Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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war ganz, Schwerter, Pistolen und Lanzen, alle hatten ihn zugerichtet, und war auch noch mit dem Pferd gestürzt: mit seinem ersten, als diesem der Bauch aufgeschlitzt worden war. Auf sein zweites besann er sich gar nicht mehr. Wo er an sich hingriff, war geronnenes Blut. ,Jämmerlich muß ich aussehen‘, dachte der Baron, dem viel an seinem glatten Gesicht lag. Der Abend sank. ,Mein Schwert in Stücken, mein Helm verbeult, den Panzer muß ich ausziehen, schrecklich drückt das verbogene Eisen meinen wunden Leib.‘ — „He! Arkebusier, wohin so eilig? Komm näher, fünfzig Taler für den Gaul, den du am Zügel führst! Aber du mußt mir hinaufhelfen.“

      Kaum hat der Kerl das Geld, läuft er. Der Ritter, im Sattel schwankend vor Blutverlust, Hunger, Durst und Schwäche, findet die Richtung nicht, irrt über das Schlachtfeld: da stößt er auch noch auf den Feind — andere Ritter, ihre Standarte besät mit den schwarzen Kreuzen von Lothringen. Wollen mich gewiß gefangennehmen, die Schlacht haben wir nun einmal verloren.

      „Wer da?“ rief einer der Edelleute von der Liga.

      „Herr de Rosny, im königlichen Dienst.“

      „Wie, was, Sie kennen wir doch. Erlauben Sie, Herr de Rosny, daß wir uns Ihnen vorstellen. Wollen Sie die Höflichkeit haben, uns gegen Lösegeld gefangenzunehmen?“

      „Wie, was“, sagte zuerst auch er. Aber das Wort „Lösegeld“ klärte ihm alsbald den Kopf auf. Fünf vermögende Edelleute, und jeder wollte nach seinem Wert bezahlen. Da erfaßte Rosny die Lage. Unter seinem Birnbaum war er unversehens zum Sieger geworden.

      Danklied

      Sein König inzwischen kniete auf dem Schlachtfeld, seine Gesellschaft waren weithin nur Tote, zu mehreren oder vereinzelt, und es wurde dunkel um ihn. Seine Reiter vom letzten Treffen hatten ihn verlassen, da sie bemerkten, daß er von einem Blatt ablas und die Lippen bewegte. Es war Nacht, er steckte das Papier weg, das allerdings ein Danklied übermittelte — ihm klang es zu prachtvoll und auch wieder zu traurig. Sein eigener Dank an Gott den Herrn war, daß er ihn vernünftig nannte. „Gott ist immer auf Seiten der Vernunft“, sagte Henri, hier kniend nach der Schlacht; später aber aufrecht auf dem Thron sprach er dasselbe.

      Meine Feinde haben armselige, aufgeblasene Köpfe voll Lug und Trug: darum. Sie vermessen sich eines Ehrgeizes und Machtdünkels, die ihnen nicht zukommen: darum der Zorn des Herrn. Ihr Glaube ist bestimmt falsch, schon weil es der ihre ist; und gegen sie arbeitet die Vernunft Gottes. Denn die ist für das Königreich.

      So hieß sein Bekenntnis und klang ihm klar wie nie in der Schattenstille eines verlassenen Schlachtfeldes. Darum berührte ihn zum erstenmal kein Mitleid mit den Geschlagenen. Tausend von ihnen mußten niedergemacht sein, gewiß fünfhundert gefangen, und im Fluß ertrunken wer weiß wie viele. ,Indessen hat die Geduld des Herrn ihre Grenzen. Verlieren auch all ihr Gepäck an uns, wir setzen ihnen nach, und so erleichtert sie dahinfliehen, diesmal wollen wir früher als sie in Paris sein. Das gib, o Herr, denn Deine Geduld hat ihre Grenzen.‘

      So lautete seine Andacht nach dem Siege, anstatt daß er sonst um jedes seiner getöteten Landeskinder Tränen vergoß. Das Böse wird aber zuletzt unverzeihlich, was Henri hier durchaus empfand, und den dicken Mayenne würde er aufgehängt haben.

      Jetzt wurden dort hinten einige Lichter von Fleck zu Fleck bewegt. Der König ging zu seinen Edelleuten, die unter den Toten die Ihren suchten. „Das ist Herr de Fouquières“, stellte er fest. „Er hätte nicht fallen sollen, ich brauchte ihn noch.“

      Sie sagten ihm, daß der Gefallene eine Frau hinterlasse, und diese erwarte ein Kind.

      Der König verfügte: „Seine Pension geb ich dem Bauch.“

      Weiter trugen sie ihre Windlichter von Leiche zu Leiche, bis sie anlangten bei der des Obersten Tisch. Der König prallte zurück, er bedeckte die Augen. ,Hätt ich ihn nicht umarmt! Gleich nachher ritten wir den Angriff, da muß es geschehen sein. Er wollte mir’s zu ehrlich heimzahlen.‘ — „Für meinen tapferen Schweizer mein Kreuz vom heiligen Geist“, sagte der König und wollte es sich von der Brust nehmen. Da war kein Kreuz, war in der Schlacht verloren, auch kein Reiter brachte es zurück. Der König senkte den Kopf wegen des Gefühls seiner Ohnmacht. So machen sie sich denn fort, und ich hab nichts, ihnen nachzuschicken. Was ginge sie mein kurzer Sieg noch an, da sie selbst am Sitz des ewigen Sieges sind. Auf einmal wußte er das ganze Danklied, so wie er es gelesen hatte beim sinkenden Abend, und hatte es sowohl zu prächtig als zu traurig gefunden. Jetzt wurde aber seine Brust sehr angstvoll zusammengeschnürt.

      Schnell entriß er einem das Licht und eilte damit zu den nächsten Toten, bis er den vorgeahnten hatte. Aufschluchzen konnte er nicht, sehr angstvoll zusammengeschnürt war die Brust. Führte aber das Licht immerfort über seinen alten Gefährten hin, wie er daläge, die Hände hielte, ob in seinen gebrochenen Augen kein Vermächtnis stände. ,Keines. Natürlich keines. Denn erstens ist dies einer von mehreren aus dem berittenen Haufen von einst. Bleiben noch genug Hugenotten. Aber dieser wollte gehen — warum? War deine Zeit herum, mein Du Bartas? Wie steht es dann mit mir?‘

      Als Antwort auf die Fragen seiner zusammengeschnürten Brust sagte er zu den Edelleuten, daß sie dem Herrn ein Danklied singen wollten, und er wollte es ihnen vorsingen. Dann sprach er nach der Weise eines Psalms, einfach und halblaut. Die anderen kannten die Weise und summten alle mit.

      „Jetzt, Herr und Gott, jetzt soll Dein lieber Sohn,

      Als wie ein Mensch, gemacht aus irdischem Ton,

      Herniedergehn im blitzumhüllten Wagen.

      Die Liebe zieht ihn, die Gerechtigkeit,

      Indessen ihm zur Seite weit und breit

      Bis zur gestirnten Wölbung sein Geleit

      Von Engeln alle mit den Flügeln schlagen.

      Das ist die schöne Schlacht in diesem Land,

      Da unser Gott uns seinen Sohn gesandt,

      Daß wir den Sieg in seinen Augen sehen!

      Das Reich ist Dein, mein König und mein Christ,

      Nun Du auf Erden groß und Sieger bist:

      Gib denn den Abschied, den mein Herz vermißt!

      Laß mich zum Sitz des ewigen Sieges gehen!“

      Als der König zu Ende war, weinte er sehr, ohne daß jemand ihn recht begriffen hätte. Er hatte schon die letzten Zeilen nicht mehr deutlich ausgesprochen. Das fromme Gesumme der Edelleute hatte ihn übertönt.

      Im Gasthof des Dorfes war heller Jubel, aber einige Personen erwarteten außerhalb der festlichen Räume den König, der vom Schlachtfeld kam.

      „Sire! Ihre Befehle!“

      „Nach meiner Hauptstadt aufgebrochen noch vor dem Morgen!“

      „Sire, das schulden Sie Ihrem Ruhme ... Diesmal widersteht Ihnen nichts und niemand... Die Tore springen vor Ihrem Ruhm auf.“ Die Sätze, von verschiedenen gebracht, klappten aufeinander, wie vorher verabredet. Dies war der Eindruck des Königs, besonders als der folgende Satz fiel. „Ein großer und siegreicher König wird niemals seine Religion abschwören.“

      Henri blickte von einem zum anderen. So sahen diese aus und zweifelten an ihm und seiner Festigkeit. Er wußte es längst, er verstand

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