Die ehrenwerten Diebe. Will Berthold

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Die ehrenwerten Diebe - Will Berthold

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wir in Köln-Wahn.

      Ich verabschiedete mich mit sanftem Bedauern von Ellen, stapfte durch die Sperre und erkannte unter den Wartenden den Fahrer von Siebener.

      Er ging stumm voraus, ich folgte ihm.

      Er hielt den Wagenschlag, er wußte, daß ich vorne neben ihm Platz nehmen würde, und erst als ich mich gesetzt und die Tür geschlossen hatte, begrüßte er mich: »Guten Tag, Herr Fabian.«

      Er sprach kein Wort mehr auf der Fahrt nach Bonn.

      Er bog in den Hof des Ministeriums ein, stieg aus:

      »Ich darf Sie zum Herrn Ministerialrat …«, lud er mich ein.

      Der Mann geleitete mich nicht in das Büro Siebeners, sondern in einen der abhörsicheren Räume, die es jetzt fast in allen Bonner Ministerien gab. Dem Laien mögen solcherlei Maßnahmen übertrieben, ja sogar ein wenig lächerlich vorkommen, aber amerikanische Firmen sind längst dazu übergegangen, zerlegbare Konferenzräume zu schaffen, die vor wichtigen Besprechungen Millimeter um Millimeter durchröntgt werden.

      »Fein, daß ich Sie erreicht habe«, begrüßte mich der hohe Beamte. »Sie kennen Herrn von Kettener?«

      Als mir der Generaldirektor der ELUX-Werke die Hand reichte, wußte ich, daß es sich bei diesem Auftrag um eine elektronische Erfindung handeln mußte, mein ganz spezielles Fachgebiet.

      »Die Hamburger ELUX-Werke haben sich mit einem Hilferuf an das Bundes-Wirtschaftsministerium gewandt«, erläuterte Siebener. »Wenn wir diese mysteriöse Geschichte nicht in den Griff bekommen, droht der deutschen Export-Wirtschaft unübersehbarer Schaden.«

      Ich wußte, daß der Ministerialrat einer der fähigsten Bonner Beamten war, trotzdem überraschte mich sein rascher, präziser Vortrag:

      Unter der werksinternen Bezeichnung XYZ-Gerät war der erfolgreichen Hamburger Firma in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen und einem englischen Partner eine bahnbrechende Erfindung geglückt: ein billiges, exaktes Radargerät, das sich in jedes Kraftfahrzeug einbauen ließ und das, gekoppelt, mit Lenkung und Bremsen, künftig Zusammenstöße so gut wie unmöglich machen würde.

      Eine Revolution der Verkehrssicherheit.

      Ein Vorgriff auf die Welt von morgen. Wenn man weiß, daß sich jedes Jahr auf der Welt Millionen von Verkehrsunfällen ereignen und die alljährlichen Todesopfer des Straßenverkehrs eine Stadt wie Frankfurt bevölkern könnten, war es klar, wie revolutionär die ELUX-Entwicklung sein würde. Weltweit müßte man sich um das Patent reißen und es in Gold aufwiegen.

      »Diese Erfindung, die wir von Staats wegen fördern«, erläuterte Siebener, »nennen wir sie einmal Auto-Radar, ist längst aus dem Experimentierstadium heraus. So sind die ELUX-Werke gerade dabei, die Patentschrift zu erstellen.«

      Damit war, und das wußte ich aus eigener Erfahrung, der kritische Punkt einer jeden Erfindung erreicht. Die Patentämter in allen Ländern der Welt arbeiteten zwangsläufig langsamer als Gottes Mühlen und keineswegs gründlicher.

      Wenn dem rechtmäßigen Erfinder Einzelheiten des beantragten Patents gestohlen wurden, konnte ein Konkurrent ihm mit dem Lizenz-Antrag zuvorkommen oder die Patentierung auf Jahre hinaus verzögern.

      »Wir wissen mit Sicherheit«, übernahm jetzt der Vorstandsvorsitzende der ELUX-Werke das Wort, »daß wichtige Einzelheiten des XYZ-Gerätes bereits in unbefugte Hände geraten sind.«

      »Woher wissen Sie das?« unterbrach ich ihn.

      »Wir haben schon seit Monaten energische Sicherungen eingeschaltet. Ich darf Ihnen sagen, daß das Bundeskriminalamt, daß Spezialisten aus Wiesbaden seit langem unsere Hausgäste sind. Daß unser Werkschutz ausgebaut wurde. Daß Sie in Deutschland der fünfte Mensch sind, der überhaupt von dieser Erfindung erfährt.«

      »Die anderen vier?« fragte ich.

      »Ministerialrat Siebener. Unser Chefkonstrukteur. Ein technisches Vorstandsmitglied und ich.«

      »Und die übrigen Herren Ihres Vorstands?«

      » … kennen nicht die Einzelheiten, wie sie bereits verraten wurden.«

      Selbstlos und korrekt hatte sich der Generaldirektor sozusagen an die Spitze der Verdächtigen gesetzt, hatte freiwillig sein und seiner Kollegen Privatleben bis in die peinlichsten Einzelheiten durchleuchten lassen – ohne Befund.

      »Und aus amerikanischen oder englischen Quellen können die Werkspione nicht schöpfen?« fragte ich.

      »Ausgeschlossen«, erwiderte er. »Wir wissen, daß die verratenen Informationen aus Deutschland stammen – aus dem allerengsten Kreis von vormals vier und seit einer halben Stunde fünf Mitwissern.«

      »Und warum haben Sie sich einen fünften Geheimnisträger geschaffen?«

      »Weil Sie vielleicht der einzige sind, der uns noch helfen kann«, erwiderte Generaldirektor von Kettener. Mit einem fragilen Lächeln setzte er hinzu: »Verzeihen Sie – aber Sie sind doch ein Eierkopf mit Boxhandschuhen.«

      »Danke für die Blumen«, ging ich auf seinen Ton ein, »und Vertrauen ehrt.«

      »Wir haben uns da etwas einfallen lassen«, übernahm Siebener wieder das Gespräch. »Der Personalchef der ELUX-Werke erreicht demnächst die Pensionsgrenze. Sie werden als sein angeblicher Nachfolger eingearbeitet. Sie erhalten einen neuen Namen, feine Papiere, erstklassige Referenzen.« Der Ministerialrat bot uns Cognac und Kaffee an. »Kein Mensch – nicht einmal die Kriminalbeamten – erfährt Ihre wahre Identität.« Er lächelte ein wenig schadenfroh. »Ein ganz guter Test, nach beiden Seiten, nicht?«

      »Schön«, erwiderte ich. »Ich fasse also zusammen: fünf potentielle Täter. Auf keinem lastet auch nur der Schatten eines Verdachts. Keine weiteren Mitwisser. Elektronische Spionage laut Feststellung des Bundeskriminalamts ausgeschlossen. Trotzdem Verrat am laufenden Band.« Ich zündete mir eine Zigarette an. »Stimmt das?«

      »Exakt«, erwiderte Siebener.

      »Wann erhalte ich die Papiere?«

      »Wenn Sie wollen, heute noch«, erwiderte er.

      »Stellen Sie solche bitte auch für meine Frau aus«, bat ich.

      »Aber Sie sind doch Junggeselle«, wandte er überrascht ein.

      »Nicht bei diesem Einsatz! Übrigens wird mein Telefon seit heute angezapft«, stellte ich fest. »Glauben Sie, daß es mit dieser Sache zusammenhängt?«

      »Das möchte ich nicht annehmen«, entgegnete der Ministerialrat gedehnt. »Aber das werden wir gleich mal feststellen.«

      Ich wußte, daß er Postfahndung, Bundeskriminalamt und, falls nötig, auch noch den Verfassungsschutz hinter dem Mann herhetzen würde, der seine Ohren in die falsche Hörmuschel hielt.

      Ein wenig war ich schon gespannt, wie meine neue Frau aussehen würde, auch wenn es im Schlafwagenzug von München nach Hamburg keine Hochzeitsnacht geben könnte.

      Ich wechselte bei jedem Fall meine Mitarbeiter aus, und dabei bemühte ich ziemlich regelmäßig den bekannten Fachjuristen Dr. Georg Brettner.

      Er war ein

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