Der Archipel in Flammen. Jules Verne

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Der Archipel in Flammen - Jules Verne Jules Verne bei Null Papier

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alte Goz­zo kehr­te, sei­nem Wil­len ge­hor­chend, zu den Ge­fähr­ten zu­rück und ging so­fort dar­an, die zehn Bur­schen aus­zu­wäh­len, wel­che die Mann­schaft der Sa­co­le­ve zu ver­meh­ren be­stimmt wa­ren.

      In­zwi­schen klomm Ni­co­las Star­kos im­mer hö­her den Ab­hang des stei­len Ufers em­por, auf dem der Fle­cken Vi­ty­lo er­baut ist. Hier oben hör­te man wei­ter nichts als das Ge­bell der wil­den Hun­de, wel­che den Rei­sen­den oft nicht we­ni­ger ge­fähr­lich sind als die Scha­ka­le und Wöl­fe, Hun­de mit ge­wal­ti­gem Ge­biss und dem brei­ten Ge­sicht der Dog­ge, die vor kei­nem Stock zu­rück­wei­chen. Mit lang­sa­mem Schla­ge der lan­gen Flü­gel flat­ter­ten noch ei­ni­ge Seemö­wen um­her, wel­che ihre Schlupf­win­kel am Strand auf­such­ten. Bald hat­te Ni­co­las Star­kos die letz­ten Häu­ser von Vi­ty­lo hin­ter sich ge­las­sen. Er schlug jetzt den be­schwer­li­chen Fuß­pfad ein, der um die Akro­po­lis von Ke­ra­pha her­um­führt. Nach­her kam er an den Rui­nen ei­ner Be­fes­ti­gung vor­über, wel­che hier zu je­ner Zeit von Vil­le-Har­douin an­ge­legt wor­den war, als die Kreuz­fah­rer ver­schie­de­ne Punk­te des Pe­lo­pon­nes be­setzt hiel­ten, und dann um­schritt er noch den Fuß ei­ni­ger al­ter Tür­me, die sich noch jetzt hier auf dem Fel­se­nu­fer er­he­ben. Bei die­sen blieb er ste­hen und wen­de­te sich zu ei­nem Rück­blick um.

      Am Ho­ri­zont, jen­seits des Kap Gal­lo, neig­te sich der zu­neh­men­de Mond sei­nem Un­ter­gang im Io­ni­schen Meer zu. Da und dort flamm­ten ei­ni­ge Ster­ne durch die zer­ris­se­nen Wol­ken, wel­che der fri­sche Abend­wind über den Him­mel jag­te. Wenn die­ser ein­mal nachließ, herrsch­te To­ten­stil­le rings um die Zi­ta­del­le. Zwei oder drei kaum sicht­ba­re klei­ne Fahr­zeu­ge durch­furch­ten das Was­ser im Golf, nä­her­ten sich Co­ron oder wen­de­ten sich Kala­ma­ta zu. Ohne die La­ter­nen, wel­che an ih­rer Mast­spit­ze leuch­te­ten, hät­te man die­sel­ben viel­leicht kaum er­ken­nen kön­nen. An an­de­ren Punk­ten der Küs­te brann­ten sie­ben bis acht Feu­er, wel­che sich im Meer zit­ternd wie­der­spie­gel­ten. Wa­ren dies Licht von Fi­scher­fahr­zeu­gen oder sol­che in Woh­nun­gen am Strand? Das hät­te man schwer­lich un­ter­schei­den kön­nen.

      Ni­co­las Star­kos ließ den schon an die Dun­kel­heit ge­wohn­ten Blick über die un­ge­heu­re Flä­che schwei­fen. Das Auge des See­manns hat oft eine un­be­greif­li­che Schär­fe und ge­stat­tet ihm da noch et­was zu un­ter­schei­den, wo an­de­re gar nichts se­hen wür­den. Im jet­zi­gen Au­gen­blick schi­en es aber nicht, als ob die Au­ßen­welt den Ka­pi­tän der »Ka­rys­ta«, der ja in sei­nem Le­ben so vie­les ge­se­hen hat­te, be­son­ders in­ter­es­sie­ren könn­te. Er saug­te die Luft der Hei­mat, gleich­sam den Atem des Lan­des, fast un­be­wusst ein. So stand er un­be­weg­lich, nach­sin­nend mit ge­kreuz­ten Ar­men da und hielt auch den Kopf, von dem jetzt die Ka­pu­ze zu­rück­ge­schla­gen war, still, als wär er aus Stein ge­mei­ßelt.

      So ver­ging etwa eine Vier­tel­stun­de. Im­mer hat­te Ni­co­las Star­kos den West­him­mel be­ob­ach­tet, den ein fer­ner Mee­res­ho­ri­zont be­grenz­te. Dann tat er ei­ni­ge Schrit­te wei­ter das Fel­se­nu­fer hin­auf. Es war nicht Zu­fall, dass er so zö­ger­te. Ihn er­füll­te ein ge­hei­mer Ge­dan­ke, und wer ihn ge­se­hen, hät­te viel­leicht ge­sagt, dass er noch zu er­ken­nen ver­mei­de, was er hier auf der An­hö­he hin­ter Vi­ty­lo ei­gent­lich auf­zu­su­chen ge­kom­men war.

      Es gibt kaum einen öde­ren An­blick, als die­se Küs­te vom Kap Ma­ta­pan bis zum äu­ßers­ten Hin­ter­grund des Golfs. Hier wuch­sen we­der Oran­gen-, noch Zitro­nen­bäu­me, we­der wil­de Ro­sen, noch Lor­beer, kein Jas­min von Ar­go­lis, kei­ne Fei­gen, kei­ne Erd- oder Maul­beer­bäu­me, nichts was ge­wis­sen Ge­gen­den von Grie­chen­land den An­blick ei­ner so üp­pi­gen, rei­chen Land­schaft ver­leiht. Hier er­hob sich kei­ne grü­ne Ei­che, kei­ne Pla­ta­ne, kein Gra­nat­baum, der sich vom dunk­le­ren Hin­ter­grund der Zy­pres­sen und Ze­dern ab­hob. Über­all nur Fel­sen, wel­che jede Er­schüt­te­rung die­ser vul­ka­ni­schen Ge­bie­te leicht in das Was­ser des Gol­fes stür­zen konn­te. Über­all herrsch­te auf die­sem wil­den Bo­den von Ma­gne eine trost­lo­se Dür­re, so­dass die­ser nicht ein­mal sei­ne dünn ge­sä­te Be­völ­ke­rung zu er­näh­ren ver­moch­te. Kaum stan­den hier ein­zel­ne ver­küm­mer­te Pi­ni­en, wel­che halb ab­ge­stor­ben aus­sa­hen, weil man ih­nen das Harz ge­raubt, und de­ren Saft ver­siegt war, wie die tie­fen Ris­se der Stamm­rin­de zeig­ten. Da und dort ein ma­ge­rer Kak­tus mit schar­fen Sta­cheln, des­sen Blät­ter mehr klei­nen, halb ge­scho­re­nen Igeln gli­chen. Nir­gends end­lich fand sich, we­der an den ver­krüp­pel­ten Sträu­chern noch auf dem Bo­den, der mehr aus Kie­sel­stei­nen als aus nahr­haf­ter Erde be­stand, et­was, um die Zie­gen zu er­näh­ren, wel­che doch mit dem ärm­lichs­ten Fut­ter vor­lieb zu neh­men pfle­gen.

      Nach­dem er zwan­zig Schrit­te vor­wärts ge­tan, blieb Ni­co­las Star­kos von Neu­em ste­hen. Dann wand­te er sich nach Nord­os­ten, da­hin, wo der ent­fern­te Gip­fel des Tay­ge­tos sei­ne Um­ris­se von dem min­der dunklen Grun­de des Him­mels ab­hob. Ein oder zwei Ster­ne, wel­che um die­se Zeit auf­gin­gen, schie­nen am Rand des Ho­ri­zon­tes, wie zwei leuch­ten­de Punk­te, auf dem­sel­ben zu la­gern.

      Ni­co­las Star­kos war re­gungs­los ste­hen­ge­blie­ben. Er er­blick­te jetzt ein klei­nes, nied­ri­ges, aus Holz er­bau­tes Haus, das etwa fünf­zig Schrit­te von ihm in ei­ner Aus­buch­tung des Fels­ge­bir­ges ver­bor­gen lag.

      Es war eine be­schei­de­ne Wohn­stät­te, ver­ein­zelt über dem Fle­cken lie­gend, zu der man nur auf stei­lem Fuß­we­ge ge­lang­te und wel­che we­ni­ge halb ent­laub­te Bäu­me, so­wie eine Dor­nen­he­cke um­ga­ben. Die­se Woh­nung er­schi­en auf den ers­ten Blick als schon lan­ge ver­ödet. Die He­cke war in schlech­tem Zu­stan­de, hier bu­schig ver­wach­sen, dort wie­der durch­bro­chen, und bil­de­te so einen sehr un­zu­rei­chen­den Schutz; Hun­de und Scha­ka­le, wel­che zu­wei­len die­se Ge­gend durch­streif­ten, hat­ten wie­der­holt die­sen ver­las­se­nen Win­kel des ma­nia­ti­schen Bo­dens ver­wüs­tet. Gro­be Kräu­ter und Busch­werk wa­ren das ein­zi­ge, was die Na­tur hier da und dort ver­streut hat­te, nach­dem die Hand des Men­schen sich nicht mehr zur Pfle­ge des Or­tes reg­te.

      Wa­rum war der­sel­be aber so ver­las­sen? Nun, der Be­sit­zer die­ses Fleck­chens hat­te schon vor lan­gen Jah­ren die Au­gen ge­schlos­sen. Sei­ne Wit­we, An­dro­ni­ka Star­kos, ver­ließ spä­ter das Land, um sich je­nen to­des­mu­ti­gen Frau­en an­zu­schlie­ßen, wel­che sich im grie­chi­schen Un­ab­hän­gig­keits­krie­ge so rühm­lich her­vor­ta­ten. Da­her kam es auch, dass der Sohn, seit­dem er das Haus ver­las­sen, nie­mals wie­der den Fuß über die vä­ter­li­che Schwel­le ge­setzt hat­te.

      Hier war Ni­co­las Star­kos ge­bo­ren, und hier ver­lie­fen die ers­ten Jah­re sei­ner Kind­heit. Sein Va­ter hat­te sich nach lan­gem eh­ren­vol­len Le­ben als See­mann nach die­ser Frei­statt zu­rück­ge­zo­gen, ver­mied aber gern jede Berüh­rung mit der Ein­woh­ner­schaft von Vi­ty­lo, de­ren wil­de Sit­ten ihm ein Gräu­el wa­ren. Et­was ge­bil­de­ter und mit mehr Ver­ständ­nis für die An­nehm­lich­kei­ten des Le­bens, hat­te er sich mit Weib und Kind hier eine freund­li­che Exis­tenz ge­grün­det. So leb­te er in die­sem Schlupf­win­kel ru­hig und

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