Anleitung zum Konservativsein. Alexander Gauland

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Anleitung zum Konservativsein - Alexander Gauland страница 5

Anleitung zum Konservativsein - Alexander Gauland

Скачать книгу

Instinkt hat mich den Freuden der Ruhe entrissen. Die Genugtuung, meinen Namen in den Zeitungen und später in der Geschichte zu wissen, hat mich verführt.« Und ein Jahr später in der Geschichte meiner Zeit: »Der Besitz schlagfertiger Truppen, eines wohlgefüllten Staatsschatzes und eines lebhaften Temperaments: das waren die Gründe, die mich zum Krieg bewogen.« Dass er dabei der Kaiserin, während seine Truppen bereits marschierten, durch seinen Gesandten mitteilen ließ, dass er nicht die Absicht habe, sie anzugreifen, rundet nur das Bild des Verfassers des Antimachiavell ab. Noch einmal: historische Vergleiche hinken! Und dennoch: Haben wir Schlesien anders verloren, als wir es gewonnen haben? Kann man über die Annexion Schlesiens, was die Rechtmäßigkeit anlangt, kaum streiten, so hat der Beginn des Siebenjährigen Krieges unterschiedliche Deutungen erfahren. Friedrichs Überfall auf Sachsen ist von den einen als notwendiger Präventivschlag, also als Ausbruch aus der Einkreisung gesehen worden, andere haben auch hierin allein das Ziel territorialer Vergrößerung erblickt. Friedrich selbst hatte 1752 in seinem »Politischen Testament«, auf dem Bismarck 130 Jahre später noch »Dauernd geheim halten« vermerkte, davon geträumt, dass Preußen Sachsen und Westpreußen erobern müsse. Allerdings hatte er diese Eroberungen an Bedingungen geknüpft, die 1756 nicht vorlagen. Doch auch der preußische Historiker Delbrück, ein Bewunderer Friedrichs, kommt in seiner Studie über den Siebenjährigen Krieg zu dem Ergebnis: »Friedrich hat … mit der tiefsten Verschlagenheit auf einen großen Krieg hingearbeitet, der seinem Staate Sachsen und Westpreußen bringen sollte.« Der Streit der Meinungen kann hier dahingestellt bleiben, denn auch im Fall des Präventivschlages war Friedrichs Politik unter diplomatischen wie politischen Gesichtspunkten verheerend. Er hatte das für unmöglich Gehaltene, ein Bündnis Habsburgs mit Frankreich, zustande gebracht und dafür mit England einen Partner gewonnen, der an einer Entscheidung in Nordamerika und nicht in Europa interessiert war. War die Annexion Schlesiens nach dem Fouché-Wort ein Verbrechen, so war der Überfall auf Sachsen mehr als das – nämlich eine Dummheit. Die Art und Weise der Behandlung Sachsens ist damals so einhellig verurteilt worden wie zuvor die Annexion Schlesiens. Thomas Mann in der schon erwähnten Rechtfertigungsschrift: »Von dem Lärm, der sich über diesen unterhörten Friedens- und Völkerrechtsbruch in Europa erhob, macht man sich keine Vorstellung.« Friedrich besetzte das Land, schoss – 180 Jahre vor den angloamerikanischen Bombengeschwadern – die Dresdner Altstadt in Brand, ließ das Staatsarchiv unter Androhung körperlicher Gewalt gegen die in Dresden zurückgebliebene Königin abtransportieren und zwang die in Pirna eingekesselte sächsische Armee unter preußische Fahnen. Wieder hatte er ein neues Element in die deutsche Politik eingeführt: »Das ständige Roulettespielen mit unzureichenden Mitteln, das Hasardieren; das Alles-auf-eine-Karte-Setzen; das Glückhaben-Müssen; der ständige Gedanke an Gift und Dolch, wenn’s schiefgeht; die permanente Überanstrengung.« (Rudolf Augstein) Mit Friedrichs Drittem Schlesischem Krieg stellte er sein Glück allein auf den Erfolg der Waffen. Nirgendwo anders, so urteilt der englische Historiker Gooch, hat sich damals der Glaube an die Waffen als das natürliche Mittel, Streitigkeiten auszutragen, durchgängigerer Achtung erfreut; wurde die Drohung mit dem Krieg als ein Instrument der Politik so systematisch angewandt; bestand so wenig Gefühl für internationale Zusammenarbeit. »Ich habe Europa mit der Seuche des Krieges angesteckt«, schrieb Friedrich 1742 an Voltaire. Dass er in diesem Krieg nicht unterging, verdankte er allein dem glücklichen Umstand des rechtzeitigen Todes der Zarin Elisabeth. Gewiss hat Jacob Burckhardt Recht, wenn er in seinen Weltgeschichtlichen Betrachtungen über Friedrich in diesem Kriege schreibt: »Schicksale von Völkern und Staaten, Richtungen von ganzen Zivilisationen können daran hängen, dass ein außerordentlicher Mensch gewisse Seelenspannungen und Anstrengungen ersten Ranges in gewissen Zeiten aushalten könne. Alle seitherige mitteleuropäische Geschichte ist davon bedingt, dass Friedrich der Große dies von 1759 bis 1763 in supremem Grade konnte.« Aber auch dieses Urteil steht und fällt mit dem für Friedrich gerade noch rechtzeitigen Tod der Zarin.

      Ein Jahr später wäre Preußen als Staat vernichtet gewesen. Man kann Friedrich nicht die Fehler oder gar Verbrechen seiner Nachfolger zurechnen, und dennoch: Auf das »Wunder des Hauses Brandenburg« hofften auch Hitler und Goebbels im Bunker, als sie vom Tode Roosevelts erfuhren. Und schon Thomas Mann verglich den deutschen Überfall auf Belgien im Jahre 1914 mit Friedrichs Überfall auf Sachsen, ein durchaus zulässiger Vergleich, wenn man die Motive untersucht. In beiden Fällen hatten sich Preußen und Deutschland diplomatisch isoliert, waren von einem Ring von Feinden umgeben, aus dem sie auszubrechen versuchten, in beiden Fällen unter Bruch des Völkerrechts.

      Wilhelm II. hoffte wie Friedrich, dass den Sieger niemand zur Verantwortung ziehen würde. Doch Hasardieren ist keine Politik, und was Friedrich mit Glück gelang, misslang 1918 und endete 1945 in einer Katastrophe. Bismarck hat schon gewusst, warum er die Deutschen immer wieder vor der Konstellation des Dritten Schlesischen Krieges gewarnt hat und das Suchen nach Verbündeten zum Herzstück seiner Außenpolitik machte. Denn auch nach dem glücklichen Ausgang des Siebenjährigen Krieges war Preußen gefährdet wie kein anderer europäischer Staat. Es bleibt die historische Frage, ob Friedrich mit dem Rückgriff auf die reine Macht nicht das Lebensgesetz Preußens formulierte. Resultierte die Radikalität des Handelns Friedrichs aus der Ausnahmesituation eines Staates, für die es keine Parallele gab, so war eben diese Radikalität die Ursache für die dauernde Gefahr des Untergangs, in die er sich selbst und seinen Staat stürzte. Trotz des preußischen Klassizismus, der Humboldt’schen Reformen, des märkischen Arkadien und Fontanes Stechlin bleibt der Satz des Historikers Erdmann gültig, dass es keine preußische Idee gab, mit der dieser Staat – anders als Frankreich, England oder auch Spanien – in die Welt hätte hinauswirken wollen. Was man Preußen schließlich verzieh, solange es dauerte, hat man Deutschland nie verziehen. Friedrichs Legitimation war das Recht der aufsteigenden Macht, das Recht des Stärkeren. Auf eine fast naive Weise hat Gerhard Ritter, der Historiker Preußen-Deutschlands, dies belegt. Hieß es in der ersten Auflage seines Friedrich-Buches 1936 noch »Er (Friedrich) hat damit den Grund für die Größe Preußens gelegt; und so ist seine Tat vor der Geschichte gerechtfertigt«, so stand da 1954: »Er hat damit den Grund für die Größe Preußens gelegt; und solange dessen Aufstieg dauerte, konnte seine Tat als gerechtfertigt vor der Geschichte erscheinen.«

       Friedrich und die Folgen

      In der Friedrich-Verehrung bündelte sich das falsche Denken, wie es – exemplarisch für den Geist von 1914 – in Werner Sombarts Händler und Helden zutage tritt: »Militarismus ist der zum kriegerischen Geiste hinaufgesteigerte heldische Geist. Er ist Potsdam und Weimar in höchster Vereinigung. Er ist ›Faust‹ und ›Zarathustra‹ und Beethoven-Partitur in den Schützengräben. Denn auch die Eroika und die Egmont-Ouvertüre sind doch wohl echtester Militarismus.«

      In Ernst Kantorowiczs Buch über einen anderen Friedrich II. kann man nachlesen, welche Bewunderung das gebildete Deutschland einer Herrscherpersönlichkeit entgegenbrachte, die, frei von moralischen Bedenken, jene Härte der Seele besaß, die zu großen Taten befähigte. Friedrich Meinecke hat später in seinem Buch über Die deutsche Katastrophe davon gesprochen, dass das geistige Klima in Deutschland in diesen Jahren geprägt gewesen sei von einer Offenheit und Nacktheit, von einer prinzipiellen Schärfe und Bewusstheit, der Freude an rücksichtslosen Konsequenzen und der Neigung, etwas zunächst doch Praktisches zu etwas Weltanschaulichem zu erheben.

      Was sich zu Beginn des Jahrhunderts in der Abwehr der Ideen von 1789 zum ersten Mal gezeigt hatte, wird jetzt zur herrschenden Ideologie. Die Vorstellung von einem »Inneren Reich« und, damit verbunden, die Neigung zu Träumerei und verschwommenen Gefühlslagen begünstigten die Abwendung vom Westen und den fatalen Glauben an eine deutsche kulturelle Mission, an die Brückenfunktion zwischen West und Ost.

      Der deutsche Kulturpessimismus betritt die Bühne und wendet das Gesicht des neuen Deutschlands nach Osten. Es ist heute kaum nachvollziehbar, dass ein wirres, in schlechtem Deutsch geschriebenes Buch über Rembrandt als Erzieher von Kritikern als »das bedeutendste Buch unseres Jahrhunderts« gepriesen wurde. Es findet sich in Julius Langbehns Machwerk wenig über Rembrandt, dafür werden alle Themen des deutschen Konservativismus angeschlagen: Ablehnung der

Скачать книгу