Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann страница 22
„Sprich, oder mach, daß du fortkommst.“ Das Fräulein war selbst schon wieder im Gehen. Noch rechtzeitig bemerkte sie, wie lebhaft und geistreich der Mann blickte. War das ein Bauer? Wo sah ich diese Augen schon? Allerdings, sie hätten dir beim erstenmal mehr auffallen müssen.
„Sire!“ rief sie, erschrak, und sagte gedämpft: „Wie sind Sie häßlich!“
„Ich hatte mich angesagt.“
„In dieser Gestalt! Verdien ich nicht, daß Sie in Samt und Seide, mit Gefolge kommen?“
Henri lachte in seinen grauen, bestaubten Bart. ,Ah! ich war ihr zu alt. Dieser Bauer ist älter, als ein König jemals sein kann. Soweit hab ich schon gewonnen. Nicht viel fehlt, und wenn ich in großem Aufzug einträfe, sie fände mich schöner als Feuillemorte.‘
Gabriele sah sich unruhig nach dem Hause um; die Fenster waren bis jetzt leer. „Kommen Sie! Ich zeig Ihnen den Karpfenteich.“
Sie lief, und er nahm große Schritte, bis beide um das Haus waren. Henri lachte in seinen Bart. ,Schon ist sie eitel auf ihren königlichen Bewerber, niemals würde sie ihn den Ihren als verschmutzten Bauer zeigen. Es geht vorwärts.‘
Hinter den Gebäuden begann der Garten bald sich zu senken, es war gut, um nicht beobachtet zu werden. Zum Teich hinunter stieg in einer Wildnis, von Laub und mit gelben Blättern bedeckt, eine breite Treppe. Plötzlich macht Henri zwei, drei Sätze und ist am Grunde. Gestrafft, kein kleiner Bauer mehr, steht er und wartet, daß Gabriele schreiten möge wie das erstemal, als sie den Fuß angesetzt und schon sein Herz betreten hatte.
Droben hält sie noch, jetzt läßt sie den Fuß zur ersten Stufe nieder. Eine ihrer Hände liegt an ihrer Perlenschnur, über das Geländer gleitet die andere: genau so war es das erstemal. Ihre langen braunen Wimpern sind gesenkt. Sie schreitet. Dies Wunder von Gehaltenheit, Gelöstheit, Spannung, Größe, es vollzieht sich wieder. Sein Herz klopft, die Tränen schießen in seine Augen. Ewig wird dies sein, so fühlt er. Bei ihrer Ankunft verschleiern ihre Wimpern sie noch. Als aber die blauen Blicke geöffnet werden, haben sie ihre ganze bezaubernde Unbestimmtheit. Niemand könnte sagen, ob sie weiß, was sie tut.
Henri fragte danach nicht. Er sah dies Haar und dies Gesicht. Von dem gesiebten Licht eines Wolkenhimmels erhielt ihr goldenes Haar einen Glanz, gelassen wie die Gnade. Ihre Haut hatte davon ein gedecktes Weiß, das ihm zauberisch erschien: er schüttelte den Kopf.
„Sire! Eure Majestät ist mit Ihrer Dienerin unzufrieden“, sagte Gabriele d’Estrées mit überaus feiner Bescheidenheit — bog ein wenig das Knie vor dem König, aber nicht zu tief. Henri griff schnell zu, um sie aufzurichten. Er umfaßte ihren Arm. Zum erstenmal fühlte er ihre Haut.
Henri fühlte ihre Haut und erinnerte sich zweier Empfindungen, die er ihr nie hätte gestehen dürfen. Die erste: ein Geländer aus zartem altem Marmor, den die Sonne erwärmte, dort unten in seinem südlichen Nérac. Er strich darüber und fühlte sich zu Hause. Die zweite: ein Pferd von ehemals, auch aus der Jugendzeit. Er streichelte das bebende lebende Fell, war Gebieter und war Bewunderer.
„Sire! Was tun Sie. Sie machen mich schmutzig.“
Er nahm die Hand fort, sie hinterließ einen schwarzen Fleck. Henri fing an, ihn mit seinen Lippen zu entfernen. Das wollte sie nicht erlauben, sie hatte ihr Spitzentuch; aber da es sein Gesicht berührte, wurde es berußt wie der Arm. „Auch das noch“, sagte sie mit ungnädigem Lachen, er indessen hatte einen Augenblick der Entrückung und der Liebe ohne Grenzen oder Ende. Ihre Haut unter seinen Lippen: ,Gabriele d’Estrées, deine Haut, die ich küsse, hat den Geschmack der Blumen, der Farnkräuter in meinem heimischen Gebirg. So schmecken Sonne und ewiges Meer — heiß und bitter, ich liebe die Schöpfung in Mühsal und Schweiß. In dir ist alles, Gott verzeihe mir, auch Er.‘
Hier bemerkte er ihr ungnädiges Lächeln und lachte mit, sehr sanft und leise, womit er sie gewann und gnädig stimmte. Sie lachten grundlos weiter wie zwei Kinder, bis Gabriele ihm die Hand auf den Mund legte. Dabei sah sie sich um, eine der unvergeßlichen Wendungen ihres Halses, — als hätten sie beide in dieser Wildnis bemerkt werden können. Sie wollte aber nur die Heimlichkeit ihres Zusammenseins zu erkennen geben, wie er wohl verstand. Da fragte er sie im Vertrauen nach ihrer Tante de Sourdis, und was diese vorziehe, Schmuck, Seide, Geld.
„Zweifellos eine Stellung für Herrn de Cheverny“, erklärte Gabriele unbefangen. „Und eine für Herrn de Sourdis“, fiel ihr noch ein. Dann zögerte sie kurz, setzte aber ruhig hinzu: „Ich selbst brauche einen Platz für Herrn d’Estrées, denn mein Vater ist furchtbar schlechter Laune. Von Schmuck, Seide und Geld weiß ich nicht, welches mir lieber ist.“
Henri versicherte, daß er das nächste Mal mit allem versehen sein werde. Damit er aber die drei genannten Herren zu Gouverneuren ernennen könnte, wäre unerläßlich, daß er vorher mehrere Eroberungen machte, Städte, Land — und ein gewisses Schlafzimmer. Er bezeichnete seine Lage.
„Die Treppe führt im Innern eines durchbrochenen Türmchens hinauf zu dem Seitenflügel... Dort schlief ich mit ihr“, schloß er plötzlich, und das war nichts anderes als die Stimme seines Großstallmeisters. Gabriele erkannte sie und biß sich in die Lippen. Die kleinen, schimmernden Zähne versanken darin. Henri sah ungläubig zu, alles an Gabriele war schön wie der Tag, ein ewiger erster Tag. Ihre Nase bog sich erst seit heute mit dieser Anmut, welche Wimpern wären jemals so lang und goldbraun gewesen. Die gleichen, hoch und schmalen Bogen der beiden Brauen! Keine Ahnung mehr, sie könnten ausrasiert sein.
Gabriele d’Estrées entließ ihn rückwärts über die Felder, damit er niemandem vom Schloß begegnete. Da er nun wieder als Bauer zwischen den Feinden durchschlüpfte, gedachte er anstatt der Reize von Coeuvres nur der guten Gelegenheit, Rouen einzunehmen. Die Liga hatte dieser schönen Stadt einen Befehlshaber gegeben — ach, ihm war schon vor Zeiten in der Bartholomäusnacht der Verstand abhanden gekommen, und jetzt stritt er sich mit den Einwohnern, anstatt die Befestigungen auszubessern und für Lebensmittel zu sorgen. Der König hätte wahrhaftig seine ganze Kraft an die Eroberung von Rouen wenden müssen, war dessen auch gesonnen und hatte es verkündet. Als er dennoch etwas anderes beschloß, suchte man, woher es käme, und fand unschwer die Sippe der d’Estrées und de Sourdis mitsamt ihrem Glanzpunkt und Lockvogel. Ritt doch der König offen und unter starker Bedeckung nach Coeuvres.
Gleich das erstemal erwarteten ihn alle vollzählig, denn sie waren unterrichtet: Madame de Sourdis in einem starrenden Reifrock, die Herren d’Estrées, de Sourdis, de Cheverny und sechs Töchter, von denen nur Diana und Gabriele zugegen blieben. Die Kleineren wußten schon, daß ernste Geschäfte zur Verhandlung standen, weshalb sie sich ausgelassen davonmachten.
Madame de Sourdis empfing mit strenger Miene den Beutel, den der König unter seinem roten Mäntelchen hervorzog. Es war ein ledernes Säckchen, sie entleerte es in ihre Hand; erst dabei erhellte sich ihre Miene, da Edelsteine hinlänglicher Größe herausfielen. Sie nahm diese als ein königliches Versprechen, daß noch größere folgen würden — zur gegebenen Zeit, wie sie vertrauensvoll äußerte. Während dieses einleitenden Handels stand die Dame allein vor dem König inmitten des weiten Saales, der aus dem Erdgeschoß zum Garten führte; und von den Wänden blickten hernieder die Büsten mehrerer Marschälle dieser Familie sowie die Waffen, die sie getragen, und die Fahnen, die sie selbst erobert hatten, alles feierlich angeordnet.
Der König denkt: ,Wie wird das werden. Schon diese paar Saphire und Goldtopase hat mein Rosny mir nur ungern geliehen aus seinem Bestand. Dies ist eine fürchterliche Frau, man kann den Blick nicht von ihr wenden. So klein und dürr sollen die Giftmischerinnen sein. Vogelgesicht — und weiß, ein solches