Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann страница 7
„Vielleicht“, sagte diese Brust voll Vorgefühl. „Ich hoffe es. Die wenigstens, die berufen sind, den Sieg in Gottes Auge zu sehen. Sire! Sie müssen mich entlassen.“
„Nein“, bestimmte Henri und senkte den Ton. „Das wär ein Stück Leben, die alten Freunde, die Zeit der glücklichen Dunkelheit. Ich will’s nicht missen und verlieren. Bleibt bei mir, was würde sonst aus mir. Du Bartas, früher schickte ich dich insgeheim an die Höfe. Wie hab ich deine Reisen bezahlt?“
„Einmal hundertfünfzig Taler, einmal fünfundachtzig.“
„Das nächste Mal wirst du Gouverneur einer großen Stadt.“
„Das alles war“, sagte Du Bartas. „Herr! Heute diene ich noch Ihnen, morgen schon einem Größeren. Hab auch das Lied gemacht, das Sie singen sollen, zum Dank für Ihren Sieg.“ Er gab es hin. „Und ist nicht meines, sondern Ihres, gedacht und erfunden von Ihnen selbst. Das sollen Sie laut sagen, damit in Ihrem Ruhm ein Rest von mir auf Erden fortlebt.“
Hier wurden sie unterbrochen, was Henri nicht ungern sah. Allerdings war es der Schweizer Oberst Tisch, und kam wegen des Soldes für seine Leute. So kurz vor der Schlacht war der rechte Augenblick. Der König hatte es ihm sofort angesehen und brach in Zorn aus — machte sogar mehr daraus, als er wirklich fühlte, damit Tisch das Geld vergäße über diesen großen Zorn. Der Schweizer bekam auch einen dunkelroten Kopf und hielt den Mund gepreßt, sonst hätte er auf die starken Worte des Königs erwidern müssen. Zuletzt sah Henri ihm nach, wie er abging in seinen großen Stiefeln, und dachte, daß es für die Schweizer zu spät wäre, ihn zu verlassen. Sie mußten nun kämpfen, und um so besser, je mehr die Beute ihre ganze Hoffnung war, daß sie zu ihrem Gelde kämen.
Unerläßlich aber ist wenigstens der Entschluß zu kämpfen. Die anderen Schweizer drüben beim Feind, die auch nicht bezahlt waren, wußten überdies, daß der König von Frankreich der Verbündete ihrer Eidgenossen war, und wollten keinen Streich tun in dieser Schlacht. Das war ihr Wort, beide kannten es, Henri so gut als sein Oberst Tisch, darum war keiner wegen des anderen ernstlich in Sorge. Sie sollten gewinnen. Henri hatte einen riesigen weißen Federbusch an seinen Hut gesteckt, ein ebenso großer nickte auf dem Kopf seines Pferdes. Er ritt vor die Front seines Heeres hin und sprach: „Kameraden! Gott ist für uns, dort unser Feind, hier euer König! Drauf! Und weht die Standarte euch nicht mehr voran, sucht meinen weißen Federbusch, ihn findet ihr, wo immer es zu Sieg und Ehre geht!“
Reckt sich, denkt hinter seinem schmalen Gesicht, den aufgerissenen Augen: ,Habt ihr doch was zum Staunen. Mein Hut! Mich kostet er hundert Taler mit dem weißen Amethysten und den Perlen. Der Federbusch ist außerdem. Und die Schweizer werden kämpfen!‘ — denkt er noch, erkennt aber schon, wie das feindliche Heer in Bewegung kommt, vornweg ein Mönch: der hat dem Feinde versprochen, vor seinem großen Kreuz würden die Ketzer davonlaufen. Henri, den Befehl zum Angriff auf den Lippen, jagt diese letzte Minute die Front hin, bis vor seine Schweizer. „Oberst Tisch!“ Umarmt ihn von Pferd zu Pferd. „Ihnen hab ich unrecht getan, will aber alles gutmachen.“
„Ach! Sire, Ihre Güte wird mich das Leben kosten“, entgegnete der alte Oberst. Da trennten sie sich und jagte schon jeder seiner Truppe voran gegen den Feind. Zuallererst stieß auf ihn der Marschall d’Aumont, er schlug die leichte Reiterei des Feindes zurück. Gleich nachher warfen deutsche Reiter die Schwadronen des Königs in Unordnung gegen sein Fußvolk, was große Verwirrung bei den Königlichen anrichtete. Zu allem Unglück fällt jetzt auch Graf Egmont mit seinen Wallonen die Königlichen an, auf einmal begegnen diese Spanien und Haus Habsburg, haben aber noch niemals der unbesiegten Weltmacht so nah ins Auge gesehen. Das ist furchtbar, und aus dem ersten unglücklichen Zusammenstoß könnten alsbald die Flucht und das Ende werden. Ein Königlicher im Getümmel zum anderen, schnell bevor es ihn weiterschiebt:
„Na, alter Ketzer, wer gewinnt die Schlacht?“
„Ist für den König verloren. Bliebe er nur leben!“
Rosny, sonst ein unbeirrter Ritter, urteilt nicht günstiger — hat schon fünf Verwundungen, sowohl von Pistolen wie von Schwertern und Lanzen, hält es für genug und schleppt sich aus dem Getümmel fort, bis unter einen Birnbaum. Hängen noch Zweige schützend über ihm. So voll Wunden, will niemand den Schlachtenlärm hören, und Rosny, später Sully genannt, fällt erst einmal in Ohnmacht. Kein Donner der Kanonen weckt ihn.
Wie in seinen anderen Schlachten hatte der König für sich die Kanonen und verstand es, sie richtig zu gebrauchen. Die feindlichen schossen über ihn weg, die seinen trafen. Als erster riß der Mönch aus, der zuviel versprochen hatte. Nun war das Heer der Liga ein Heer des Aberglaubens und der unwahrhaftigen Vermessenheit: mit seinen Lügen zugleich wurde es selbst erschüttert, wie es vorher durch sie zu großmächtig gewesen war. Das taten die Kanonen des Königs. Aus bloßem Haß machte Graf Egmont mit Spaniern und Landsknechten einen Todesritt gegen die Kanonen. Stieß den Hintern seines Pferdes in eines der feuerspeienden Rohre, um dieses zu demütigen, da es nach seiner Meinung die Waffe der Ketzer und Feiglinge war. Indessen spie es gerade nicht. Statt dessen fielen die Reiter des Königs über den unbedachten Feind her und hieben ihn in Stücke, auch Egmont selbst. Der Herzog von Braunschweig fiel beim Angriff seiner deutschen Reiter, die alsbald flüchteten. Henri! Übersieh nicht im Drang der Vorgänge, daß die flüchtenden Deutschen sehr plump gegen ihre eigene Front prallen: rechts wankt sie.
Ein Augenblick, unmeßbar, unwägbar, versäum ihn, es ist aus. Der König hält, er steht in den Steigbügeln auf. Als müßte der Augenblick dennoch gemessen werden, faßt er nach seiner Taschenuhr, hat sie aber verloren: achtzig Taler, und der Augenblick unmeßbar. Sein Plan war anders; wahrhaftig hat der ehrgeizige Stratege niemals aufgezeichnet oder vorgesehen, was er jetzt unternehmen wird. Ein Blick rückwärts, wo alles schweigt, plötzlich tief schweigt: „Dreht das Gesicht her! Und wollt ihr nicht kämpfen, seht mich sterben.“ Schon schnellt er vor um zwei Pferdelängen, dringt wütend in den Wald der feindlichen Lanzen, packt sie mit den Händen, hält die Feinde auf, bis seine Reiter da sind. Hält sie nicht nur mit seinen Händen auf, sondern zeigt ihnen sein Gesicht, das Macht und Hoheit spricht: sonst vielleicht anderes, hier Hoheit und Macht. Zuerst die Beschämung mit dem Mönch, dann ihr Schrecken vor den Kanonen, jetzt aber das Gesicht des Königs. Sie haben den Augenblick versäumt, die Spanier, Franzosen, deutschen Reiter! Königliche über ihnen, zerhauen sie, versprengen sie, durchstoßen die gelichtete Front des soeben noch furchtbaren Feindes. Ein Reiter bringt dem König seine Uhr zurück, was besonders erstaunlich ist, und sagt dazu:
„Sire! Vor weniger als einer Viertelstunde waren wir geschlagen.“
„Schont die Franzosen!“ rief der König den Verfolgenden nach. Die Schweizer der Liga ergaben sich, sie hatten keinen Streich getan. Der König selbst, an der Spitze von nur fünfzehn oder zwanzig Pferden verfolgte eine Schar von mehr als achtzig Flüchtenden. Als er anhielt, hatte er eigenhändig sieben getötet und eine Fahne erobert. Auf der Stelle, wo er anhielt, endeten Schlacht und Sieg von Ivry. Der König stieg vom Pferd und kniete hin. Seinen Hut warf er zu Boden: Niemand mehr sollte sich nach dem großen weißen Federbusch richten, gern wäre er allein und allen fern gewesen; viel versprengtes Getümmel erscholl aber allseits aus der Ebene. Der König, kniend, zog aus der Brust ein Blatt Papier, das Danklied, geschrieben von seinem alten Gefährten Du Bartas.
Ganz entfernt mühte sich Mayenne aus dem Hause Lothringen, Führer der großmächtigen Liga, mühte sich, so beleibt er war, verzweifelt mit nur zwei der Seinen, ob er nicht doch noch eine Streitmacht sammeln könnte. Ganz entfernt, in anderer Richtung, erwachte ein übel zugerichteter Ritter — sollte aber dereinst der berühmte