Der Archipel in Flammen. Jules Verne
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Was aber von unten nicht sichtbar war, konnte doch von oben, das heißt von dem Gipfel der Höhenzüge, gesehen werden, welche das Dorf umgrenzen. Vitylo ist in Gestalt eines Amphitheaters auf abschüssigen Felsen erbaut, welche die alte Akropolis von Kelapha verteidigt. Darüber erheben sich noch einige alte, zerfallene Türme von jüngerem Ursprung als jene merkwürdigen Überreste eines Tempels der Seraphis, desse Säulen und Capitäle von ionischer Ordnung noch heute die Kirche von Vitylo zieren. Neben jenen Türmen stehen auch noch zwei oder drei kleine, wenig besuchte Kapellen, in welchen fromme Mönche den Kirchendienst versehen.
Es ist hier von Wichtigkeit, auf die Bezeichnung »den Kirchendienst versehen« und selbst auf die Qualifikation eines Mönches, welche diese Geistlichen der messenischen Küste sich zulegen, zu achten. Einer derselben, der soeben seine Kapelle verließ, wird sogleich dem Leser näher vor Augen treten.
Zu jener Zeit war die Religion in Griechenland noch ein eigentümliches Gemisch von heidnischen Sagen und christlichen Glaubenssätzen. Viele Gläubige betrachteten die Gottheiten des Altertums noch gewissermaßen als Heilige der neuen Religion. In der Tat, wie das Henry Belle schildert, vermengen sie die Halbgötter mit den Heiligen, die Kobolde der bezaubernden Täler mit den Engeln des Paradieses und rufen ebenso die Sirenen und Furien an, wie sie noch Brotopfer darbringen. Diese Umstände haben gewisse merkwürdige Gebräuche eingeführt, welche andere zum Lachen reizen, während die Geistlichkeit große Mühe hat, dieses wenig orthodoxe Chaos zu entwirren.
Während des ersten Viertels dieses Jahrhunderts – es ist einige fünfzig Jahre her und die Zeit, mit welcher unsere Erzählung beginnt – war der Clerus der griechischen Halbinsel noch unwissender, und die sorglos dahinlebenden, naiven, zutraulichen Mönche, »gute Kinder«, schienen sehr wenig geeignet, die von Natur abergläubische Bevölkerung auf rechte Wege zu leiten.
Und wenn diese niederen Kirchendiener nur allein unwissend gewesen wären! In gewissen Gegenden Griechenlands aber, vorzüglich in den wilden Distrikten von Magne, scheuten die armen Teufel, von Natur und aus Not schon Bettler und gierig auf die paar Drachmen, welche mitleidige Reisende ihnen zuwarfen, ohne alle Beschäftigung, außer etwa der, den Gläubigen das gefälschte Bildnis eines Heiligen zum Kusse darzureichen oder eine ewige Lampe in irgendeiner Grotte zu unterhalten, dazu verstimmt über den geringen Ertrag ihrer Pfründen, der Beerdigungen und der Taufen, nicht davor zurück, die Auflauerer – und was für Auflauerer – im Solde der Bewohner des Küstengebietes zu spielen.
Die Seeleute von Vitylo, welche am Hafen umherlungerten wie dei Lazzaronis, welche gleich mehrere Stunden Ruhe brauchen, um sich von der Arbeit während einiger Minuten zu erholen, erhoben sich doch rasch, als sie einen ihrer Mönche, die Arme heftig bewegend, schnellen Schrittes nach dem Dorfe hinabsteigen sahen.
Es war das ein Mann von fünfzig bis fünfundfünfzig Jahren, der nicht nur dick, sondern fett war von jenem Fette, das der Müßiggang erzeugt, und dessen schlaue Physiognomie1 nur sehr mittelmäßiges Vertrauen einzuflößen vermochte.
»Was gibt es denn, Vater, was ist denn los?« fragte einer der Seeleute, der ihm entgegenging.
Der Vityliner sprach mit so näselndem Ton, dass man Nason hätte für einen Vorfahren der Hellenen halten können, und dazu jene maniatische Mundart, in der sich das Türkische mit dem Italienischen mischte, als rühre dasselbe aus der Zeit des Turmbaues von Babel her.
»Haben die Soldaten Ibrahims etwa die Höhen des Taygetos besetzt?« fragte ein anderer Seemann mit sehr sorgloser Geste, welche eben nicht viel Patriotismus verriet.
»Wenns nicht gar Franzosen sind, mit denen wir es zu tun haben«, erwiderte der erste Sprecher.
»Na, die sind einander wert!« bemerkte ein dritter.
Diese Äußerung bewies, dass der Kampf, welcher damals gerade am heftigsten wütete, die Bewohner des untersten Peloponnes nur sehr wenig berührte, sehr verschieden von den Maniaten des Nordens, welche sich im Unabhängigkeitskriege so rühmlich hervortaten.
Der dicke Geistliche vermochte aber weder dem einen, noch dem anderen Antwort zu geben. Er war von dem Herabklettern über die steilen Abhänge noch ganz außer Atem. Seine asthmatische Brust keuchte. Er wollte sprechen, konnte es aber nicht. Einer seiner Ahnen im alten Hellas, der Soldat von Marathon, hatte doch wenigstens, noch ehe er starb, den Sieg des Miltiades verkünden können. Doch es handelte sich hier weder um Miltiades noch um den Kampf der Athener gegen die Perser. Es waren kaum Griechen, diese verwilderten Bewohner der untersten Spitze von Magne.
»So sprich doch, Vater, sprich doch!« rief der alte Seemann, namens Gozzo, der sich ungeduldiger als die anderen gebärdete, als hätte er schon erraten, was der Mönch verkünden wollte.
Endlich hatte dieser sich wieder etwas beruhigt. Da streckte er die Hand nach dem Horizont aus und rief:
»Ein Schiff in Sicht!«
Auf diese Meldung hin sprangen die Tagediebe alle auf, klatschten in die Hände und stürmten nach einem Felsen, der den Hafen überragte. Von hier aus konnten sie das Meer in weitem Umkreis sehen.
Ein Fremdling hätte glauben können, dass diese Bewegung nur hervorgebracht würde durch das Interesse, welches jedes von der See herkommende Fahrzeug naturgemäß Seeleuten einflößen muss, denen so etwas ja besonders angeht. Das wäre aber eine falsche Annahme gewesen oder war es vielmehr; wenn dies ein Interesse dieser