbindlich ist, wie etwa die der »Ethischen Kultur«. Und einen, immerhin platonischen Sinn für Ethik mögen ja auch die Mitglieder der jüdischen Aristokratie besitzen, die noch erübrigt: die Hochfinanz.

      Da ist der Typus des Mitbürgers, der mit einem Haufen schmutziger Wäsche (in mehrfacher Bedeutung) von Osten bei uns eingefallen ist. In Wien schien sich ihm die Kerkertür ein wenig weit zu öffnen, so entschließt er sich, den schon erworbenen Ruf hoher Begabung bei den »Glaubensgenossen« in Berlin zu verwerthen. Durch einige diskrete Hilfeleistungen, die ihm zugleich ein wenig, nicht für die Oeffentlichkeit bestimmtes Material über die Größe des Weltmarktes in die Hände liefern, weiß er sich unentbehrlich zu machen. Man betheiligt ihn einigemal an, wenigstens in Betreff des Erfolges, zweifellosen »Operationen«. Und plötzlich kann er seinen Gönnern die Zähne weisen. Er ist jetzt selbst eine Macht geworden und befindet sich auf der Höhe, wo der Diebstahl diesen Namen verliert, weil er sich nach Millionen berechnet. Um diese Zeit ist er beinahe ehrlich, da die kleinen Gaunereien das Risiko

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