Die ehrenwerten Diebe. Will Berthold
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die ehrenwerten Diebe - Will Berthold страница 4
»Ich brauche eine Frau«, hatte ich am Telefon verlangt.
Das Gespräch lief über Verzerrer, ein dritter konnte es im Klartext nicht mithören. »Heute noch. Für etwa eine Woche.«
»Und hübsch soll sie sein?« fragte mich Georg.
»Womöglich«, antwortete ich. »Aber viel wichtiger wäre, daß sie intelligent ist.«
»Gut« erwiderte der Patentanwalt. »Ich schick’dir mein bestes Stück heute abend direkt an den Schlafwagen.«
Abteil 1 und 2 waren für Martin und Helga Bauer gebucht.
Ich gab dem Schlafwagenschaffner meine Fahrkarte und beantwortete seinen fragenden Blick: »Meine Frau kommt gleich. Sie kauft nur noch ein paar Zeitschriften.«
Ich sah einer hübschen großen Blondine entgegen, stellte fest, daß sie auf Abteil 1 zuging.
»Tag, Liebling«, begrüßte und küßte ich sie. »Du kannst ja sogar pünktlich sein.«
Wir schlossen die Türen, lachten lauthals und musterten uns ausgiebig. Wir fanden offensichtlich Gefallen aneinander. Das besagte persönlich gar nichts, war aber für den Auftrag nicht so unwichtig.
»Was hat Ihnen Georg über Ihren Einsatz gesagt?« fragte ich.
»Nur daß ich Ihre Frau bin.«
»Gratuliere«, sagte ich lachend. »Wird man mir eine so junge und hübsche Frau abnehmen?«
»Das ist doch zur Zeit die große Mode«, erwiderte sie lachend.
Der Schaffner klopfte an die Tür.
Ich setzte mich rasch neben Helga Bauer, alias Eva Steiner, rückte wie erschrocken ein wenig von ihr ab und sah zu, wie der Mann die bauchige Flasche Blauburgunder entkorkte.
»Prost, Helga«, sagte ich, als er gegangen war, »ist dir klar, daß wir uns duzen müssen?«
»Aber ja.«
»Arbeitest du schon lange für Dr. Brettner?«
»Nicht in dieser Weise«, erwiderte sie. »Eigentlich bin ich Referendarin. Keine Eltern mehr. Während meines Studiums war ich gelegentlich Babysitter. Jetzt versuch ich mich mitunter auch als Gelegenheits-Mannequin.«
»Sicher mit Erfolg«, erwiderte ich. »Wir brauchen eine Legende: Warum hast du mich geheiratet?«
Sie sah mich an, als betrachte sie mich zum erstenmal.
»Zwei Drittel Liebe«, erklärte sie lapidar, »ein Drittel Geld.«
»Einverstanden«, stimmte ich zu.
Dann leerten wir eine Pulle Rotwein so rasch, als müßten wir uns Mut für die Nacht antrinken.
Jeder hatte sein eigenes Abteil.
Die Verbindungstür stand offen.
Ich lag rauchend auf meinem Bett und hörte, wie sich meine angebliche Frau nebenan auszog. So verfänglich die Situation schien, schließlich war ich nur beruflich mit ihr verheiratet. Um diese Feststellung nebst Konsequenz kam ich nicht herum, aber ich war ein Mann, Adams Bruder, verdammt noch mal, und dadurch ein Schwein aus der Herde Epikurs, um mich klassisch auszudrükken, und das Geschlecht stellte nun einmal seine Anforderungen an den Mann. In gewisser Hinsicht reagieren wir Männer auf weibliche Reize alle gleich; es macht uns oberflächlich, aber ohne diese fatale Eigenschaft wären wir keine Männer. Ein Mann ist ein Individuum, das hinter Eva her ist wie ein Jagdhund hinter dem falschen Hasen, ohne zu begreifen, daß er ihn nie einholen wird.
Das Spiel kommt teuer: Vom Geld ganz abgesehen, zahlen wir zum Beispiel dafür mit einer um sechs Jahre verkürzten Lebenserwartung. Ich weiß nicht, ob ich mich schlaflos der Philosophie des Verzichts überließ, nur weil mir die Lage zur Wahl stellte, eine Situation auszunutzen oder eine Gelegenheit zu verschlafen.
Jedenfalls fand meine neue Assistentin ihre Rolle offenbar mehr erfreulich als beängstigend.
»Wie ist das mit dem Gutenachtkuß?« rief sie durch die offene Tür.
»Wird sofort erledigt, Liebling«, antwortete ich, stand auf, ging hinüber und küßte sie mit scheinheiliger Sachlichkeit.
»Du taugst wohl mehr zum Sherlock Holmes als zum Liebhaber«, sagte sie mit einem hintergründigen Lächeln.
»Alles zu seiner Zeit«, brummelte ich und ging durchaus unlustig in das Nebenabteil.
Ich konnte nicht schlafen: Vielleicht lag es an der Duftglocke, die im Abteil schwebte, ein Gemisch von Guerlain und Evas Haut. Außerdem schaukelte ich auf einem Achsenbett. Jedenfalls zählte ich die Bahnhöfe einzeln mit. Und am meisten ärgerte mich dabei, daß meine Begleiterin tief und sorglos schlief. Ich versuchte mich auf Hamburg zu konzentrieren, verglich ähnliche Fälle.
»Schläfst du schon?« fragte Eva alias Helga unvermittelt.
»Schön wär’s«, antwortete ich.
Sie kam in mein Abteil; sie trug ein gewisses Lächeln, ein durchsichtiges Nachthemd und die Haare offen. Sie stand auf hohen Absätzen, beugte sich zu mir herunter und fragte: »Hast du Feuer?«
»Aber ja«, entgegnete ich. »Hier, in meiner Jackentasche. «
»Du willst dir wohl nicht die Finger verbrenn nen?« versetzte sie.
»So ist es«, erwiderte ich. »Übrigens sollte man im Schlafwagenabteil nicht rauchen.«
»Man sollte überhaupt vieles lassen«, konterte sie und ging wieder zurück.
»Wolltest du mich provozieren?« rief ich hinüber.
»Testen«, sagte Eva lachend. »Du hast bestanden.«
Ich drehte mich auf die andere Seite und hoffte, daß meine morganatische Ehefrau über Nacht nicht auch noch meine traumatische werden würde.
Endlich schlief auch ich ein. Schon bald weckte uns der Schaffner mit dem Frühstück.
»Kommen wir also zur Sache«, wandte ich mich an meine Pseudo-Frau. »Erstens brauche ich dich als Staffage, doch kannst du mir auch sonst behilflich sein. Noch ein Brötchen?«
»Nein, danke.«
»Du besichtigst Werkswohnungen, die bald frei werden und in unmittelbarer Nähe des Fabrikgeländes liegen. Du erzählst überhaupt, wie verliebt du bist – verstell dich eben ein bißchen! – und daß wir bald Kinder haben wollen. Wieviel eigentlich?« unterbrach ich meine Anweisungen.
»Beginnen wir mit zwei«, erwiderte sie lächelnd.
»Gut«, meinte ich. »Ein Junge und ein Mädchen.« Wir lachten beide.
»Du redest mit den Leuten wie ein Wasserfall – wenn’s auch schwerfällt.«
»Wenn’s sein muß, bin ich eine richtige Plaudertüte«, erwiderte sie.
»In