Das Dekameron. Джованни Боккаччо
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Als jedoch das Morgenrot zu dämmern begann, erhoben sie sich auf den Wunsch der Witwe von ihrem Lager. Damit niemand erraten könne, was geschehen sei, gab sie ihm einige schlechte Kleidungsstücke zum Anziehen, füllte ihm den Beutel mit Geld, und nachdem sie ihm gezeigt hatte, welchen Weg er einschlagen mußte, um seinen Diener wiederzufinden, ließ sie ihn mit der Bitte, über das Geschehene zu schweigen, zur selben kleinen Tür hinaus, durch die er hereingekommen war.
Sobald es heller Tag geworden und die Tore geöffnet waren, ging er, als ob er von weither käme, in den Ort hinein und suchte seinen Diener auf. Wie er sich nun wieder mit seinen Sachen, die im Mantelsack geblieben waren, bekleidet hatte und eben auf das Pferd des Dieners steigen wollte, geschah es wie durch ein göttliches Wunder, daß die drei Wegelagerer, die ihn am Abend vorher ausgeplündert hatten und wegen eines anderen von ihnen begangenen Verbrechens bald darauf gefangen worden waren, in eben jenen Ort eingebracht wurden. So erhielt er denn durch ihr eigenes Geständnis sein Pferd, seine Kleidungsstücke und sein Geld wieder und büßte nichts ein als ein Paar Kniebänder, von denen die Räuber nicht wußten, was daraus geworden war. Voller Dank gegen Gott und den heiligen Julianus stieg Rinaldo zu Pferde und kam heil und gesund zu Hause an. Die drei Wegelagerer aber schaukelten schon anderntags im Galgenwind.
DRITTE GESCHICHTE
Drei Jünglinge bringen ihr Hab und Gut durch und verarmen. Ein Neffe von ihnen kehrt, an allem vertagend, nach Hause zurück und trifft unterwegs mit einem Abte zusammen, der sich als Tochter des Königs von England entpuppt. Sie heiratet ihn und macht seine Oheime durch Ersatz des Verlorenen wieder wohlhabend.
Die Schicksale des Rinaldo von Asti waren von den Mädchen mit Verwunderung angehört worden. Sie lobten seine Frömmigkeit und dankten Gott und dem heiligen Julianus, daß sie ihm in seiner größten Not beigestanden hatten. Doch hielten sie deshalb die Witwe, wenngleich sie sich darüber nur verstohlen äußerten, keineswegs für töricht, daß sie das Glück, welches ihr Gott ins Haus gesandt, so gut zu benutzen gewußt hatte.
Während noch mit leisem Lachen über die angenehme Nacht gesprochen wurde, die ihr zuteil geworden war, fing Pampinea, die als nächste Nachbarin des Filostrato mutmaßte, daß die Reihe nun an ihr sei, darüber nachzudenken an, was sie erzählen sollte, und sagte alsdann nach dem Geheiß der Königin unbefangen und fröhlich:
Je mehr man über die wechselnden Launen des Glücks redet, desto mehr bleibt dem Aufmerksamen darüber zu sagen. Daß es sich so verhält, wird niemanden verwundern können, der klug genug ist, zu erwägen, wie alle Dinge, die wir törichterweise unser nennen, in den Händen Fortunas liegen und von ihr nach einem verborgenen Ratschlusse unaufhörlich und ohne daß wir das treibende Gesetz zu erkennen wüßten, von einem auf den andern übertragen werden. Ob sich dies nun gleich allerorts und tagtäglich offenbart und auch durch einige der vorigen Geschichten belegt worden ist, werde ich doch, weil nach dem Gefallen der Königin über diesen Gegenstand gesprochen werden soll, eine Geschichte hinzufügen, die vielleicht nicht ohne Nutzen für die Zuhörer ist und, wie ich hoffe, ihren Beifall finden wird.
Es war in unserer Stadt vorzeiten ein Edelmann, der Herr Tedaldo hieß und, wie einige vorgaben, zu der Familie der Lamberti, nach der Behauptung anderer aber zu den Agolanti gehörte. Doch ich lasse es dahingestellt, zu welcher der beiden Familien er zählte, und sage nur, daß er zu seiner Zeit einer der reichsten Edelleute war und drei Söhne hatte, von denen der erste Lamberto, der zweite Tedaldo und der dritte Agolante hieß. Wiewohl der älteste noch nicht sein achtzehntes Lebensjahr erreicht hatte, waren sie schon zu hübschen und ritterlichen Jünglingen herangewachsen, als der reiche Herr Tedaldo starb und ihnen als seinen rechtmäßigen Erben seine gesamte liegende und fahrende Habe hinterließ. Als diese sich an barem Gelde und an Liegenschaften so reich sahen, begannen sie, nur von ihrer eigenen Lust geleitet, ihr Geld ohne Maß und Schranken zu vertun, hielten sich eine zahlreiche Dienerschaft und auserlesene Pferde, Hunde und Falken, gaben fortwährend öffentliche Bankette, hielten Waffenspiele ab und taten mit einem Wort nicht, was sich für Edelleute geziemt, sondern was zu tun ihnen in ihren jugendlichen Sinn kam.
Dieses Leben hatten sie noch nicht lange geführt, als der ihnen von ihrem Vater hinterlassene Schatz sich zu vermindern anfing und sie genötigt waren, ihre Besitzungen teilweise zu verkaufen und zu verpfänden, um den begonnenen Aufwand, zudem die reinen Einkünfte nicht mehr genügten, fortführen zu können. So büßten sie heute die eine und morgen die andere ein und wurden es kaum eher gewahr, als bis ihnen fast nichts mehr übriggeblieben war. Da öffnete die Armut ihre Augen, welche der Reichtum verschlossen hatte. Lamberto rief eines Tages die beiden andern zu sich, erinnerte sie, welch ein ehrenvolles Leben ihr Vater und nachher sie selbst geführt hätten, wie ausgedehnt ihr Reichtum gewesen sei. Dann schilderte er ihnen die Armut, in die sie sich durch ihren ungezügelten Aufwand gestürzt, und ermahnte sie, so nachdrücklich er konnte, bevor ihre Dürftigkeit noch offenkundiger würde, gemeinschaftlich mit ihm das wenige, das ihnen geblieben war, zu verkaufen und in die Fremde zu gehen.
Und so taten sie denn auch wirklich. Sie verließen, ohne von jemand Abschied zu nehmen, Florenz in aller Stille und ruhten nicht eher, bis sie in England waren. Hier mieteten sie sich in London ein kleines Häuschen und fingen, bei größter Sparsamkeit in ihren Ausgaben, auf argen Wucher Geld auszuleihen an, wobei ihnen das Glück so günstig war, daß sie in wenigen Jahren sich ein großes Vermögen erwarben. Darauf reiste bald der eine, bald der andere von ihnen nach Florenz zurück. Sie brachten ihre ehemaligen Besitzungen zum größten Teil wieder an sich, kauften noch viele andere dazu und verheirateten sich in ihrer Heimat. Da sie aber immer noch fortfuhren, in England zu wuchern, schickten sie einen ihrer Neffen, Alessandro mit Namen, dorthin, um ihre Geschäfte zu besorgen.
Sie selbst blieben in Florenz und begannen, des Zustandes uneingedenk, in welchen ihr übertriebener Aufwand sie früher gestürzt, und obgleich sie jetzt für Frauen und Kinder mit zu sorgen hatten, verschwenderischer denn je zu leben, so daß alle Kaufleute die größte Meinung von ihnen hegten und ihnen jede beliebige Summe anvertraut hätten. Einige Jahre lang half ihnen das Geld, welches Alessandro ihnen schickte, solchen Aufwand zu bestreiten; denn dieser borgte seit einiger Zeit vielen Edelleuten auf ihre Schlösser und sonstigen Einkünfte und machte dabei die vorteilhaftesten Geschäfte.
Während jedoch die drei Brüder auf solche Weise verschwendeten und wenn es ihnen an Geld fehlte, in der festen Hoffnung auf die Sendungen aus England welches aufnahmen, geschah, was kein Mensch vermutet hatte. In England brach ein Krieg zwischen dem König und einem seiner Söhne aus, der die ganze Insel in zwei Parteien teilte, indem die eine es mit dem Vater, die andere es mit dem Sohne hielt. Durch diesen Krieg wurden denn auch dem Alessandro alle Schlösser der Barone, die ihm verpfändet waren, entrissen, und keine der andern Einkünfte gewährte ihm bessere Sicherheit. Da man jedoch von einem Tag zum andern auf den Frieden zwischen Vater und Sohn hoffte, demzufolge dem Alessandro alles, sowohl Zinsen als Kapital, hätte wiedererstattet werden müssen, verließ dieser die Insel nicht, und die drei Brüder, die in Florenz wohnten und ihren Aufwand in keiner Weise beschränkten, borgten täglich mehr Geld zusammen. Als indes im Verlauf mehrerer Jahre die gehegten Hoffnungen sich nicht erfüllten, verloren jene drei Brüder nicht nur ihren Kredit, sie wurden auch auf Verlangen ihrer Gläubiger, die bezahlt sein wollten, gefangengesetzt und mußten, da ihre Besitzungen nicht ausreichten, um die Schulden zu decken, wegen des Restes im Gefängnis bleiben. Ihre Frauen aber und ihre kleinen Kinder suchten teils auf den Dörfern, teils hie und da in gar dürftigen Umständen ihr Unterkommen, ohne für die Zukunft etwas anderes als Not und Elend erwarten zu können.
Alessandro hatte inzwischen in England mehrere Jahre lang vergebens auf den Frieden gewartet. Als er aber noch immer keine Aussicht dazu sah und sein längeres Verweilen ihm nicht minder lebensgefährlich als unnütz zu sein schien, entschloß er sich, nach Italien zurückzukehren, und machte sich ganz allein auf den Weg.
Da traf es sich