Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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sie mehr: der König sollte Herrn d’Estrées zum Großmeister der Artillerie ernennen. Er schulde ihrem Vater eine Genugtuung, darauf beharrte sie. Warum gerade diese? Sie erklärte es nicht. Henri versuchte den Fall leicht zu nehmen. „Was versteht Herr d’Estrées von dem Gebrauch des Pulvers. Den grauen Turm hat er nicht gesprengt.“

      Sondern Baron Rosny hatte ihn gesprengt, als der König die Stadt Dreux belagerte. Rosny, der ein großer Rechner war, beherrschte auch die Kunst der Minen und Geschütze. „Die Mine des Herrn de Rosny“ war vor Dreux ein geläufiger Ausdruck des Spottes für die umständlichen Arbeiten eines ehrgeizigen Pedanten, sechs Tage und sechs Nächte, bis die dicken Mauern des grauen Turmes mit vierhundert Pfund Pulver ungefüllt waren. Das Hoflager mitsamt den Damen versammelte sich bei dieser Sprengung und erging sich in Witzen, als zuerst nur viel Rauch und ein dumpfer Knall kam, dann aber sieben und eine halbe Minute gar nichts. Die gelehrte Anmaßung des Hauptmanns schien bestraft — und dennoch, auf einmal spaltete sich der Turm von oben bis unten, einen Krach ergab es ohnegleichen, und er fiel ein. Niemand hatte es vorher geglaubt, auch die Belagerten nicht. Standen auf dem Turm und verunglückten in Massen. Einige Überlebende bekamen von dem König je einen Taler. Rosny, der Gouverneur hätte werden wollen, sah sich wieder einmal verdrängt, erstens, weil er „von der Religion“ war. Sein Gegner, der dicke Schurke d’O, konnte überdies dem König einen Teil der öffentlichen Gelder versprechen, soviel er selbst davon nicht stahl. Wie wäre er nicht Gouverneur geworden.

      Aber die Großmeisterei der Artillerie, sie wenigstens blieb offen, und Henri war entschlossen, sie seinem verdienten Rosny zu geben. Er wollte ihn damit belohnen, wenn der Brave aus der Stadt und Festung Rouen zurückkehrte, wohin sein König ihn entsendet hatte mit dem Auftrag, den Preis der Übergabe auszuhandeln.

      „Schöne Liebe!“ sagte Henri zu Gabriele d’Estrées. „Geliebte Herrin!“ bat er. „Erlassen Sie mir diesen Wunsch. Wählen Sie für Herrn d’Estrées, was Ihnen sonst in den Sinn kommt, nur die Großmeisterei nicht.“

      „Wie könnte ich Ihnen hierin gehorchen“, antwortete sie. „Ich und mein Vater würden für gering geachtet werden vom ganzen Hof, gäben. Sie uns nicht diese Genugtuung.“

      Ihr gesegneter Zustand erklärte vielleicht ihren Eigensinn. Henri half sich für den Augenblick mit einer unverbindlichen Zusage, und alsbald schickte er nach Rouen einen dringenden Brief an Rosny, damit dieser sich beeilte. Am Geld sollte er das Geschäft nicht scheitern lassen und jedenfalls seinem Herrn das Tor öffnen. Gabriele konnte die ganze Großmeisterei vergessen haben, zog sie erst einmal stolz mit ihrem königlichen Geliebten durch Ehrenpforten in die Hauptstadt des Herzogtumes Normandie.

      Vorerst stand es derart, daß der Gesandte des Königs seinen Brief nur zu nötig hatte. Ja, leicht hätte ohne diesen Brief der König seine Stadt Rouen überhaupt verloren, der Gesandte Rosny aber sein Leben.

      Mit Herrn de Villars, der für Mayenne und die Liga in Rouen befehligte, stritt Rosny schon zwei Tage gewissenhaft über den Preis, focht alle Bedingungen des Gouverneurs an und behauptete, der königliche Schatz könne sie nicht tragen. Dies, während Abgeordnete der Liga und des Königs von Spanien demselben Villars ungezählte Haufen Gold anboten, und zwar unter jeder Bedingung. Rosny in seinem vernünftigen Kopf, der ganz von der Art dieses nördlichen Landes war, kam nicht darüber fort, daß man besser die Türme hätte sprengen und die Stadt zerschießen sollen, anstatt gutes Geld zu verschwenden. Andererseits war Rosny, später Herzog von Sully, überaus auf seine Würde bedacht, er neigte ihretwegen sogar zum Prunk. Persönlich wäre er gewonnen worden, da Herr de Villars ihn im ersten Hotel von seinen eigenen Leuten bedienen ließ, ihm auch seinen Sekretär schickte und ihn in das Haus seiner Geliebten bestellte. Soweit wäre alles gut gewesen. Der Gouverneur indessen, eine gerade Natur, kam alsbald mit allen Forderungen heraus, wie er sie sich ausgedacht hatte; und natürlich waren sie angewachsen in dem Maße, wie die Gegenseite ihm Haufen Goldes versprach. Zuletzt hatte sich eine lange Liste ergehen: Ämter und Würden, Festungen, Abteien, eine Million zweimalhunderttausend zur Bezahlung seiner Schulden, überdies eine Jahresrente, und dann folgten wieder Abteien. Es war nicht mehr im Kopf zu behalten, Herr de Villars als ordentlicher Mann hatte alles aufgeschrieben und las es vor.

      Rosny gab nicht sogleich Antwort, denn er dachte bei sich: ,Schnapphahn elender! Deswegen Ihre gute Bewirtung und der Empfang bei Ihrer Geliebten. Und streiche ich von der Liste einiges, dann verkaufen Sie sich an Spanien. Hätten übrigens recht, wenn nicht unsere Kanonen wären. Ich will Ihnen zeigen, wie man Pulver in Türme praktiziert. Das Ende wird sein, daß Sie hängen.‘

      Hierauf begann er, blauäugig und ohne daß sein glattes Gesicht mehr als nötig ausgedrückt hätte, mit seinen vernünftigen Gegenvorschlägen; aber der Gouverneur unterbrach ihn, er hatte noch etwas vergessen. Wenigstens sechs Meilen um Rouen sollte der protestantische Gottesdienst verboten sein — eröffnete er dem Ketzer und Abgesandten eines ketzerischen Königs. Infolgedessen erhitzte sich die Unterredung, sie konnte an diesem Tage zu nichts mehr führen. Allerdings wurde ein Vorvertrag geschlossen, aber nur, weil Rosny die Papiere und Unterschriften so sehr liebte; und ohne ein Papier, mochte es nichtssagend sein, verließ er keine Verhandlung. Durch Kurier unterrichtete er den König von den unverschämten Bedingungen. Bevor nun der Bescheid eintreffen konnte, setzte Herr de Villars sich in den Kopf, der nichtsahnende Rosny wäre sein Mörder. Es war eine Verwechslung: irgendein Abenteurer hatte den Plan gefaßt, der Person des Gouverneurs habhaft zu werden und Lösegeld herauszuschlagen. Genug, als sie wieder zusammenkamen, dachte der Gouverneur mit hervorquellenden Augen nichts als Hängen und Würgen. Dasselbe hatte Rosny beim vorigen Mal erwogen, nur daß er es nicht so sehen ließ. Jetzt sagte ihm sein gesunder Verstand, daß einzig noch eine Wahnsinnsszene helfen und das Schlimmste verhüten konnte. Daher überbot er unvermittelt das Wüten des Gouverneurs, ja, er nannte den Edelmann einen ehrlosen Verräter: worüber dieser in solchem Grade erstaunte, daß es ihm die Rede verschlug.

      „Ich — ein Verräter? Sie sind zornig, Herr.“

      „Sie selbst sprechen nur im unvernünftigen Zorn von einer Mordgeschichte, deren erstes Wort ich nicht kenne; ja, wollen sogar Ihre Treue brechen, denn ich habe einen Vorvertrag!“

      Diese eindringlichen Worte riefen Herrn de Villars halbwegs zu sich, so daß er beim Eintritt seiner Geliebten sagte: „Schreien Sie nicht, Madame, ich schreie auch nicht mehr.“ Dennoch hätte seine Besänftigung, die mehr ein Erstaunen war, schwerlich vorgehalten. Die Unschuld des Herrn de Rosny bedurfte dringend eines greifbaren Beweises, oder es konnte ihm immer noch übel ergehen. Genau in diesem Augenblick überbrachte einer seiner Diener ihm den Brief des Königs. Es war der Bescheid wegen der unverschämten Forderungen des Gouverneurs von Rouen. Aber die Forderungen der Dame de Liancourt waren der nächste Anlaß dieses Briefes gewesen: sonst wäre er vielleicht so erwünscht nicht eingetroffen. Übrigens bleibt unentschieden, ob der Gesandte Rosny ihn nicht eigentlich schon vorher in seinem Gasthof erhalten hatte. Die Wirkung des Überbringens hier während des spannenden Auftrittes war zu merkwürdig, bei späterer Überlegung glaubte man nicht mehr an Zufall. Die Geliebte des Gouverneurs äußerte bald Zweifel.

      Gleichviel, der König nahm alle Bedingungen an, bis auf das Verbot der Religionsübung, wovon er nichts erwähnte, und so überging auch Herr de Villars diesen Punkt: sollte er doch Großadmiral werden. Dem Gesandten gab er alsbald Genugtuung, weil er ihn fälschlich für seinen Mörder gehalten hatte. Ein Handlanger des wirklichen Mörders war zum Glück gefangen worden. Diesen ließ der Gouverneur herschaffen, warf ihm eigenhändig den Strick über, und seine Leute hängten ihn vor den Augen der Herren aus dem Fenster. Dies getan, blieb nur noch übrig zu feiern, was so glücklich ausgegangen war. „Die Liga ist verratzt“, rief der Gouverneur, rauh wie ein alter Soldat, aus dem Fenster, das schon die Aufmerksamkeit des Volkes erregt hatte, wegen des Gehenkten. Der Gouverneur befahl: „Ruft alle: Hoch der König!“ Das tat das Volk, und seine Stimmen erschallten bis an den Hafen, wo die Schiffe ihre Schüsse lösten. Auf den Festungswällen wurden Salven abgegeben, und keine Kirchenglocke, die nicht fröhlich

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