Operation Führerhauptquartier. Will Berthold
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»Behalten Sie es bitte bei sich, Herr Oberst«, spottete der Hauptmann. »Ich will mir mal vorstellen, daß Sie meinen, was Sie sagen, Herr Oberst. Ich verstehe nur nicht, was Sie wollen.«
»Ich könnte in einer Minute beweisen, daß Sie nicht Fabian sind.« Der Oberst lächelte wölfisch. »Wenn ich wollte beziehungsweise müßte.«
»Und was wollen Sie wirklich?«
»Ihnen helfen.«
»Warum?«
»Gleiche Interessen«, versetzte der Mann in Grau. »Und wenn zwei das gleiche tun, verdoppelt es die Erfolgschance.« Die Augen des Zivilisten schillerten wie schmelzendes Eis. »Ich biete Ihnen eine Möglichkeit, Ihre Reise ohne Wiederkehr vielleicht weniger desperat enden zu lassen.«
»Wissen Sie auch schon, wie, Herr Oberst?« spottete Fabian.
»Ja. Auch wir möchten diesen elenden Krieg beenden«, antwortete Winter. »Wir bringen unsere Leute in Hitlers unmittelbare Umgebung zwecks Kooperation, die noch zu besprechen wäre.«
Die ersten Häuser von Rosenheim kamen in Sicht. Der Oberst stand auf, griff nach seiner Aktentasche. »Auf der Innenseite der Zigarettenschachtel finden Sie eine Telefonnummer in Berlin. Prägen Sie sich diese Ziffern ein. Rufen Sie an oder lassen Sie es tun – so bald wie möglich.« Er wandte sich zum Gehen. »Ich wünsche Ihnen und uns viel Glück. Sie werden ganze Arbeit leisten müssen. Sie verstehen? Es ist das einzige, was ich von Ihnen verlange.« Er lächelte melancholisch. »Sie kennen doch die Spielregeln? Good luck«, sagte er, nickte dem Hauptmann zu und schob sich aus dem Abteil. Ein Mann in Grau, totaler Durchschnitt, leicht gebeugt, zu früh geschädigt vom Biß der Jahre.
Fabian rauchte eine der englischen Zigaretten, sah auf die Innenseite des Deckels, riß ihn ab, lernte die Nummer auswendig und vernichtete das Stückchen Karton mit dem gleichen Streichholz, mit dem er seine »Player’s« angezündet hatte. Er blieb allein im Abteil. Allein auch mit Fragen, für die es keine Antwort gab. Nicht in der nächsten Stunde, womöglich überhaupt nie. Er setzte seinem Gesicht die übliche Arroganz wie eine Brille auf, lehnte sich in die Ecke. Mit der Schulter berührte er das Koppel. Die Nähe der Waffe beruhigte ihn.
Er sah auf die Uhr. In vierzig Minuten mußte er in Freilassing sein.
Der Hauptmann horchte auf Schritte im Gang, wartete, daß die Kettenhunde – warum auch immr – kämen, um ihn abzuholen.
Sie kamen nicht, noch nicht.
Auf einmal sah der Unbekannte, der sich Hauptmann Fabian nannte, eine Chance, für Anstrengung und Arglist entschädigt zu werden und nach Tausenden von Meilen doch noch ans Ziel zu kommen.
Auf dem langen Weg hatte er zwei Kontinente und sieben Länder hinter sich gelassen, in Marsch gesetzt letztlich als Folge eines Ereignisses, zu dem es am 8. November 1939 in München gekommen war.
Anlauf
Niemand weiß, ob der Führer überhaupt kommen wird, aber Stunden vor Beginn der Traditionsveranstaltung im Münchner Bürgerbräukeller verschärfen die Sicherheitsorgane ihre Kontrollen so extrem, als wäre die erste Garnitur des Dritten Reiches von Feinden der Bewegung und ausländischen Agenten durchsetzt.
Dabei ist der große Unbekannte längst im Saal. Ohne Ausweis und Einladung durchbrach er »ungefilzt« als erster sämtliche Sperrkreise. Unsichtbar und unhörbar nahm er den besten Platz im Saal, in unmittelbarer Nähe des Führers und seiner engsten Gefolgsleute. Der Illegale ist der Tod.
Er nistet in der ausgehöhlten Säule direkt neben dem Rednerpult, als Höllenmaschine, von zwei einander kontrollierenden Uhrwerken gesteuert, bestehend aus zehn Kilo Dynamit, genug, um den Pfeiler zu zerschmettern, die Galerie herunterzureißen, den Mann am Rednerpult zu erschlagen und seine in der Nähe sitzenden Paladine auf die letzte Reise mitzunehmen.
Die Zündung ist so geschaltet, daß der Höhepunkt der Rede und das Ableben des Führers zusammenfallen werden. Vor 20 Stunden wurde die Zeitbombe scharf gemacht, eine geniale Eigenkonstruktion, die garantiert fehlerfrei arbeiten wird. Seit nunmehr 14 Stunden tickt die Zünduhr.
Adolf Hitler kann diesem siebenundzwanzigsten, mit Abstand gefährlichsten Anschlag auf sein Leben nur entgehen, wenn er der Traditionsveranstaltung fernbleibt, und tatsächlich hat er zunächst seinen Stellvertreter beauftragt, die Gedenkrede zu halten. Alle Jahre wieder läßt der Führer von seinen alten Kämpfern den Marsch auf die Feldherrnhalle nachvollziehen, der vor 16 Jahren unter den MG-Salven der Bayerischen Landespolizei als blutige ›Spring-in-Deckung-Prozession‹ gescheitert war.
Aber in diesem Jahr – der Zweite Weltkrieg ist im dritten Monat – drohen ihn dringende Regierungsgeschäfte in Berlin festzuhalten.
Tatsächlich muß Hitler wichtige Entscheidungen treffen: Soeben haben Holland und Belgien sich als Friedens-Vermittler angeboten. So einfach kann der braune Diktator die Offerte ehrlicher Makler nicht abtun, denn die diesmal mangelnde Kriegsbegeisterung der Deutschen zwingt ihn, sich in der Öffentlichkeit als Friedensfreund darzustellen.
In wenigen Tagen, am 14. November, soll der Blitzkrieg im Westen beginnen, die Offensive gegen Frankreich unter Bruch der niederländischen und belgischen Neutralität. Hitler verschiebt den Angriffsbefehl auf das Frühjahr 1940, weniger aus völkerrechtlichen als aus meteorologischen Gründen.
Das dritte dringende Regierungsgeschäft ist die zur Zeit geheimste Kommandosache Großdeutschlands: SS-Agenten des Reichssicherheitshauptamts (rsha) haben, als deutsche Widerstandskämpfer getarnt, zwei leitende Offiziere des Secret-Intelligence-Service (SIS) in einen mörderischen Hinterhalt gelockt. Nunmehr muß Hitler persönlich entscheiden, ob der Schlag bis in das Londoner Hauptquartier des britischen Geheimdienstes vorangetrieben werden oder ob Major R. H. Stevens und Captain S. Payne Best – sie steuern von den Niederlanden aus das englische Agentennetz in Deutschland – auf neutralem Boden in die Falle gelockt und über die Reichsgrenze verschleppt werden sollen.
Am Nachmittag fliegt er in einem für ihn typischen Spontan-Entschluß von Berlin aus in die »Hauptstadt der Bewegung«, um hier doch seinen Kampfzeitkult zu zelebrieren.
18 Uhr. Der große Festsaal ist mit 3000 altgedienten Hoheitsträgern überfüllt. Zusammengepfercht werden sie in der Siedehitze auf Tuchfühlung gepreßt, braununiformiert, rotgesichtig, Elite, die aus der Hefe kam, von Hitler durch Nacht zum Trog geführt.
20.03 Uhr. Das stürmische Sieg-Heil-Geschrei der Straße kündigt, den Saal erreichend, Hitlers Eintreffen an. Die alten Gefolgsleute springen auf Stühle und Tische. Der Begeisterungssturm wird zum Orkan. Unter dem frenetischen Jubel droht der Bierkeller zu bersten. Rasende Ovationen reißen die Schulter-an-Schulter-Deckung der Leibgardisten auseinander wie Granateinschläge.
Das NS-Ritual beginnt. Perfekte Massenregie: Die Blut-Fahne wird hereingetragen. Der ›Badenweiler Marsch‹ ertönt. Sein dumpfer Rhythmus setzt sich nur mühsam gegen den Lärm durch. Bevor der Führer spricht, begrüßt er per Handschlag einige Privilegierte, unter ihnen Heinrich Himmler, Dr. Josef Goebbels und Julius Streicher. Umbrandet von Heilgeschrei und Hysterie tritt der fulminante Demagoge an die Rednertribüne. Mit grollender Stimme setzt er seinen Kampf fort. Immer wieder fallen ihm seine Anhänger ins heisere Wort, dem Mann, der alles heimgeholt hat ins Reich, zuerst seine österreichische Heimat, dann den Sudetengau, das Memelgebiet, den polnischen