Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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Schwäche, seiner Freudlosigkeit. Die vielsprachigen unterworfenen Völker des Weltreiches erkennen sich in ihm.

      Der König von Frankreich, Henri, ungedeckt auf offenem Feld, mit wenigen Begleitern hinter sich, die leise beraten, wie sie ihn warnen können: er aber, kein Gedanke, daß er sich losreißt. Er steht hingeneigt, er hält den Atem an. Das wird er nie wiedersehn, will auch Sorge tragen, daß es nie wiederkehrt. Alexander Farnese, Herzog von Parma, meidet sein blühendes Land, sein Juwel von einer Stadt, die Marmorbilder und Gemälde, verläßt und meidet alles eines Feldzuges wegen, der ihn nichts angeht, den er für sinnlos und vermessen hält: ihn drängt es, seine Kunst zu üben. Geht über den Fluß bei Lagny, Paris bekommt Zufuhr wie durch Zauber: ein Kunstwerk. Hier, mit seiner großen Theatermaschine probiert er wieder eines, noch eine zauberhafte Überraschung, noch ein Kunstwerk der Strategie.

      Die klare, vernünftige Stimme des Barons Rosny unterbrach den König und erinnerte ihn an die wirkliche Lage. „Sire! Die Herren hier lieben Sie mehr als ihr Leben. Sie dürfen das Ihre nicht länger aussetzen.“

      „Ach was, ihr fürchtet euch wohl?“ fragte der König, womit er seine Herren erstaunte und etwas kränkte. Übrigens erinnerte Rosny ihn in ihrem Namen, daß er mit neunhundert Mann eine große, kunstreich aufgestellte Armee unmöglich angreifen könnte. Er hatte nicht daran gedacht, es zu tun; aber in einer merkwürdigen Parteilichkeit für den anderen drüben warf er ihnen vor, der sei der erste, den sie fürchteten. Sie schwuren ihm, daß nur sein eigenes Leben ihnen wert sei. Er ließ sich begütigen, da waren schon die Reiter Parmas über ihm. Er und seine neunhundert mußten sich eines unverhofften Todes erwehren, viele erfuhren ihn dennoch. Der König wurde leicht verwundet, er entkam nur, weil sein berühmter Gegner nicht glauben wollte, er wär es und wäre so sehr Husar, so wenig König.

      Diesen König sollte Farnese indessen noch kennenlernen, bevor er dann in die Ferne zog, um bald zu sterben. Es kam derart, daß Henri ihn mit Zügen und Gegenzügen auf eine Halbinsel zwischen dem Fluß La Seine und dem Meer drängte, was von vornherein seine Absicht gewesen war, und das Gefecht von Aumale diente nur, sie zu umnebeln. Auf einmal war es geschehen: der reisende Künstler und die Armee, sein schönes Werkzeug, alles gefangen. Keine Lebensmittel auf der Halbinsel, aber eine holländische Flotte segelt dem König zu Hilfe. Farnese, schon verwundet, schien verloren. Was tat er? Nichts anderes als bei Lagny. Hier ist die Seine breit wie ein Meer, er überschritt sie dennoch auf einer Schiffsbrücke, eines Nachts, in lautloser Stille. Als die Königlichen erwachten und nichts mehr da war von ihrem gefangenen Feind, schrie man vor Zorn. Henri lachte, gab übrigens die vorzügliche Mache zu. Sein entkommener Gegner hinterließ ein Wort, darin sich zeigte, daß er den König von Frankreich zuletzt doch anders verstand; und außerdem verriet es den Tod.

      „Dieser König verbraucht mehr Stiefel als Pantoffeln.“

      Später hörte man, daß Farnese in Paris eingetroffen war; er ließ aber dort seinen guten Freunden ebensowenig Zeit wie sonst seinen Feinden. „Ich bin hier fertig“, sollte er nur gesagt haben, als Unterbrechung eines leeren Schweigens. In der Tat hatte er mehreres ganz Erstaunliche vollbracht, unbeirrt vom wechselnden Kriegsglück. Ein Künstler, dem sein Werk noch einmal geraten, ließ er zurück, was er nicht brauchen konnte, dies Land, dies Volk, und führte, unter Trommel- und Trompetenschall, seinen gealterten Ruhm ins Weite.

      Henri, wir sind mitnichten „hier fertig“. Eher müßten wir unsterblich sein: so endlos haben wir zu kämpfen um unseren Teil. Unser Teil sind die Menschen.

      IIWECHSELFÄLLE DER LIEBE

      Zeig sie mir!

      Der König jagte in den Wäldern von Compiègne; an diesem Tage verfolgte er einen Hirsch bis nahe der Provinz Picardie. Dort verloren sie die Spur, der König und sein Großstallmeister Herzog von Bellegarde. Die Jagdgesellschaft war ihnen längst aus den Augen, die beiden Gefährten rasteten auf einer Lichtung. Der König nahm als Sitz einen gestürzten Baumstamm. Durch das Laub, das der Herbst schon lockerte, fielen Sonnenstrahlen, sie vergoldeten es, und verstreutes Licht umgab die beiden Gestalten, einen Vierzigund einen Dreißigjährigen.

      „Wer doch etwas zu essen hätte!“ sagte der König. Zu seinem Erstaunen brachte der Großstallmeister augenblicklich, was man sich nur wünschte, legte alles auf den Baumstamm, und sie stillten Hunger und Durst. Während der Mahlzeit überlegte der König. Da Bellegarde in seiner Satteltasche die Vorräte mitgeführt hatte, mußte seine Absicht gewesen sein, die Jagd zu verlassen und zu verschwinden — wohin?

      „Wohin wolltest du, Feuillemorte?“ fragte der König geradeheraus und erwartete mit listigem Gesicht die Antwort, die ausblieb.

      „Du siehst hier noch gelber aus als sonst, Feuillemorte: das macht all das welke Laub. Sonst bist du ein schöner Mann und nur dreißig Jahre. Wer das noch wäre! Damals machten sie es mir meistens nicht schwer, und immer waren sie da. Blick doch scharf zwischen die beiden Eichen! Scheint es dir nicht, als wollte aus dem dunklen Raum eine hervortreten und wagt es nicht? Damals kamen sie gleich.“

      „Sire!“ sagte da Bellegarde. „Wollen Sie meine Geliebte sehen?“

      „Wo denn? Welche denn?“

      „Sie ist sehr schön. Das Schloß steht nicht weit von hier.“

      „Wie heißt es?“ — „Coeuvres.“ Schnell gefragt, pünktlich geantwortet, und der König wußte sogleich Bescheid. „Coeuvres. Dann ist sie eine d’Estrées.“

      „Gabriele“, sagte der junge Mann, und in dem Namen schwang sein Herz mit. „Sie heißt Gabriele, sie ist reizend. Sie ist zwanzig, ihr Haar ist reines Gold, heller als hier das Licht auf den Blättern glänzt. Ihre Augen haben die Farbe des Himmels, und manchmal glaube ich, daß nur von ihnen der Tag schön ist. Ihre Wimpern sind braun, ihre schwarzen Brauen beschreiben zwei schmale, edel geschwungene Bogen.“

      „Sie wird sie ausrasieren“, warf der König ein, worauf der Liebende erschrak und schwieg. Der Gedanke war ihm noch niemals eingefallen.

      „Zeig sie mir! Heute seid ihr verabredet. Aber das nächste Mal nimmst du mich mit.“

      „Sire! Gleich jetzt.“ Bellegarde sprang auf, er konnte es nicht erwarten, dem König seine schöne Geliebte zu zeigen. Auf dem Wege sprachen sie von der Familie; der König erinnerte sich:

      „Der Vater deiner Schönen heißt Antoine und wäre Gouverneur von La Fère, hätte nur die Liga ihn nicht davongejagt. Ah! Die Mutter. Sie ist doch durchgegangen?“

      „Mit dem Marquis d’Alègre, schon vor Jahren. Vorher soll sie versucht haben, ihre Tochter zu verkaufen. Was beweist das? Sire! Sie haben den Hof Ihres Vorgängers selbst gekannt.“

      „Er ließ an Reinheit der Sitten manches zu wünschen. Aber Ihre Gabriele war zu jung, um verkauft zu werden.“

      „Sechzehn, und damals noch dürftig von Wuchs. Dennoch bemerkte ich sie gleich. Aber glücklicherweise habe ich sie erst bekommen, als sie schon ausgereift war.“

      „Ah! Ihre Schwester.“ Der König wollte sich weiter entsinnen. „Wie heißt sie?“

      „Es sind sechs Schwestern. Aber Eure Majestät meinen die ältere, Diana. Sie hatte zuerst den Herzog von Epernon.“

      Der König hätte fast gesagt: Und alle sechs mit der Alten müssen ein Regiment gehabt haben. Er rief sich auch ins Gedächtnis, daß sie zusammen die sieben Todsünden gonannt wurden. Er äußerte statt dessen:

      „Eine

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