Sportpsychologie in 60 Minuten. Petra Wagner

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Sportpsychologie in 60 Minuten - Petra Wagner

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– vom Verhalten, d.h. der Perspektive „Außenwelt“ – z.B. Ich vermeide einen weiteren Versuch – getrennt. Diese Person-Umwelt-Interaktion wird im Grundmodell der Verhaltenserklärung nach Nolting und Paulus (2015) verdeutlicht (vgl. Abb. 1). Es sind vier Aspekte, mit denen Verhalten beschrieben und auch erklärt werden kann: (1) die aktuellen Prozesse im Individuum, (2) die Bedingungen der Situation, (3) die Merkmale (Eigenschaften) der Person und (4) Aussagen über den Hintergrund dieser Merkmale im Sinne der Entwicklungsbedingungen der Person.

      Abb. 1:

      Grundmodell der Verhaltenserklärung nach Nolting und Paulus (2015, S.113)

      Für das Beispiel aus dem Schulsport bedeutet dies: Ein Schüler ist motiviert, beispielsweise das Hindernis (Bock, Kasten, Pferd) zu überwinden, aber vielleicht nicht selbstsicher oder sogar gehemmt. Aktuelle Prozesse werden häufig von den situativen Bedingungen ausgelöst (Anreger) und spiegeln sich im inneren Erleben wider: Der Schüler will eigentlich am Sportunterricht aktiv teilnehmen, fühlt sich aber überfordert. Dieses innere Geschehen (innere Prozesse und Zustände) lässt sich weiter differenzieren. Die Situation wirkt auf das psychische System. Dazu gehören die „Wahrnehmung“, das „Denken“ (im Sinne von erfassen), die „Emotion“ (im Sinne von bewerten), die „Motivation“ (im Sinne von anregen) und das „Denken“ (im Sinne von planen). Diese inneren Bewertungs- und Entscheidungsprozesse werden im äußeren Verhalten (Effekt) sichtbar, z.B. als gehemmt ausgeführter Versuch, möglicherweise mit einem „hängen bleiben“ am Kasten. In diesen aktuellen Prozessen zeigt sich einerseits das kognitive Erfassen der Aufgabe, andererseits können emotionale Bewertungen und daraus folgende motivationale Tendenzen die kognitive Planung soweit beeinflussen, dass das beobachtbare Vermeidungsverhalten daraus folgt. In diese Beschreibung gehen noch weitere Aspekte ein: die Persönlichkeitsebene als personale Disposition und die individuellen Entwicklungsbedingungen als Reifung und Lernen. Möglicherweise ist der Schüler in seinem Persönlichkeitsprofil so ausgerichtet, dass er Situationen vermeidet, in denen die Gefahr besteht, Misserfolge zu erleben. Damit zeigt er eine Verhaltenstendenz, die in der Motivationspsychologie als „Furcht vor Misserfolg“ bezeichnet wird und die im Gegensatz zur Verhaltenstendenz „Hoffnung auf Erfolg“ steht. Bezieht man nun auch zusätzlich die Entwicklungsbedingungen ein, könnte man als Hintergrund für das Verhalten folgende Informationen nehmen: Der Schüler hat keine sehr aktive Sportsozialisation genossen und wurde von seinen Eltern nicht besonders ermutigt, Sport zu treiben.

      Das Grundmodell der Verhaltenserklärung (vgl. Abb. 1) – skizziert anhand des Beispiels aus dem Schulsport – lässt sich nutzen, um den komplexen Bezug von Erleben und Verhalten abzubilden und stellt eine Grundlage zum Verständnis psychologischer Prozesse dar.

      2 Entstehung und Entwicklung der Sportpsychologie

      Historisch hat sich die Sportpsychologie als Disziplin in Deutschland aus der experimentell ausgerichteten Psychologie der 1920er Jahre entwickelt. Einen entscheidenden Aufschwung nahm die Sportpsychologie ab Mitte der 1960er Jahre, wobei hier die sportwissenschaftliche Orientierung einen wesentlichen Einfluss hatte. Im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele 1972 in München und einer politisch ausgerichteten Konkurrenzsituation zur DDR flossen zusätzliche Mittel in den Ausbau der Sportwissenschaft. Davon hat auch die Sportpsychologie profitiert (Gabler, 2004; Janssen, 2009).

      Heutzutage ist die Sportpsychologie in Deutschland institutionell an die sportwissenschaftlichen Institute und Fakultäten der Universitäten sowie an die Sporthochschule Köln angegliedert. Sportpsychologie wird als Wissenschaft und auch als Anwendungsdisziplin betrieben, wobei Bezüge zu sehr unterschiedlichen Zielfeldern wie dem Spitzen- und Breitensport, der Prävention und Rehabilitation oder dem Schulsport gegeben sind. Die thematischen Bereiche sind ähnlich ausgerichtet wie in der Psychologie und umfassen z.B. Motivation, Volition, Emotion, Kognition oder sozialpsychologische Phänomene. Aktuelle Forschungsergebnisse werden in der Zeitschrift für Sportpsychologie präsentiert. Die Organisation und der Berufsverband für Sportpsychologen in Deutschland ist die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie e.V. (asp).

      3 Themenfelder und Theorien der Sportpsychologie

      Zentrale Themen der Sportpsychologie sind insbesondere Motivation, Volition, Emotion, Kognition und soziale Interaktion. Diese werden im Folgenden aufgegriffen und unter Bezug auf prominente Theorien und Anwendungsbereiche kurz dargestellt.

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