Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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er wieder anfing, klang seine Stimme gedeckt, nicht mehr glatt und hart; auch sagte er nur noch wenige Worte, das hauptsächliche hieß „Liebe“. „Und wär einer kunst- und siegreich, hätt aber der Liebe nicht —“ Das Evangelium, anstatt des Cäsars: es war nicht vorgesehen, es überraschte jeden, und am meisten den Redner, der daraufhin abschloß. So tat auch Henri etwas Unerwartetes. Er reichte nicht, wie vorher verabredet, dem Gesandten die Hand, damit der Gesandte auf die Rampe käme: er selbst sprang hinab und gab ihm auch schon die Akkolade, Umhalsung, Kuß auf beide Wangen. Der Hof sah es, geräuschvoll bekundete er seine Zufriedenheit. Die Kinder in dem silbernen Schiff sahen es, die thronende Frau mit goldenen Gewändern sah es — und da sie die Tochter eines der Fischer in geflickten Kleidern war, vergaß sie alle Hoheit und schlug in die Hände. In die Hände schlugen die kriegerischen Sklavonen, das Fischervolk und die beiden graubärtigen Heerführer.

      Henri blickte umher und lachte fröhlich — obwohl zugleich ein unbekannter Schauder ihm die Schulter berührte. ,Nicht, wie wenn hinter dir der Mörder steht, nein, diesmal war es die Ahnung eines Fittichs. Dich streift der Ruhm, zum erstenmal, da du den Vierzig nahe bist, der große Ruhm der Welt. Ist anzusehen wie die Märchen aus Morgenland, wird sogleich verfliegen, macht unheimlich erschaudern.‘

      „Herr Gesandter, wenn die Zeremonie vorbei ist, sprechen Sie zu mir allein.“

      „Sire! Worüber?“

      „Über den Herzog von Parma.“

      Das Wappentier

      ,Ich muß meine Schlacht haben‘, dachte Henri, kaum daß die Gesandten Venedigs abgereist waren; eigentlich aber hatte er schon bei ihrem ruhmreichen Erscheinen so zu sich gesprochen. Gerade der unheimliche Ruhm machte ihm seine Lage klar. Er war noch immer ein König ohne Krone, dem seine Hauptstadt fehlt. Ein Feldherr seinesgleichen hat kein Geld, und damit sein Heer ihm nicht auseinander läuft, muß er möglichst oft eine Stadt erobern: diese zahlt für ihn. Es sind die Städte seines Königreiches; eine schwere Sache, der Vater des Vaterlandes und recht volkstümlich zu bleiben, während er im Umherziehen seine Feinde unterwirft und Abgaben eintreibt. Keine Woche seit dem festlichen Märchen von Tours, da war er wie vorher mitten im harten Leben.

      Er reinigte sowohl die Touraine wie die nächsten Provinzen vom Feind und drang in die Normandie ein — hatte dort aber schon gestanden, als er bei Arques den Sieg errang. Wohin war der Sieg gekommen? Die eroberten Plätze, die er hinter sich gelassen hatte, waren inzwischen abgefallen. Sein Feind, das war kein Mensch wie er: eine Hydra mit vielen Köpfen war es. ,Du schlägst sieben ab, acht wachsen nach. So geht es mir mit der Liga. Straßenweise bekehren sich meine Untertanen zu mir, wenn ich in ihrem Nest der Herr hin. Wollen nie gegen mich die Waffen getragen haben — obwohl ich nur ihren Garten müßte umgraben lassen, dort liegen die Musketen. Alles das wäre unterhaltend, ich wäre gemacht, in dieser Art das Leben zu verbringen. Und wenn ich in Wirklichkeit nicht dafür gemacht bin, sondern für Größeres, so tu ich doch klug, davon zu schweigen.‘

      „Meine Gesundheit ist so gut wie noch nie“, erklärte er jedem in diesem Winter bei häufigem Schneefall und dem Nächtigen auf gefrorenem Erdboden. „Auch mein Heer hat keine Krankheiten, und es wird immer größer, da allein dies Nest mir sechzigtausend Taler zahlt. Wetten, das nächste am Wege ergibt sich bis Donnerstag!“

      Wirklich schloß er mit der Stadt Honfleur einen solchen Vertrag. Waren Mayenne oder sein Sohn Nemours bis Donnerstag nicht zur Stelle, dann sollte das Tor ihm geöffnet werden, und richtig, so kam es. Der Führer Mayenne ließ seine Liga eine Liga sein und ruhte sich in Paris aus, „wo auch ich es mir einmal so sanft tun werde“, äußerte Henri zuversichtlich. Für sich dachte er: ,Ich muß meine Schlacht haben.‘ Er erwog dies abwechselnd wie einen fröhlichen Streich — oder auch wie die Entscheidung seines Lebens.

      In seinem Gepäck führte er ein seltenes Stück mit eine Weckuhr, die er sorgfältig stellte. Mit Schlafen verging ihm weniger Zeit als dem dicken Mayenne bei Tisch. Eine Neuigkeit für seine gute Natur: zuweilen versäumte er sogar die wenigen Stunden. Aufgestützt sann er. ,Ich muß meine Schlacht haben — und nicht wie sonst, als ich sie gewinnen oder verlieren konnte. Ich darf sie nicht verlieren, darf diese nicht verlieren: dann wär es aus. Mich beobachten nachgerade zu viele, die Welt sieht mir zu, meine Verbündeten, die mir vor der Zeit gehuldigt haben, aber besonders der König von Spanien, der dies Königreich begehrt. Würde es auch haben, sobald ich nicht mehr da wäre. Wer sollte ihn noch hindern. Dies Volk streitet sich um seine Religion. Hätten nur alle die wahre, dann könnte sogar Don Philipp ihnen nicht an. Indessen was weiß ich, jeder hat die seine, ich bin Hugenott und lieg auf hart gefrorener Erde. Soll Don Philipp kommen, soll er mit viel Macht anrücken — all eins, ob meine Religion die rechte ist, hier gilt nicht das Bekenntnis, es geht um das Königreich, das in jedem Fall von Gott ist. Diese Sache spielt zwischen mir und Gott‘ — wurde dem König leuchtend klar, in einer ganz finsteren Nacht, indessen unter dem Zelt eine Ölfunzel knisterte und erlosch.

      Der Wecker schlug an, der König stand auf und rief nach seinen Offizieren. An diesem Tag war viel zu tun und lange zu reiten. Ein Wassergraben mußte trockengelegt werden, damit die Belagerer bis unter die Mauer der Festung vordrängen. Dies vollbracht, wurde hin und her geschossen, bis der frühe Abend fiel. Henri war zu Pferd schon unterwegs wegen anderer Arbeiten im weiten Umkreis. Sehr hungrig, erreichte er um die Zeit des Nachtessens die Stadt Alençon und begab sich mit wenig Begleitung nach dem Hause eines ergebenen Hauptmannes, fand ihn indessen nicht vor. Der Frau war der König unbekannt, sie hielt ihn für einen der königlichen Heerführer und empfing ihn nach Gebühr, wenn auch mit merklicher Verlegenheit.

      „Fall ich Ihnen lästig, meine Dame? Reden Sie frei weg, ich will keine Umstände machen.“

      „Mein Herr, dann sag ich es lieber gleich. Heute ist Donnerstag; ich hab in der ganzen Stadt umhergeschickt: nichts aufzutreiben, ich bin einfach verzweifelt. Nur ein braver Handwerker hier nebenan sagt, er hab am Haken eine fette Pute hängen; will sie aber durchaus nicht anders hergeben, als wenn er mitessen darf.“

      „Ist er denn in Gesellschaft zu brauchen?“

      „Ja, mein Herr, in unserem Viertel macht keiner soviel Witze. Sonst ein anständiger Mann, Feuer und Flamme für den König, und sein Geschäft geht ganz gut.“

      „Dann lassen Sie ihn nur kommen, liebe Dame. Ich habe wirklich Appetit; und wenn er auch langweilig wäre, lieber eß ich mit ihm, als gar nicht.“

      Hierauf wurde der Handwerker geholt und erschien in seinem Sonntagsrock mit der Pute. Während nun diese briet, unterhielt er den König, schien ihn aber gleichfalls nicht zu kennen: sonst hätte er schwerlich mit dieser Unbefangenheit dahergeredet, Nachbarsklatsch, Einfälle, Scherze, alles so gut, daß Henri für die Weile den Hunger vergaß. Alsbald verfiel er selbst in den Ton seines Gesellschafters — ohne Absicht, und merkte es nicht einmal. Keine schwere Sache, der Vater des Vaterlandes und recht volkstümlich zu bleiben, während er doch Untertanen zum Gehorsam zwingt und Abgaben eintreibt. Das ganze Geheimnis ist sein gutes Gewissen, wegen des ehrlichen Geschäftes, das er betreibt. Ohne Umschweife und List seine Landsleute zur Vernunft bringen und dies Königreich retten. Dessen gedenkt er im Grunde fortwährend, im Schlaf und auch beim munteren Gespräch. Der ordentliche Handwerker ihm gegenüber erzählt, vergißt aber gleichfalls seine Werkstatt nicht.

      Der König denkt: ,Ich muß meine Schlacht haben. Jetzt ist sie nicht mehr weit. Ich habe genug feste Plätze eingenommen, daß den Dicken die Ruhe verläßt. Mein Vetter Marschall Biron macht seinerseits der Liga viel Verdruß, und alle unsere Erfolge laß ich der Königin von England melden. Jetzt wollen wir die Stadt Dreux belagern: das wird Mayenne nicht mit ansehen können, er muß herbeirücken und sich zum Kampf stellen. Auch die Spanier werden es von ihm verlangen. Wozu sonst hätte er ihre Hilfstruppen, die ersten, die Philipp der Liga gewährt. Kommen

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