Chefarzt Dr. Norden Box 8 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Box 8 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 3
»Was heißt das?« Die Stimme war rau, zornig.
»Aufgrund der Verletzungsgefahr des umliegenden Gewebes kann es zu einem Funktionsverlust und Ausfallerscheinungen kommen.«
Manfred sprang so unvermittelt auf, dass Daniel Norden erschrak.
»Und das erzählen Sie mir so nebenbei? Wie ein Märchenonkel im Kindergarten?« Seine Stimme krachte wie ein Donnerschlag.
Auch Dr. Norden stand auf. Es war ihm wichtig, auf Augenhöhe mit seinem Patienten zu sprechen.
»Es handelt sich dabei um Möglichkeiten, nicht um ein unausweichliches Schicksal«, sprach er eindringlich auf seinen Patienten ein. »Ich kenne viele Patienten, die nach einer Operation am Gehirn putzmunter nach Hause gegangen sind.«
»Und was, wenn nicht?«
Daniel unterdrückte ein Seufzen.
»Es gibt keine Alternative.« Er musste sich zwingen, den Tatsachen und Manfred Tuck in die Augen zu sehen. »Der Tumor wächst. Ihre Symptome – Schwindel, Kopfschmerzen, Wesensveränderung – werden noch stärker werden, da er auf das umgebende Gewebe drückt. Mit einem Eingriff haben Sie wenigstens die Chance auf ein gesundes Leben. Ohne Operation gibt es diese Option nicht.«
Manfred Tuck schwankte wie eine Tanne im Wind. Er ließ sich wieder auf den Stuhl fallen.
»Dann behalten Sie mich hier?«
»Das ist der Plan.«
Manfred nickte mehrmals hintereinander.
»Sagen Sie bitte meiner Frau Bescheid? Sie wartet im Kiosk.«
»Natürlich. Schwester Elena informiert sie gleich.«
»Aber sagen Sie ihr noch nichts von der Diagnose. Eva ist so furchtbar sensibel und nimmt sich alles so sehr zu Herzen. Ich glaube, diesen Job übernehme lieber ich.«
Daniel Norden hatte seine Zweifel, ob das die richtige Entscheidung war. Aber er hatte keine Wahl.
»Wie Sie wollen«, erwiderte er und ging zum Telefon, um alles Weitere in die Wege zu leiten.
*
Dieter Fuchs, Verwaltungsdirektor der Behnisch-Klinik, saß an seinem Schreibtisch und starrte auf die Tabellen, die vor ihm lagen. Wie konnte das sein? Woher rührte die Differenz zwischen seiner Berechnung und der des Controllings. Schlimm genug, wenn es sich um ein paar Cents gehandelt hätte. Aber 3462,12 Euro? Das war eine Katastrophe. Er griff sich an den Hals. Lockerte den Krawattenknoten und öffnete den obersten Knopf. Wartete auf Erleichterung. Doch nichts wurde leichter. Ganz im Gegenteil. Seit seine Tochter aufgetaucht war und in der Behnisch-Klinik entbunden hatte, war seine Welt aus den Fugen geraten. Noch immer wusste Dieter Fuchs nicht, ob Elsa – Wirtschaftsmanagement-Studium und ehemalige Wirtschaftsberaterin in einem weltweit agierenden Pharmaunternehmen – ihm eine Falle gestellt hatte oder ob es wirklich einem Missverständnis geschuldet war, dass seine Position in Gefahr war. Seit das Damoklesschwert über ihm schwebte, ging schief, was schief gehen konnte. Verlegte er Unterlagen, traf Fehlentscheidungen, übersah falsche Buchungen. Fehler, die ihm, dem Pedanten, noch nie unterlaufen waren. Jedem anderen Mitarbeiter hätte er angesichts eines solchen Fehlverhaltens fristlos gekündigt. Und sich selbst?
Mit zitternden Fingern öffnete er die oberste Schreibtischschublade. Er tastete nach einer Schachtel, die er seit einiger Zeit dort versteckt hatte. Wo steckte sie nur? Dieters Bewegungen wurden hektischer. Er durchwühlte den Inhalt der Schublade, bis er das Objekt der Begierde doch noch fand. In der hintersten Ecke. Gut verborgen vor neugierigen Blicken. Er drückte zwei Tabletten aus dem Blister. Wog sie in der Hand. Ach was, eine dritte konnte nicht schaden! Er griff nach dem Glas Wasser und spülte sie mit einem kräftigen Schluck hinunter. Dann wartete er. Inzwischen wusste er, dass er ein bisschen Geduld haben musste, bis sich sein Herzschlag beruhigte. Sich die Welt um ihn herum langsamer drehte. Geduld war keine seiner Stärken. Doch das Warten lohnte sich. Auch das hatte Dieter Fuchs inzwischen gelernt. Er wusste, dass das Rauschen in seinen Ohren gleich nachlassen, der Schweiß auf seiner Stirn trocknen würde. Endlich war es so weit. Er freute sich über die Kühle auf seinen Wangen. Aber warum wurde es immer kälter? So kalt, dass er zu zittern begann. Er wollte aufstehen, doch seine Beine zitterten auch. Er wollte nach dem Telefonhörer greifen, um seine Assistentin Regina Kampe nebenan anzurufen. Und griff immer wieder daneben. Deshalb öffnete Dieter Fuchs den Mund.
Obwohl Regina nur ein paar Meter weiter saß, hörte sie ihren Chef nicht. Sie starrte auf den Bildschirm. Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen. Jetzt war es also so weit!
Regina Kampe stand auf. Strich den Rock glatt und ordnete die Frisur. Sie nahm allen Mut zusammen und marschierte auf die Tür des Chefbüros zu. Ein kurzes Klopfen. Sie drückte die Klinke herunter.
»Chef, Dr. Beckmann vom Trägerverein bittet um ein persönliches Gespräch. Sind Sie mit dem …« Mitten im Satz hielt sie inne. Ihr Atem stockte. Ihr Schrei hallte bis hinaus auf den Flur.
*
»Wie eine Gänsemama mit ihren Jungen«, spottete Schwester Josepha und sah Dr. Matthias Weigand und seiner Gefolgschaft nach, die auf dem Weg zur Visite waren. Sie hatte nur Glück, dass er im Begriff war, seine Aufgaben zu verteilen und deshalb nicht auf die beiden Lästerschwestern an der Ecke achtete.
»Dr. Gruber, Sie sprechen mit Frau Baader. Ich möchte ihre Überbein-Operation auf morgen verschieben. Oder nein«, revidierte er seine Entscheidung einen Atemzug später. »Sophie, du übernimmst das.«
»Ich?«
Matthias Weigand blieb stehen und drehte sich um.
»Warum nicht du?«
»Weil ich diese Gespräche immer führen muss. Und weil ich sie hasse.«
Matthias lächelte seine Verlobte an. Er wusste, dass er mit Argusaugen beobachtet wurde. Ein Krankenhaus war ein Moloch aus Klatsch und Tratsch. Da bildete die Behnisch-Klinik keine Ausnahme. Es würde schnell die Runde machen, wenn er Sophie wegen ihrer privaten Beziehung bevorzugt behandelte. Ungerecht durfte er aber auch nicht sein. Es war ein beständiger Drahtseilakt. Ehrlich gesagt war er froh, wenn sie endlich ihren Facharzt hatte. Dann würden sich ihre Arbeitsfelder nur noch hin und wieder berühren. Aus seiner Sicht ein klarer Vorteil. Sein Lächeln wurde tiefer.
»Genau deswegen musst du diese Situationen üben. Immerhin bist du bald Fachärztin.« Er zwinkerte Sophie zu und setzte seinen Weg fort.
Das Fußgetrappel hinter ihm zeugte davon, dass ihm seine Küken folgten. Matthias straffte die Schultern und grüßte lächelnd einen entgegenkommenden Kollegen.
Noch vor ein paar Monaten wären Sophie und er sich in so einer Situation an die Gurgel gegangen. Doch sie hatten sich beide geändert. Er wusste, unter welcher Anspannung sie stand. War bereit, seine Liebe über seinen Ärger zu stellen. Sie verstand, dass sie nicht jedes Mal einen Streit vom Zaun brechen konnte, wenn er den Vorgesetzten gab. Zumindest war es das, was Matthias dachte.
Sophie dagegen dampfte vor Zorn.
»Na warte! Heute Nachmittag habe ich meine Prüfung. Dann kann er diese Gespräche selbst führen.«
Ihr Kollege Benjamin Gruber eilte mit wehendem Kittel neben ihr her.
»Aber