Anna Karenina. Лев Толстой

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Anna Karenina - Лев Толстой

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Empfindung, daß in dem Vorgefallenen eine Beleidigung für ihn liege, und sein Ingrimm richtete sich jetzt nicht gegen das, was ihn ursprünglich verstimmt hatte, sondern er ärgerte sich über alles, was ihm in die Quere kam. Der dumme Waldverkauf, der Betrug, auf den Oblonski hineingefallen war und der sich hier in seinem Hause abgespielt hatte, das brachte ihn auf.

      »Nun, bist du fertig?« fragte er, als Stepan Arkadjewitsch zu ihm heraufkam. »Möchtest du Abendbrot essen?«

      »Ja, ich wäre nicht abgeneigt. Was ich für einen Appetit auf dem Lande habe, das ist geradezu wunderbar. Warum hast du Rjabinin nicht zum Essen eingeladen?«

      »Ach, hol ihn der Teufel!«

      »Aber wie du ihn auch behandelst!« sagte Oblonski. »Nicht einmal die Hand hast du ihm gegeben. Was für einen Grund hast du denn dafür?«

      »Einem Diener gebe ich auch nicht die Hand, und ein Diener ist hundertmal besser als er.«

      »Was für ein Reaktionär bist du aber! Wo bleibt da die Verschmelzung der Stände?« sagte Oblonski.

      »Wem's Vergnügen macht, zu verschmelzen, – wohl bekomm's! Mir aber widersteht es.«

      »Na, ich sehe, du bist ein Reaktionär vom reinsten Wasser.«

      »Offen gesagt, ich habe nie darüber nachgedacht, was ich bin. Ich bin Konstantin Ljewin, weiter nichts.«

      »Und zwar Konstantin Ljewin, der sehr übler Laune ist«, setzte Stepan Arkadjewitsch lächelnd hinzu.

      »Ja, übler Laune bin ich, und willst du wissen, weshalb? Nimm mir's nicht übel, wegen deines dummen Verkaufes.«

      Stepan Arkadjewitsch runzelte gutmütig die Stirn wie ein Mensch, der unschuldigerweise gekränkt und geärgert wird.

      »Na, nun laß die Sache ruhen!« erwiderte er. »Wann wäre es wohl jemals geschehen, daß jemand etwas verkauft hätte und ihm nicht gleich nach dem Verkauf gesagt worden wäre: ›Das ist weit mehr wert‹? Aber während man im Handel begriffen ist, will einem kein Mensch mehr geben. – Nein, ich sehe schon, du hast einen Groll auf diesen unglücklichen Rjabinin.«

      »Das kann schon sein. Aber weißt du auch, warum? Du wirst wieder sagen, daß ich ein Reaktionär oder sonst etwas Schreckliches bin; aber trotzdem muß ich sagen: es ärgert und schmerzt mich, diese allerwärts sich vollziehende Verarmung des Adels mit anzusehen, zu dem ich doch auch gehöre, eine Zugehörigkeit, über die ich trotz der Verschmelzung der Stände sehr froh bin. Und diese Verarmung ist nicht die Folge üppigen Lebens. Das wäre noch nicht so schlimm; in Herrenart zu leben, das ziemt dem Adel, und das verstehen auch nur die Edelleute. Jetzt kaufen hier in unserer Gegend Bauern Land zusammen; das geht mir weiter nicht zu Herzen: der Herr ergibt sich dem Nichtstun, der Bauer arbeitet und verdrängt den Müßiggänger. Das muß so sein. Und ich habe meine Freude an den strebsamen Bauern. Aber es wurmt mich, mit anzusehen, wie diese Verarmung oft durch eine gewisse – ja, ich weiß nicht recht, wie ich es nennen soll –, durch eine gewisse Harmlosigkeit herbeigeführt wird. Hier hat ein polnischer Pächter von einer Dame, die in Nizza lebt, ein wundervolles Gut für den halben Preis gekauft. Da verpachtet jemand einem Händler Land für einen Rubel die Deßjatine, wo zehn Rubel der richtige Preis wäre. Und du hast hier ohne jeden Anlaß einem Spitzbuben sechzigtausend Rubel geschenkt.«

      »Was soll man denn manchen? Soll man etwa jeden Baum zählen?«

      »Unbedingt muß man das tun. Siehst du, du hast nicht gezählt, und Rjabinin hat gezählt. Rjabinins Kinder werden die Mittel zum Leben und zu ihrer Ausbildung besitzen, und die deinigen vielleicht nicht.«

      »Na, nimm es mir nicht übel, aber es liegt doch etwas Armseliges in dieser Rechnerei. Wir haben unsere Tätigkeit und diese Leute die ihrige, und sie müssen davon ihren Vorteil haben. Übrigens ist ja die Sache erledigt, also Schluß damit! – Sieh mal an, es gibt Spiegeleier; in dieser Form esse ich die Eier am allerliebsten. Und Agafja Michailowna gibt uns gewiß auch von diesem wundervollen Kräuterschnaps.«

      Stepan Arkadjewitsch setzte sich an den Tisch und begann mit Agafja Michailowna seine Späßchen zu machen, indem er ihr versicherte, ein solches Mittag-und ein solches Abendessen habe er lange nicht gehabt.

      »Na ja, Sie loben einen wenigstens«, sagte Agafja Michailowna, »aber Konstantin Dmitrijewitsch, der ißt alles, was man ihm vorsetzt, und wenn es eine Brotrinde wäre; das ißt er und geht davon.«

      Wie sehr sich Ljewin auch bemühte, seiner Verstimmung Herr zu werden, er blieb finster und schweigsam. Er hätte gern seinem Gaste eine Frage vorgelegt, aber er vermochte sich nicht dazu zu entschließen und fand weder die passende Form noch den geeigneten Zeitpunkt, wie und wann er es tun könnte. Stepan Arkadjewitsch war bereits in sein Zimmer hinuntergegangen, hatte sich ausgezogen, sich nochmals gewaschen, das gemusterte Nachthemd angelegt und sich zu Bett gelegt; aber Ljewin war noch immer bei ihm, zögerte, das Zimmer zu verlassen, redete von allerlei gleichgültigen Dingen und brachte es nicht fertig, die Frage auszusprechen, die ihm so wichtig war.

      »Was für wundervolle Seife doch jetzt hergestellt wird«, sagte er, während er ein Stück parfümierte Seife, das Agafja Michailowna dem Gaste hingelegt, dieser aber nicht benutzt hatte, betrachtete und hin und her wendete. »Sieh nur mal, das ist doch ein wahres Kunstwerk!«

      »Ja, man hat es jetzt auf allen Gebieten zur höchsten Vollkommenheit gebracht«, erwiderte Stepan Arkadjewitsch und gähnte kräftig und behaglich. »Zum Beispiel die Theater und die Vergnügungslokale . . . aaah!« gähnte er. »Überall elektrisches Licht . . . aah!«

      »Ja, das elektrische Licht!« sprach ihm Ljewin nach. »Ja. – Wo ist denn Wronski jetzt?« fragte er plötzlich und legte die Seife hin.

      »Wronski?« versetzte Stepan Arkadjewitsch und hörte auf zu gähnen. »Der ist in Petersburg. Er ist bald nach dir abgereist und seitdem kein einziges Mal wieder in Moskau gewesen. Und weißt du, Konstantin, ich will dir die Wahrheit sagen«, fuhr er fort, indem er sich mit dem Ellbogen auf das Nachttischchen stützte und sein hübsches, rotbackiges Gesicht, aus dem die feucht schimmernden, gutmütigen, schläfrigen Augen wie Sterne herausleuchteten, in die Handfläche legte. »Du bist selbst schuld gewesen. Du hast dich von deinem Nebenbuhler ins Bockshorn jagen lassen. Ich meinerseits – das habe ich dir schon damals gesagt –, ich weiß nicht, auf wessen Seite die größeren Chancen waren. Warum bist du nicht energisch vorgegangen? Ich sagte dir damals, daß . . . « Er gähnte, aber nur mit den Kinnbacken, ohne den Mund zu öffnen.

      ›Weiß er's oder weiß er's nicht, daß ich ihr einen Antrag gemacht habe?‹ dachte Ljewin, der ihn aufmerksam ansah. ›Ja, es liegt ein so schlauer, diplomatischer Ausdruck auf seinem Gesicht.‹ Er fühlte, wie er errötete, blickte aber schweigend dem anderen gerade in die Augen.

      »Wenn damals auf ihrer Seite eine Hinderung bestand, so war diese durch die starke Wirkung eines blendenden Äußeren herbeigeführt worden«, fuhr Oblonski fort. »Dieses vollendete aristokratische Wesen, weißt du, und die zukünftige glänzende Stellung in der Gesellschaft sind zwar nicht bei ihr, wohl aber bei der Mutter stark in die Waagschale gefallen.«

      Ljewin machte ein finsteres Gesicht. Das Gefühl der Kränkung über die ihm widerfahrene Abweisung fing wie eine frische, soeben empfangene Wunde von neuem in seinem Herzen an zu brennen. Aber er war bei sich zu Hause, und man pflegt zu sagen: ›Zu Hause helfen einem die Wände.‹

      »Halt, warte mal«, unterbrach er Oblonski. »Du sagst: aristokratisches Wesen; aber gestatte mir die Frage: Worin besteht dieses aristokratische Wesen bei Wronski oder bei sonst jemandem, ich meine ein aristokratisches Wesen von der

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