Die Eroberung von Plassans. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Die Eroberung von Plassans - Emile Zola страница 7
Marthe arbeitete an ihrem gewohnten Platz auf der Terrasse. „Der Abbé?“ wiederholte sie mit einiger Überraschung. „Ach ja, der Abbé . . . Ich habe ihn nicht gesehen, ich glaube, er hat sich eingerichtet. Rose hat mir gesagt, daß Möbel gebracht worden sind.“
„Da haben wir, was ich befürchtete“, rief Mouret. „Ich hätte dasein wollen; denn schließlich sind die Möbel meine Sicherheit . . . Ich wußte genau, daß du dich nicht von deinem Stuhl wegrühren würdest. Du bist nicht ganz bei Trost, meine Gute . . . Rose! Rose!“ Und als die Köchin da war: „Für die Leute vom zweiten Stock sind Möbel gebracht worden?“
„Ja, mein Herr, auf einem Wägelchen. Ich habe das Wägelchen von Bergasse, dem Trödler, erkannt. Ich sage Ihnen, schwer beladen war’s nicht. Madame Faujas ging hinterher. Bei der Steigung in der Rue Balande hat sie dem Mann, der hinten schob, sogar ein bißchen geholfen.“
„Haben Sie die Möbel wenigstens gesehen, haben Sie sie gezählt?“
„Gewiß, Herr Mouret; ich hatte mich an die Tür gestellt. Sie haben alles an mir vorbeigetragen, was selbst Madame Faujas kein Vergnügen gemacht zu haben schien. Warten Sie . . . Zuerst hat man ein eisernes Bett hinaufgebracht, dann eine Kommode, zwei Tische, vier Stühle . . . Meiner Treu, das ist alles . . . Und keine neuen Möbel. Ich würde dafür keine dreißig Taler geben.“
„Aber Sie hätten meiner Frau Bescheid sagen müssen; unter solchen Bedingungen können wir nicht vermieten . . . Ich werde mich auf der Stelle mit Abbé Bourrette aussprechen.“
Er ärgerte sich und wollte hinausgehen; da gelang es Marthe, ihn plötzlich aufzuhalten, indem sie sagte:
„Hör doch, ich vergaß . . . Sie haben sechs Monate im voraus bezahlt.“
„Ach! Sie haben bezahlt?“ stammelte er in fast verärgertem Ton.
„Ja, die alte Dame ist heruntergekommen und hat mir das hier überreicht.“ Sie kramte in ihrem Nähtisch und gab ihrem Gatten fünfundsiebzig Francs in Hundertsousstücken, die sorgfältig in ein Stück Zeitung eingewickelt waren.
Mouret zählte das Geld und murmelte dabei:
„Wenn sie zahlen, können sie tun, was sie wollen . . . Einerlei, das sind komische Leute. Es kann nicht jeder reich sein, das stimmt; nur ist das kein Grund, sich auf solche Art und Weise ein verdächtiges Benehmen zuzulegen, wenn man kein Geld hat.“
„Ich wollte dir auch sagen“, begann Marthe wieder, als sie sah, daß er beruhigt war, „die alte Dame hat mich gefragt, ob wir geneigt seien, ihr das Gurtbett zu überlassen; ich habe ihr geantwortet, daß wir es nicht brauchen, daß sie es behalten könne, solange sie wolle.“
„Das hast du gut gemacht, man muß sie sich verpflichten . . . Ich habe es dir gesagt, es ärgert mich an diesen verteufelten Pfarrern, daß man nie weiß, was sie denken noch was sie tun. Abgesehen hiervon, gibt es unter ihnen oft sehr ehrenwerte Menschen.“
Das Geld schien ihn getröstet zu haben. Er scherzte, quälte Serge mit dem Bericht der „Missionen in China“, den dieser gerade las. Während des Essens tat er so, als kümmere er sich nicht mehr um die Leute vom zweiten Stock. Als aber Octave erzählt hatte, er habe Abbé Faujas aus der bischöflichen Residenz kommen sehen, konnte sich Mouret nicht mehr halten. Beim Nachtisch nahm er das Gespräch vom Vorabend wieder auf. Dann schämte er sich irgendwie. Unter der Unbeholfenheit eines Kaufmanns im Ruhestand hatte er einen klugen Geist; vor allem hatte er einen gesunden Menschenverstand, eine Geradheit des Urteils, die ihn inmitten der Provinzklatschereien meistens das rechte Wort finden ließ.
„Alles in allem“, sagte er beim Schlafengehen, „ist es nicht gut, seine Nase in die Angelegenheiten anderer zu stecken . . . Der Abbé kann machen, was ihm gefällt. Es ist langweilig, immer von diesen Leuten zu reden; ich wasche mir nun die Hände in Unschuld.“.
Acht Tage vergingen. Mouret hatte seine gewohnten Beschäftigungen wieder aufgenommen; er strich im Haus herum, stritt mit den Kindern, verbrachte seine Nachmittage außerhalb, um zum Vergnügen Geschäfte abzuschließen, von denen er nie sprach, aß und schlief wie ein Mann, für den das Dasein ein sanfter Abhang ist, auf dem es keinerlei Erschütterungen und Überraschungen gibt. Die Wohnung schien wieder tot. Marthe saß an ihrem gewohnten Platz auf der Terrasse an ihrem Nähtischchen. Désirée spielte an ihrer Seite. Die beiden Jungen brachten zur gleichen Stunde die gleiche Ausgelassenheit mit. Und Rose, die Köchin, wurde böse, schalt auf jedermann, während der Garten und das Wohnzimmer ihren verschlafenen Frieden wahrten.
„Ich will nicht wieder davon anfangen“, meinte Mouret wiederholt zu seiner Frau, „aber du siehst wohl, daß du dich täuschtest, als du glaubtest, es würde unser Leben stören, den zweiten Stock zu vermieten. Wir leben ruhiger als zuvor, das Haus ist kleiner und glücklicher.“
Und er blickte zuweilen zu den Fenstern des zweiten Stockwerkes hoch, an denen Frau Faujas schon am zweiten Tag grobe baumwollene Vorhänge angebracht hatte. Nicht eine Falte dieser Vorhänge bewegte sich. Sie hatten ein stillzufriedenes Aussehen, jene strenge und kalte Züchtigkeit einer Sakristei. Hinter ihnen schien sich eine klösterliche Stille und Reglosigkeit zu verdichten. Dann und wann waren die Fenster halb geöffnet und ließen zwischen dem Weiß der Vorhänge den Schatten der hohen Zimmerdecken erkennen. Aber Mouret mochte sich noch so oft auf die Lauer legen, nie gewahrte er die Hand, die das Fenster öffnete oder schloß; er hörte nicht einmal das Knirschen des Fensterriegels. Kein menschliches Geräusch drang aus der Wohnung herab.
Am Ende der ersten Woche hatte Mouret Abbé Faujas noch nicht wieder gesehen.
Dieser Mann, der neben ihm lebte, ohne daß er auch nur seinen Schatten erblicken konnte, verursachte ihm schließlich eine Art nervöser Unruhe. Trotz der Anstrengungen, die er unternahm, um gleichgültig zu wirken, verfiel er wieder auf seine Verhöre, begann er eine Untersuchung.
„Siehst du ihn denn nicht?“ fragte er seine Frau.
„Gestern habe ich geglaubt, ihn zu sehen, als er nach Hause gekommen ist; aber ich bin nicht ganz sicher . . . Seine Mutter trägt immer ein schwarzes Kleid; vielleicht war sie es.“ Und als er sie mit Fragen bedrängte, sagte sie ihm, was sie wußte. „Rose versichert, daß er jeden Tag aus dem Haus geht; er bleibt sogar lange auswärts . . . Was die Mutter anbetrifft, so geht bei ihr alles nach der Uhr; morgens um sieben Uhr kommt sie herunter, um ihre Besorgungen zu machen. Sie hat einen stets verschlossenen großen Korb, in dem sie wohl alles mitbringen muß: Kohlen, Brot, Wein, Lebensmittel, denn man sieht nie irgendeinen Lieferanten zu ihnen kommen . . . Übrigens sind sie sehr höflich. Rose sagt, daß sie sie grüßen, wenn sie ihr begegnen. Aber meistens hört sie sie nicht einmal die Treppe herunterkommen.“
„Sie müssen eine komische Kocherei machen da oben“, murmelte Mouret, dem diese Auskünfte nichts besagten.
Als Octave an einem anderen Abend sagte, er habe gesehen, wie Abbé Faujas in die Kirche Saint-Saturnin hineinging, fragte ihn sein Vater, wie er ausgesehen habe, wie die Vorübergehenden ihn angeblickt hätten, was er wohl in der Kirche getan habe.
„Oh! Sie sind zu neugierig“, rief der junge Mann lachend. „Er sah nicht schön aus mit seiner in der Sonne ganz roten Soutane; das ist es, was ich weiß. Ich habe sogar bemerkt, daß er längs der Häuser in dem spärlichen Schattenstreifen ging, wo seine Soutane schwärzer wirkte. Wissen Sie, er sieht nicht stolz aus, er senkt den Kopf, er trabt schnell . . . Zwei Mädchen haben zu lachen angefangen, als er den Platz überquerte. Er hat den Kopf gehoben und sie mit viel Sanftmut angeschaut, nicht wahr, Serge?“