Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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      Er erklärte im Ton der Verachtung: „Mein besiegter Feind Mayenne bläst groß von sich und läßt Boten reiten wegen Berufung einer Ständeversammlung, damit das Königreich sich entscheidet zwischen mir und Philipp von Spanien. Verlorene Schlachten genügen ihnen nicht.“

      „Das Königreich“, so belehrte sie den Bruder, „es kann auch den Grafen von Soissons wählen, ein Bourbon wie du, aber schon katholisch.“

      „Dann schwör ich noch vorher ab, Gott helfe mir!“

      „Bruder!“ sagte sie voll Schrecken — ihre tiefe Bewegung scheuchte die Arme von der Bank auf, und ungleichen Schrittes, man sah jetzt das Gebrechen, hastete sie die niedrige Wand der Meierei entlang. Ein Pfirsich hing vom Spalier, den pflückte sie und brachte ihn ihrem Bruder. Er küßte die Hand, aus der er ihn nahm.

      „Trotz allem“, sagte er. „Wir bleiben, die wir sind.“

      „Du gewiß.“ Die Schwester bekam die strenge, aber abwesende Art, aus Damenhaftigkeit abwesend, wie sie von seinen Liebschaften schon immer gesprochen hatte, und auch ihren eigenen unerlaubten Wandel behandelte sie so. „Du hast wieder einmal eine, die dich zu allem bringt. Nicht wegen der Ständeversammlung wirst du unsere Religion abschwören“, behauptete sie, obwohl es zu den erwähnten Tatsachen wenig paßte. „Nein. Aber das Fräulein d’Estrées hebt nur den Finger, schon verrätst du unsere liebe Mutter samt dem Herrn Admiral, und uns, die wir es noch sehen können.“

      „Gabriele ist selbst protestantisch“, erwiderte er, der größeren Einfachheit wegen, denn jedenfalls verkehrte sie mit den Pastoren.

      Kathrin verzog den Mund. „Eine Intrigantin, wie viele Feinde macht sie dir! Gewiß hat sie verlangt, daß du mich verhaftest, und auf ihren Befehl mußte ich hierher reisen.“ Sie betrachtete entrüstet den schmutzigen Hof und das Federvieh. Er widersprach heftig:

      „Kein Wort derart ist von ihren Lippen gekommen. Sie ist vernünftig und mir in allem ergeben. Du selbst hast mir allerdings in höchst strafwürdiger Weise schaden wollen, und dein Geliebter hat ohne Erlaubnis die Armee verlassen, “

      Sie aber wurde von seiner Entladung ruhiger: es war merkwürdig. Er hätte abgebrochen. „Weiter!“ verlangte sie.

      „Was denn noch mehr, deine Verheiratung würde mich in Lebensgefahr bringen, ist das genug? Bekommt ihr Kinder, dann wird die Menge der Mörder, die mir nachstellen, kein Ende mehr nehmen, das sagen mir alle. Und ist doch das Messer mein Schrecken. Gott gewähre mir den Tod in der Schlacht.“

      „Mein lieber Bruder!“

      Sie trat vor, sie öffnete die Arme, damit er sich an sie lehnte, was er auch tat, die Stirn an ihrer Schulter. Sie behielt trockene Augen, die Prinzessin von Bourbon weinte weniger leicht als ihr königlicher Bruder; hatte auch nicht seine Phantasie, und die Lebensgefahr, die ihm von ihrer Heirat drohen sollte, erschien ihr als eine Erfindung ihrer Feinde. Um so unvergänglicher senkten sich in ihr Herz der Gram dieser Stunde; er, mit seinem feuchten Blick, nahm ihn nicht wahr auf ihrem gealterten Gesicht.

      Nach diesem erinnerte sie ihn nur noch an einen alten Vorfall. Der hatte sich ereignet vor dem Ende seiner Gefangenschaft in Schloß Louvre, und eigentlich war er die Wendung vor der Flucht gewesen. Damals betraf er seine Schwester Catherine in einem leeren Saal mit seinem Doppelgänger, gleiches Gesicht, gleiche Gestalt, aber beides wurde erst wahr und wirklich dadurch, daß der Mann genau das gleiche Kleid trug wie Henri, und seine Schwester stützte sich auf ihn in derselben Art, wie auf Henri von je.

      „Ich hatte ihn herausstaffiert, damit er dir ähnlicher sähe als von Natur.“ Dies sagte die Gealterte hier auf dem Meierhof. „Iß den Pfirsich. Ich sehe dir an, wie gerne du ihn äßest.“ Das tat er, in Nachdenken versunken über die Zusammenhänge unterhalb des Dahinlebens.

      Warf den Kern fort. Sprach versunken: „Wie hätte ich denn sonst alle, die uns trennen wollen, mit dem Tode bedroht. Nicht meine Gewohnheit, die Bedrohungen mit dem Tode — und um des Thrones willen täte ich es nicht, nur deinetwegen.“

      Beide vollführten hier denselben, geschwisterlichen Abschluß eines Gespräches, das ans Ziel gelangt war, obwohl es viele Zweifel ungelöst gelassen hatte. Sie wendeten ungewollt die Hand um, das Innere nach oben; bemerkten es, lächelten einander zu, und der Bruder brachte die Schwester über die Felder zurück.

      Geheim, als hätte es auf der Landstraße erhorcht werdenkönnen, flüsterte Henri ins Ohr von Catherine: „Glaub nichts, Kathrin, was ich demnächst tu und sage.“

      „Sie — wird nicht Königin?“

      Diese dringende Frage, um derentwillen sie hergereist war den weiten Weg, beantwortete er ungenau, aber in einem Ton, daß dennoch kein Mißverständnis aufkam.

      „Du bist die erste.“

      Die Prinzessin befahl ihren Leuten, mit der Kutsche zu drehen. Der König schwieg, und man gehorchte, trotz allgemeinem Befremden. Darum so weit hergereist. Die Prinzessin stieg ein mit ihren Damen und mit ihrer Mohrin Melanie, der König rief dem Kutscher zu, er solle fahren, was Zeug hält. Er selbst sprengte zur Seite des Wagenschlags, neigte sich auch, griff hinein und hielt eine Weile die Hand der Prinzessin. Ein Wald kam, die Straße wurde enger, der König mußte zurückbleiben. Da stand er, sah der Kutsche nach, bis sie ganz klein war, und machte erst kehrt, als die Staubwolke sie eingeschlossen hatte.

      Agrippa, noch einmal

      Vielerlei auf einmal, man hätte leicht den Kopf verloren. Die Ständeversammlung in Paris, ein lieblicher Mischmasch von verrückten Sektierern und der unsinnigen Frechheit einer Weltmacht in vollem Niedergang, die bis zuletzt noch Königreiche schlucken will. Den Possen spielen die Herren vor Zuschauern, die lauter verhungertes Volk sind, und wohler wäre ihnen, ihr echter König verteilte unter sie das Brot des Landes, wie gern arbeiteten sie dafür! „Das meiste, wozu wir berufen sind, ist Farce.“ So spricht der alte Freund des Königs von Frankreich, jetzt hoch berühmt, Montaigne genannt; derselbe, der auch spricht: „Was weiß ich.“ Unvergeßlich war aber dem König sein Wort: „Ich bin kein Zweifler.“ Nein, gewisse Seiten der äußeren Welt machen uns die Unentschiedenheit verhaßt und zerbrechen unsere Milde. Wir müßten sie hart belagern und sehr blutig bezwingen, was die äußere Welt meistens zu verzeihen geneigt ist, wenigstens für einige Zeit. Oder wir tun, um der Staatsvernunft willen, uns selbst Gewalt an, treten über und schwören ab. Gott weiß, was danach kommt. Aber Er scheint es zu befehlen, und bleibt kein Ausweg, bald auch kein Rand am Abgrund und Anlauf mehr für den großen Todessprung.

      Beeile dich daher! Was tat hier Henri? Er zog seinen d’Aubigné an sich, seinen gepanzerten Feldprediger, sein tapferes Gewissen, immer die Psalmen im Mund und den Kopf erhoben und das überlegene Lächeln des Frommen. Der kleine Mann äußerte: „Ich stehe hoch in Gunst und kann mich vor Geschäften nicht retten“, aber hinter seinem kühnen Gesicht war ihm schmerzlich bekannt, dies sei das letztemal. Das letztemal, Agrippa, daß dein König von Navarra dich kennt. Nachher sein Todessprung hinüber, und diesseits bleiben seine alten Freunde, die aus den Schlachten, die aus der Armut, die von der Religion.

      Nach seiner einfachen Art benutzte Agrippa den Vorteil, daß er zu dem König sprechen durfte; sagte alles gleich heraus, begann auch wie gewohnt, daß er kein Geld habe. Und habe doch nachweislich fünf- oder sechsmal dem König das Leben gerettet. „Sire! Ihre Finanzen verwaltet ein übler Abenteurer, und gerade dieser d’O bearbeitet Sie, damit Sie katholisch werden. Sagen Sie selbst, was dabei herauskommen kann!“

      Agrippa

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