Herman. Ларс Соби Кристенсен
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Sie gehen weiter zum Parktor, ohne zu reden. Als sie im Kirkeweg stehen, tritt Ruby noch ein wenig näher und starrt Herman lange ins Gesicht. Der wird langsam nervös.
»Sehe ich jetzt krank aus?«
»Deine Augen sind knallgrün. Und deine Nase ist orange!«
Damit läuft sie nach Majorstua hinauf. Bei Oscar Mathiesens Firmenhaus dreht sie sich um und winkt, aber das sieht Herman nicht, er ist bereits auf dem Heimweg nach Skillebekk. Und jetzt fühlt er sich wirklich schlecht. Vielleicht wird er doch krank, vielleicht wachsen seine Arme zu Ästen, und jemand kann sie als Brennholz gebrauchen, wenn der Winter kommt. Er spürt das Blatt dort unten im Magen, es liegt schräg und kitzelt. Seine Arme werden schon steif, er muß sie an den Körper pressen. Er betrachtet sich beim Friseur in der Bygdöy-Allee im Spiegel, das ist so ein Spiegel, in dem er sich auch im Profil sehen kann, wenn er sich vorbeugt und den Kopf dreht. Und jetzt kriegt er wirklich Angst. Er erkennt sich nicht wieder. Die Nase ist ein Tannenzapfen, die Ohren ähneln einem Spechtbau, und sein Haar liegt wie hellgrünes Moos festgewachsen auf der Stirn. Herman läuft weg, bevor der Dicke ihn entdeckt, und versteckt sich in einer Einfahrt. Dort faßt er einen Entschluß – er steckt den Finger in den Hals, genau wie Vater es manchmal sonntags tut. Herman steckt den Finger so tief hinein, daß er fast am Blatt kratzen kann. Und da kommt es in voller Fahrt herauf, zusammen mit dem Schulbrot und zwei Bonbons, die er auf dem Weg zur Schule gefunden hat. Das Blatt ist immer noch rot und riecht schlimmer als Turnschuhe. Eine Windböe fegt es in die Straße, dort rollt es hochkant den Rinnstein entlang, und dann ist das Blatt zwischen den Gitterstäben eines Gullis verschwunden. Herman richtet sich auf und fühlt sich bereits besser. Eigentlich schade um die Bonbons, denkt er und überlegt, ob er sie noch einmal essen soll. Das macht er auch und trottet langsam die Gabelsstraße hinunter.
Es fängt an zu regnen. Trotzdem mag Herman das letzte Stück nicht rennen. Und als er in seine Straße einbiegt, stößt Pfand im Erdgeschoß sein Fenster auf und zeigt sein Gesicht, das ganz rostig und mager aussieht. Es heißt, daß Pfand einmal Hausmeister beim König war, aber er wurde gefeuert, weil er sich in eine belgische Prinzessin, die zu Besuch war, verliebt hatte oder weil der König herausfand, daß er eigentlich ein Ausländer aus Schweden ist. Pfand ist entweder sehr laut oder sehr still. Heute ist er vorwiegend still, das hängt damit zusammen, daß Montag ist.
»Hermanjunge«, flüstert er. »Komm mal her.«
Herman kann es gerade noch hören. Er geht näher heran.
»Kannst du für mich ein paar Pfandflaschen einlösen?«
»Man hat keine Zeit«, flüstert Herman. »Vielleicht morgen.«
»Morgen ist leider auch noch ein Tag«, murmelt Pfand und schließt leise sein Fenster.
Kapitel 2
Herman steht mit nacktem Oberkörper im Badezimmer und wäscht sich, zusammen mit Vater. Hermans Vater ißt nämlich niemals etwas, ohne sich vorher gründlich zu waschen – nicht nur die Hände, sondern alles oberhalb der Gürtellinie, und vor allem die Achselhöhlen. Selbst wenn Vater nur eine einzige Scheibe Brot beim Radiowunschkonzert in sich hineinmümmeln will, muß er raus, sich den Oberkörper schrubben und das Hemd wechseln. Auf die Dauer ist das ein bißchen anstrengend, aber es ist auch ganz prima, so zusammen mit Vater mit nacktem Oberkörper dazustehen und die Muskeln zu zeigen. Hermans Oberarme sind noch nicht so recht zu gebrauchen, aber das wird schon kommen, wenn er aufhört, Blätter zu essen. Außerdem hängt der Spiegel so hoch, daß er nur seine Haare erspähen kann, während Vater so groß ist, daß er fast bis an die Decke reicht und sich hinunterbeugen muß, wenn er sich die Haare mit dem blanken Metallkamm, auf den er so stolz ist, kämmt. Hermans Vater ist Kranführer.
»Hast du heute irgendwas Dummes gemacht?« fragt Vater, während er gewissenhaft den Kamm betrachtet, bevor er ihn in die Hosentasche steckt.
Herman muß gründlich nachdenken.
»Nicht daß ich wüßte«, sagt er.
»Das kann ich mir denken. Denn sonst hätte ich es ja gesehen, nicht?«
Vater knufft ihn in den Rücken, und beide kichern. Herman lehnt den Kopf zurück und schaut zu Vater hoch, und für einen Augenblick ist es fast wie unter dem Baum im Frogner-Park, aber von Vaters Kopf lösen sich keine Blätter.
»Hast du heute ein paar Engel gesehen?« fragt Herman.
»Auch heute keinen einzigen«, seufzt Vater und schmiert sich unter beide Arme Deodorant. Danach darf Herman es sich ausleihen, es brennt teuflisch, aber das muß vielleicht so sein, wenn es so gut riecht. Und dann können sie hören, daß Mutter einen Teller auf den Boden fallen läßt, und das bedeutet, daß das Mittagessen fertig ist.
Heute ist Montag, und Montag heißt soviel wie Resteessen. Das ist nicht gerade Hermans Lieblingsspeise. Er rätselt immer darüber, woher die Reste eigentlich kommen, denn er kann sich nicht daran erinnern, Samstag oder Sonntag etwas gegessen zu haben, was den Resten ähnelt. Herman hat den bösen Verdacht, daß es Vaters Aal ist, der in den rätselhaften Auflauf geschmuggelt worden ist. Außerdem ist er heute sowieso nicht besonders hungrig. An solchen Montagen pflegt Vater ihn immer zu fragen, ob er krank sei oder ob er nicht mehr wachsen wolle; alles in allem bringt das Resteessen eine Menge Lästiges mit sich.
Herman stochert auf dem Teller herum, und draußen regnet es weiter. Eine schmutzige Taube sitzt auf dem Fensterbrett und gurrt ganz für sich allein, dann fliegt sie über die Straße und landet auf einem Ast. Die Vögel haben es gut, die brauchen keine Regenjacke und keinen Südwesterhut, denkt Herman. Aber wenn es, wie in Afrika, 40 Tage hintereinander regnet, vielleicht brauchen sie dann Schwimmreifen und Schnorchel?
»Bist du krank, Herman? Oder willst du nicht mehr wachsen?«
Vater redet mit vollem Mund und bedient sich zum vierten Mal. Trotzdem ist noch genug Aal im Auflauf.
»Man hat schon gegessen«, sagt Herman.
»Schon gegessen? Wo denn?« fragt Mutter.
»Im Frogner-Park.«
»Du sollst nicht zwischen den Mahlzeiten essen«, sagt Vater. »Dann wächst du nur in die Breite, nicht in die Höhe.«
»Soll nicht wieder vorkommen«, sagt Herman und schaut wieder aus dem Fenster. Die Taube ist jetzt weg, aber der Regen ist noch da, senkrecht vom Himmel. Gott muß gut schwimmen können, denkt Herman, ganz zu schweigen von Jesus, der in seiner Jugend übers Wasser ging.
Herman ist stolz, daß sein Vater Kranführer ist. Eine Weile hat er überlegt, ob er selbst auch diesen Berufsweg einschlagen soll. Aber wenn ihm schon schwindlig wird, sobald er nur auf einem Hügel steht oder in einen Baum guckt – ist es da nicht ziemlich unwahrscheinlich, daß er es schafft, mindestens zehn Kilometer hoch in der Luft zu sitzen, hinunterzugucken und gleichzeitig mit dem Haken ein schweres Kabel hochzuheben und es in eine Nähnadel einzufädeln?
Mutter schiebt die Reste von Hermans Teller auf ihren. Mutter hat immer am meisten Hunger, obwohl sie klein und dünn ist. Sie arbeitet in Jacobsens Kolonialwarengeschäft an der Ecke. Herman geht gerne nach der Schule dorthin, am besten gefällt ihm der Duft der Kaffeemaschine hinter dem Tresen. Es ist komisch, daß etwas, was so schlecht schmeckt, so gut riechen kann.
»Heute hatten wir einen Kunden, der versuchte, die Kasse zu klauen«, erzählt Mutter. »Er warf mit Tomaten und bedrohte uns mit einer Hand Bananen!«
»Das