Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann страница 31
„Denkt selbst an Eure Sicherheit“, mußte Henri sagen, und da es beschämend war, sprach er es stürmisch. „Ich wünsche Frieden allen meinen Untertanen, und mir selbst die Ruhe der Seele.“
Der Pastor wiederholte: „Die Ruhe der Seele.“ Langsam, eindringlich: „So redet die Welt nicht: das sind wir. Sire! Nach Ihrem Übertritt werden Sie nicht mehr leichten Herzens und einfach, nicht einfach und furchtlos werden Sie dastehen vor dem Volk, das Sie geliebt hat, und darum liebte Sie auch der Herr. Sie waren gütig, weil Sie nichts verschuldet, und lustig, solange Sie nicht verraten hatten. Nachher — Sire! Nachher sind Sie keine Hoffnung mehr.“
Wahr oder falsch, und wahrscheinlich beides: gesprochen war es mit der Schwere der geistlichen Verantwortung, darum ließ dies Wort den König erbleichen. Dem alten Beschützer seiner Jugend widerstrebte der Anblick, er flüsterte schnell: „Aber Sie können nicht anders.“
Er wollte aufstehen, um zu zeigen, daß nicht mehr die Religion das Wort führe: nur ein demütiger Mensch. Der König hieß ihn sitzenbleiben; er selbst durchmaß das Zimmer mit großen Schritten. „Weiter!“ verlangte er, dachte es mehr, als er es aussprach: „Hab ich denn andere Fehler und Tugenden bekommen?“
„Es sind noch dieselben“, sagte La Faye, „nehmen aber einen anderen Sinn an, wenn die Jahre kommen.“
Der König: „Und darf ich nicht mehr glücklich sein?“
Der Pastor, mit Wiegen des Kopfes: „Sie nennen sich wohl glücklich. Von Gott aber kam Ihnen vorzeiten ein reueloses Glück. Demnächst werden Sie manch Unrecht erleiden und einiges noch schwerere sollen Sie selbst begehen — um Ihrer lieben Herrin willen.“
„Meine liebe Herrin“, wiederholte Henri, denn so nannte er sie wirklich. „Was wollte sie mir wohl zufügen.“
„Sire! Sehen Sie allem entgegen, da es doch kommen soll. Geh in Frieden!“
Was hieß das? Der König verlor die Geduld bei den Ausfällen und den Rätseln des Alten; verließ das Zimmer und betrat die Straße seiner Stadt Noyon: da wälzte sich Volk, ein dichter Haufen. Erst beim Erscheinen des Königs lichtete er sich, und aus seinem Innern entließ das Gewühl keinen anderen als Herrn d’Estrées, Gouverneur der Stadt, aber seit dem großen Aufstieg seiner Tochter auch Gouverneur der Provinz. Nur schwer gelangte er hervor, noch mehrere Hände griffen nach ihm.
„Herr Gouverneur, wer erlaubt sich, Sie anzurühren?“ fragte der König stark, und da seine Wache vorging, begann das Volk zu flüchten. Herrn d’Estrées waren die Kleider aufgerissen, sonderbare Sachen hingen heraus: Kindermützchen, ganz kleine Schuhe, eine Uhr aus Blech, ein hölzerner Apfelschimmel, glänzend lackiert.
„Ich habe ihn gekauft“, sagte Herr d’Estrées.
„Mein Mützchen hat er nicht gekauft“, behauptete eine Ladenbesitzerin. Ein Handwerker schloß sich an. „Meine Säuglingsschuhe auch nicht.“ Ein anderer bat freundlich, aber nicht ohne Spott, ihm seine Spielsachen gefälligst zu bezahlen. Der König betrachtete in peinlicher Erwartung seinen Gouverneur, der unverständlich kollerte, aber besonders seine rot überlaufene Glatze verriet ihn. Sein Hut lag zertreten am Boden, unversehens zog ein gut gekleideter Bürger etwas daraus hervor — sieh da, ein Ring: keine Nachahmung, ein echter Stein. „Aus dem Kasten, den Herr d’Estrées sich von mir vorlegen ließ“, erklärte der Kaufmann.
„Nichts fehlt von den Sachen“, sagte der König. „Ich hatte mit dem Herrn Gouverneur gewettet, daß er sie so still und heimlich nicht würde kaufen können. Hab verloren und bezahl euch.“
Sprach es und ging mit großen Schritten ab.
Der Diener des Königs
Hiernach verließ er schnell und ohne Abschied die Stadt: d’Armagnac hielt immer die Reisesäcke fertig, die Pferde waren gesattelt. Henri dachte zwischen sich und die Familie d’Estrées einigen Abstand zu bringen, Krieg zu führen und unbeschwert, zu reiten. Aus Sehnsucht indessen nach Gabriele, und auch weil er sich ihrer zu schämen hatte, setzte er in den Laufgräben vor Rouen sein Leben aus. Die Königin von England verübelte es ihm empfindlich, wie er durch Briefe seines Gesandten Mornay erfuhr. Mehrere katholische Edelleute warnten ihn inzwischen, daß sie nicht länger zusehen könnten, bis er sich bekehrte. Mayenne gab ihnen eine letzte Frist, um zu der Mehrheit überzugehen. Sie hatten noch die genaue Zeit, bis die Ständeversammlung zusammentrat. Es stand aber fest: nur einen katholischen König wählte diese. Inmitten aller seiner Bedrängnisse sieht Henri eine Sänfte die Straße von Dieppe herniederschaukeln. Er weiß sogleich, wen sie ihm bringt, sein Herz schnellt hoch, aber es ist nicht Freude und heftiges Verlangen, wie das erstemal, daß die Sänfte ankam in Tal Josaphat. Dazwischen liegt viel.
Er ging in sein Haus und erwartete sie dort. Gabriele, still und allein, betrat das Zimmer. „Sire! Sie demütigen mich“, sagte sie — ohne Klage oder Vorwurf, in all ihrer gelassenen Schönheit, und diese quälte ihn wie etwas Verlorenes. An dem Vollkommenen entdeckte er Züge, die darüber noch hinausgingen: dies, während beide schwiegen, aus Furcht vor dem Gespräch, das sie führen sollten. Ein Anflug von Doppelkinn, sah Henri. Eine geringe Falte, sichtbar nur in einem gewissen Licht, aber wie über alle Maßen herrlich! „Ich bin bereit, Madame, Sie zufriedenzustellen“, hörte er sich sagen, so förmlich wie zu einer Fremden. Sie behielt dennoch ihre würdige Vertraulichkeit.
„Wie konnten Sie die Sache nur so falsch anfassen“, sagte sie mit Kopfschütteln. „Sie mußten meinen Vater und mich selbst in Schutz nehmen gegen die Leute von Noyon, die uns nicht mehr achten wollen.“
„Man kann es von ihnen nicht verlangen“, sagte er hart — winkte aber gleichzeitig nach einem Sessel, in den sie sich setzen sollte. Sie tat es und betrachtete ihn um so strenger. „Sie selbst haben alle Schuld. Warum bestraften Sie nicht auf der Stelle das dreiste Volk, das Herrn d’Estrées hei Ihnen verklagte.“
„Weil sie recht hatten. Die Einkäufe hingen meinem Gouverneur aus allen Schlitzen seiner Kleidung. Mir war zumute, als hätte ich es selbst getan.“
„Wie kindisch! Es ist eine kleine unbedeutende Schwäche von ihm, in letzter Zeit mag sie zugenommen haben. Wir waren daran gewöhnt; aus bloßer Vergeßlichkeit versäumte ich, Sie vorzubereiten. Wie oft schon war meine Tante de Sourdis zu den Kaufleuten gefahren und hatte den Irrtum aufgeklärt. Übrigens pflegt es sich um wertlose Gegenstände zu handeln.“
„Der Ring ist nicht wertlos“, stellte er fest und betrachtete mit Verblüffung ihre wunderbare Hand, wie sie auf der Lehne ruhte, wie der Stein daran glänzte. Der Ring, sie trug ihn!
„Ich staune“, äußerte er, obwohl eher Bewunderung aus seinem Ton sprach. „Aber, Madame, erklären Sie mir, was mein Gouverneur mit Spielsachen für Kinder macht.“
Sie sah ihn an, und ihr Blick verwandelte sich. Vorher hell und freimütig infolge des Zornes über empfangene Beleidigungen, trübte er sich jetzt von einer Zärtlichkeit. Oh! die hatte sie nicht absichtlich herbeigerufen.
„Gabriele!“ rief Henri halblaut; die schon erhobenen Arme sanken ihm wieder herab. „Wozu das Spielzeug?“ flüsterte er.
„Es liegt nun bereit für das Kind, das ich bekommen soll“, sagte sie — senkte die Stirn, bewegte die geöffneten