Adams Letzte. Will Berthold
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Der weiße SL passierte ausgedehnte, nahtlos ineinander übergehende Mandelhaine. Die Landschaft sah aus wie gemalt, von einem einfallsreichen Künstler. »Was meinst du«, schwärmte Milena, »wie das in sechs Wochen blühen wird: Wohin du siehst, ein einziger weißer Teppich.« Sie stellte fest, daß ihre Begleiterin zerstreut wirkte. »Könntest du nicht im Februar wiederkommen?« fragte sie. »Glaub’ mir, es ist ein einmaliges Erlebnis, und du weißt, Lulu, wie sehr du mir jederzeit willkommen bist. Ich bin hier ja ganz allein, Hans-Egon ist in Düsseldorf geschäftlich unabkömmlich und meine Tochter wieder in ihrem Schweizer Internat.«
»Wenn es sich machen läßt, herzlich gerne, meine Liebe«, entgegnete die Golfpartnerin. »Aber ich fürchte, daß mir keine sehr angenehme Zeit bevorsteht.«
»Sorgen?«
»Probleme«, antwortete Lulu. »Es heißt — ja, eigentlich nur ein Problem, aber immer dasselbe —«
»Cecil?«
Sie nickte.
»Du hast Ärger mit ihm?« fragte Milena behutsam.
»Mit einem Mann wie Cecil hat man doch immer Ärger.«
»Aber doch wohl auch Freude?«
Die Frau des Schriftstellers schwieg, zündete sich eine Zigarette an und musterte ausgiebig die Orangenplantage, die sie gerade passierten, und betrachtete dann auch die riesigen Schirmpinien im Hintergrund. »Einmal mußt du es ja erfahren«, begann sie dann. »Ich bin Cecil auf ein paar schlimme Sachen gekommen; seitdem leben wir getrennt.«
Sie waren höchst ungleiche Freundinnen; jede eigentlich das Gegenteil der anderen. Wo sie sich auch zeigten, fragte man sich, warum diese beiden sich so eng aneinander angeschlossen hätten. Milena Deutler, einzige Tochter eines Großindustriellen und Frau eines Managers, war gepflegt, doch reizlos. Man konnte der Mittdreißigerin mit der mehr hageren als schlanken Figur, dem Haarknoten und den ein wenig hektischen Bewegungen kaum das berüchtigte Kompliment machen. Ihr Anblick überforderte die Vorstellung, sie könnte einmal jung, hübsch und lebenslustig gewesen sein.
Milena lebte wie in freiwilliger Quarantäne, in einem Getto des Wohlstandes, uninteressiert an Affären und Skandalen. Bei ihr war alles geregelt. Sie war eine Fetischistin der Ordnung, dabei zufrieden, denn ihrer Meinung nach hatte sie alles, was zum Leben gehörte: Einen unterwürfigen Ehemann, eine gehorsame Tochter, einen überaus erfolgreichen Vater. Ehe, Erziehung und Familie waren für sie selbstverständliche Pflichtübungen. Sie war wohl ihrer Mutter nachgeraten, von der sie auch den Vornamen geerbt und an ihre Tochter, Milena III, weitergegeben hatte. Für Lulu und auch ihren Mann zeigte sie eine unbegreifliche Schwäche, eine für sie untypische Toleranz; sie billigte den Casagrandes zu, daß sie nicht wie die Deutlers lebten.
Manchmal kamen Milena Zweifel über ihr monotones Leben, und sie fragte sich, ob ihr Mann nicht doch nur ein Schlappschwanz und Mitgiftjäger, ihre Ehe ein Zustand zwischen Frost und Frust, ihre Tochter nicht gehorsam, sondern nur farblos sei und sie selbst womöglich eine unterkühlte Frau.
Mit Martin Laimer, dem Tycoon eines Elektrokonzerns, eher in der Welt anzutreffen als zu Hause, verband Milena eine sachliche Beziehung; vielleicht konnte man zu so einem Berserker der Tüchtigkeit und Übervater gar kein herzliches Verhältnis haben. Auch zu ihrer vor zwei Jahren verstorbenen Mutter hatte Milena keine besonders enge Bindung unterhalten, was sie sich bereits zu ihren Lebzeiten manchmal vorgeworfen hatte: Und jetzt stellte sie fest, auch ihre fünfzehnjährige Tochter schien sich genauso zu entwickeln.
»Ihr werdet also Weihnachten nicht zusammen sein?«
»Kaum.«
»Willst du nicht die Festtage bei uns in Düsseldorf verbringen?« fragte die Gastgeberin.
»Nein, Milena, vielen Dank. Ich werde bei meinem Anwalt in Frankfurt die Scheidung einreichen — ich fürchte, das muß über das US-Generalkonsulat gehen, da wir beide ja Papier-Amerikaner sind — und dann nach Wien weiterfliegen.«
»Ich weiß ja nicht, was vorgefallen ist«, erwiderte die Freundin, »aber du wirst schon nicht zu voreilig sein, Lulu.«
»Diesmal ist der Bruch irreparabel«, entgegnete Lulu zornig. »Ich hab’ Cecil gründlich satt. Ich bin am Ende.«
»Aber er ist wirklich ein gefragter Autor —«
»Schreiben kann er, das stimmt«, räumte Lulu ein. »Das ist aber auch alles.« Sie steigerte sich in den Zorn hinein. »Ich mag eine alte Kokotte sein, wie er mir schon vorgeworfen hat, aber er ist ein Schwein — und Schweine müssen bluten. Und das heißt blechen in seinem Fall.« Sie bemerkte Milenas angewiderten Gesichtsausdruck. »Sei nicht so zimperlich. Einmal muß es heraus, sonst ersticke ich noch daran. Die Welt ist nicht so heil, wie du dir einbildest — du hast ja keine Ahnung vom Leben, Milena«, setzte die Blondine angriffslustig hinzu. »Ich kann ihn wirklich nicht mehr ausstehen. Alle drei, vier Monate eine neue Affäre, eine schlimmer als die andere.« Ihr Gesicht war gerötet. »Und kostspieliger; Cecil ruiniert sich noch total, nur um den späten Casanova zu spielen.«
»So schlimm ist es doch wohl nicht«, schränkte die Frau am Steuer ein. »Vielleicht nur eine gewisse Image-Pflege.«
»Schön wär’s — nimm seine letzte, diese abgetakelte Operetten-Soubrette, vier Jahre älter als ich, eine richtige Sacharin-Göschen. Versteh’ mich, Milena. Sicher wäre es nicht angenehmer, wenn er hinter jungen Mädchen herlaufen würde, aber wenigstens natürlicher. Männer sind nun mal so; aber diese gottverdammten alten Schicksen, mit denen er sich herumtreibt und denen er Altäre baut, machen ihn nur lächerlich. Und Lächerlichkeit tötet. Jungen Frauen geht Cecil geflissentlich aus dem Weg«, setzte sie hinzu. »Warum wohl?«
Die brünette Fahrerin schüttelte den Kopf.
»Ich kann’s dir sagen: Entweder kommt sein Schmäh bei den Jüngeren nicht an — oder er hat Angst, sich bei ihnen zu blamieren.«
»Mein Gott«, erwiderte die Freundin, »du solltest Cecil gekannt haben. Du bist doch schon zum zweiten Mal mit ihm verheiratet —«
»Und zum letzten Mal«, versetzte Lulu voller Ingrimm. »Damals, als ich mich von ihm noch mal überreden ließ, war ich gerade ziemlich parterre und auch noch jünger und vital genug, seine ständigen Eskapaden durchzustehen — und dann die Trümmer seiner Hausaltäre beiseite zu räumen. Aus. Vorbei. Mir geht es jetzt nur noch darum, daß er büßen muß, was er mir angetan hat.«
»Ich bedaure das sehr«, erwiderte Milena. »Ich finde es schrecklich und hoffe, daß das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.«
Die Frau am Steuer war froh, als sie zur prächtigen Golfanlage von Vale do Lobo einbog und die Ankunft das unangenehme Gespräch beendete. Die Parkplätze waren dicht besetzt, aber sie hatte sich telefonisch eine Startzeit reservieren lassen. Milena wurde mit großer Aufmerksamkeit behandelt; diesmal galt die Reverenz nicht ihrem gesellschaftlichen Rang, sondern ihrem Status als vorjährige Clubmeisterin. Sie hatte ein einstelliges Handikap, das auch noch in der unteren Hälfte, und das zählte unter Golfern mehr als die wirtschaftliche Potenz ihres Vaters.
»So, Lulu«, ermunterte Milena am Abschlag