Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann страница 28
Agrippa: „Der Papst, ich seh es wohl, bekommt einen schlechten Sohn. Uns aber verlassen Sie, und machen sich verhaßt bei Leuten, deren Mut und Treue Ihnen sicher war.“
Henri: „Kommt allein darauf an, wie vernünftig einer ist. Mein Rosny rät mir zu.“
Agrippa: „Der hat aber auch fayenceblaue Augen und eine Haut, die aussieht wie gemalt. Dem geht es nicht nahe, daß Sie in die Hölle steigen.“
Henri: „Und mein Mornay! Mornay oder die Tugend. Wir haben disputiert. Sind alle beide gegen das Fegefeuer. An dem Widerspruch halt ich fest gegen alle Pfaffen, verlaß dich. Aber das wirkliche Blut des Herrn, das trinken wir beim Abendmahl, und hab es damit immer gehalten.“
Agrippa: „Disputieren ist gut und der Seele dienlich, solange sie die Wahrheit noch kennen will. Der ehrliche Mornay glaubt an Sie. Ihn können Sie leicht täuschen und ihm ein großes Konzil versprechen — Theologen beider Bekenntnisse, versammelt zur Erforschung des echten Glaubens. Wenn aber der echte nicht der nützliche ist, welchen Zweck hat das große Konzil?“
Henri: „Ich sag, es hat Zweck. Denn schon mehrere Pastoren haben zugestanden, daß in der einen so gut wie in der anderen Konfession die Seele gerettet werden kann.“
Agrippa: „Wenn das Fleisch solcher Pastoren schwach ist, sie haben auch keinen willigen Geist.“
Henri: „Mein Seelenheil ist mir wahrhaftig teuer.“
Agrippa: „Herr, das glaub ich wohl. Jetzt bitte und beschwör ich Sie, daß Sie die Ihren nach Verdienst erkennen. Wir sind nicht alle kalt und erzverständig wie Rosny. Wir haben nicht alle die Unschuld Ihres Diplomaten Mornay. Aber einer Ihrer besten Kriegsmänner, Turenne, hat gefragt, warum man Sie nicht sollte verraten dürfen: fingen Sie doch selbst damit an.“
Jetzt läßt der König wieder den Kopf sinken, so sieht Agrippa.
Henri: „Verrat. Ein Wort.“
Er denkt an sein Gespräch mit der Schwester. Die Nächsten verraten einander, werden dessen nachträglich inne und bemerken, daß sie, um nicht zu verraten, niemals hätten leben dürfen. Da hört er den Namen des Pastors Damours.
Agrippa: „Gabriel Damours. Bei Arques, als Sie verloren waren, stimmte er den Psalm an, da waren Sie gerettet. Bei Ivry sprach er das Gebet: Sie siegten. Eine Zeit ist angebrochen, da er von der Kanzel gegen Sie wettert. Sonst züngelte giftiges Gewürm nach Ihnen und blieb ohnmächtig. Diese rauhe Stimme ist die Wahrheit, wird aber dem Schuldigen zum Gift. Die Gemeinde der Frommen sieht von ihm weg.“
Es ist wahr: der Pastor hat dem König geschrieben: „Wollten Sie auf einen Gabriel Damours hören, anstatt auf eine Gabriele!“
Henri: „Welches ist meine größte Schuld?“
Aber hierüber schweigt Agrippa — aus Keuschheit, oder weil sein Hochmut soweit nicht geht, das letzte Urteil zu sprechen. ,Die große Hure von Babylon‘, denkt er, wie auch Pastor Damours bei sich selbst gesprochen hat, wenngleich nicht vor der Gemeinde, des Ärgernisses wegen. ,Wohin wird die d’Estrées dich noch bringen, Sire, Sie betrügt dich, was du allerdings wissen könntest. Aber ihr Vater stiehlt, und das hat dir noch gefehlt.‘
Agrippa: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Gut war die Zeit der Verfolgung. Ehrenhaft war das Exil. Die einsame Provinz im Süden, noch fern vom Thron, und wenn Sie für ein Ringelspiel kein Geld hatten, trugen Sie mir eine fromme Betrachtung auf, die unterhielt Ihren Hof kostenlos. Der Stern über unserer Hütte war indessen die Prinzessin, Ihre Schwester.“
Henri: „Ich habe dich immer mit ihr im Verdacht gehabt.“
Agrippa: „Sie setzte meine Verse in Musik, sie sang sie. Meinen vergeblichen Worten lieh sie den Klang, schlichte Frühlingsblumen band sie mit Gold und Seide.“
Henri: „Mein Agrippa! Wir lieben sie.“
Agrippa: „Wenn mir auch die Stimme versagt, gestehen will ich’s doch, ich habe sie wiedergesehen. So heimlich und schnell Sie die Prinzessin zurückschickten auf die lange Reise, ich hatte gewartet hinter der Waldecke.“
Henri: „Verschweig nichts, was sagte sie?“
Agrippa: „Sie sagte, im Hause Navarra herrsche das Salische Gesetz und gebe alles dem männlichen Erben — nur die Standhaftigkeit nicht.“
Zuerst fielen dem König die Arme herab vom Schrecken über dieses Wort seiner Schwester. Hierauf verschlang er die Hände inständig und murmelte: „Bitt Gott für mich!“
Ein geheimnisvoller Gatte
Das tat Agrippa, und noch mehrere beteten zu dieser Zeit, jeder in seinem Herzen, für den König, da er ihnen von Gefahren bedrängt erschien: besonders an der Seele, aber leiblich auch. Rettung trat wirklich ein; wenigstens ein Anerbieten der Rettung widerfuhr dem König. Herr d’Estrées verheiratete seine Tochter.
Ihr voriges Abenteuer in Coeuvres, mit dem König im Bett und dem Großstallmeister darunter, war ihm mehr oder weniger zu Ohren gekommen. Bellegarde konnte nicht schweigen. Überdies rächte der Eifersüchtige seine Erniedrigung, er verliebte sich in Fräulein von Guise aus dem Hause Lothringen; aber dies Haus strebt noch immer nach dem Thron, der Herzog von Mayenne liegt wie je im Krieg mit dem König. Daher verschwand Feuillemorte aus dem Bilde — wurde nicht gesehen weder vor Rouen in den Laufgräben noch bei den vielen Ritten des Königs durch das Land in militärischen Geschäften. Vater d’Estrées benutzte die Abwesenheit beider, um Gabriele mit Herrn de Liancourt zu verheiraten — ein Mann von unbedeutenden Körperverhältnissen, den er sich selbst ausgesucht hatte. Geist oder Charakter fanden sich ebensowenig bei ihm vor, aber er hatte vier Kinder gezeugt, und zwei davon lebten. Dies hielt der Vater Gabrieles ihr besonders vor Augen: wohin die Liebschaften geführt hätten, und daß sie bei ihrem künftigen Gatten sicher wäre, Mutter zu werden. Es war die vornehmste Sorge des Herrn d’Estrées. Gelegen kam ferner, daß der Auserwählte ein sechsunddreißigjähriger begüterter Witwer war, sein Schloß lag nahe, sein Adel genügte.
Gabriele, den Tod im Herzen, leistete einigen hochfahrenden Widerstand, nur fehlte ihm von Anfang an die rechte Überzeugung. Von ihrem schönen Verführer fühlte sie sich aufgegeben, erwartete auch nicht die Hilfe ihres hohen Herrn, sonst hätte sie ihn herbeigerufen. Sie war noch froh, daß beide, hoher Herr und Herzensfreund, sich ärgern sollten. Mehr Umstände machte Herrn d’Estrées sein Schwiegersohn, der, schüchtern von Natur, nur mit Schrecken daran dachte, dem König eine noch ganz neue Eroberung streitig zu machen. Dies abgerechnet, wäre Fräulein d’Estrées ihm auf alle Fälle zu schön gewesen. Er begehrte sie zu heftig; was zusammen mit seiner Schüchternheit auf Enttäuschungen hinauslaufen mußte. Er kannte sich, obwohl andererseits gerade die schwache Ansicht, die er von sich hatte, ihm ein Gefühl der geistigen Überlegenheit eingab. So war Herr de Liancourt beschaffen, weshalb er sich beim Herannahen seines Ehrentages niederlegte und den Kranken spielte. Der Gouverneur von Noyon mußte mit Soldaten seinen Schwiegersohn zur Trauung abholen. Niemandem war wohl bei diesen Angelegenheiten, bis auf den Biedermann d’Estrées, der sich recht im reinen fühlte: das fehlte ihm sonst. Die Tante, Madame de Sourdis, hätte den großen Aufschwung der Familie verloren geben und beweinen müssen. Indessen kannte sie die Wechselfälle des Glückes.
Als sie, drei Tage nach der Hochzeit, eigens die Reise von Chartres her machte und auf Schloß Liancourt vorsprach, was erfuhr Dame