Nach mir komm ich. Will Berthold
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Ich werde die faulen beziehungen zu ihren politkumpanen ebenso entlarven wie die gemeinheiten ihres privatlebens und die behandlung ihrer frauen und mätressen. ich könnte sie mit einem schlag vernichten, aber ich mæchte, dass sie vorher noch empfinden, was sie anderen angetan haben. dass es sich hier um keine leeren drohungen handelt, werde ich ihnen umgehend beweisen.
Einer im namen vieler.
Kamossa knallt den Brief auf den Tisch, nimmt ihn noch einmal zur Hand und steckt ihn dann ein. Er schmeckt die Galle im Speichel, spuckt ihn aus, aber er kann einen widerlichen Geschmack nicht loswerden. Er spürt ein Stechen in der Brust und schluckt eine Pille.
Er stapft in die Wohnhalle, wo Budde zum zweiten Mal die Gesprächsaufzeichnung mit Kronwein abhört. »Diesen Konsul hast du ja prächtig ins Leere laufen lassen, Henry«, stellt er fest.
Erst jetzt fällt ihm auf, daß Kamossa verändert wirkt. »Der Brief?« fragt er.
»Hier«, sagt Kamossa und überreicht ihm das Schreiben. Budde betrachtet den Umschlag mit dem Poststempel Locarno, das auffällige gelbe Papier. Dann liest er langsam, bedächtig, so gründlich, als müßte er jedes Wort einzeln buchstabieren. Sein Gesicht wirkt dabei konzentriert und unbewegt wie immer.
Er lehnt sich zurück, denkt einen Moment lang angestrengt nach.
»Wenn dieser Schmierfink Geld verlangen würde, wär’ es mir lieber«, beginnt der Berater. »Dem ersten Anschein nach ist es ein amoklaufender Psychopath. Vielleicht eine Art Michael Kohlhaas, aber der war schließlich auch einer.«
»Viel Gift und Galle, aber wenig Substanz. Diese allgemeinen Vorwürfe kannst du mehr oder weniger jedem Aufsteiger ab einer entsprechenden Größenordnung machen«, konstatiert Kamossa.
Dr. Budde nickt zustimmend. »Bei Psychopathen denke ich immer zuerst an rachsüchtige Frauen«, fährt der Analytiker fort. »Du hast ein Leben lang dafür gesorgt, daß daran kein Mangel herrscht. Kannst du die Frauen noch zählen, die dir zürnen oder dich hassen?«
»Ich bin doch kein Adam Riese, Micha«, spottet Kamossa. »Schließlich ist keine zu kurz gekommen, weder finanziell noch auf der Spielwiese.«
»Nun gibt es in deinem Vorleben auch Geschichten, bei denen du weniger gut abschneidest«, entgegnet Budde.
»Das ist mir ziemlich gleichgültig«, behauptet Kamossa. »Heilige sind heutzutage out. Die Frage ist: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Telefonanruf Kronweins und diesem anonymen Gewäsch?«
»Dem Verleger ist zuzutrauen, daß er deine Lotter-Biographie von seinen Leuten zusammenschreiben läßt, sie dir anzudrehen versucht und sich dabei noch als wahrer Freund aufspielt. Ich schlage vor: Halt ihn hin, und wir gehen dieser Frage auf den Grund.«
»Richtig, Micha«, sagt Kamossa und klopft dem Freund auf die Schulter. Der Chef eines Mischkonzerns von neun selbständigen Firmen und zahlreichen, raffiniert geschachtelten Beteiligungen stapft zum hauseigenen Tennisplatz, wo Patrick dem untersetzten Rechercheur gerade einen Schmetterball hart auf die Linie knallt.
Schmeißer, der Schnüffler, unterbricht sofort das Match: »Nichts zu machen«, brammelt er. »Ihr Sohn ist einfach unschlagbar.«
»Im Sport schon«, entgegnet Kamossa gedehnt.
Er läßt selten eine Gelegenheit aus, seinen Jüngsten vor anderen zu demütigen. Der 24jährige würgt die Beleidigungen stumm hinunter; er hat keine andere Wahl. Er ist von allen Schulen geflogen und sieht zudem seiner Mutter Mabel so ähnlich, daß sein Vater bei jeder Begegnung an die verhaßte Vierte erinnert wird.
»Sie müssen sofort nach München, Schmeißer«, eröffnet Kamossa seinem Hausdetektiv und präzisiert seinen Auftrag.
II
Draußen dämmert schon der neue Tag, aber in der rauchigen ›Isole‹-Bar geht es noch immer hoch her, sosehr der Patron auch versucht, die letzten Nachtschwärmer loszuwerden. Die verlängerte Polizeistunde ist längst abgelaufen, er hat das Schild ›Geschlossene Gesellschaft an die Tür gehängt und abgesperrt. Doch die Runde der letzten neun macht einen solchen Krawall, daß sich die Anlieger morgen mit Sicherheit wieder beschweren werden.
»Sei doch vernünftig, Ferry!« fleht der Pächter. »Was habt ihr denn davon, wenn mir die Polizei den Laden dichtmacht? Nimm deine Freunde mit – ihr könnt doch bei dir zu Hause weitersaufen.«
Ferry, der zweitjüngste Grams-Sohn, ist der Wortführer seiner vier Kumpane, alle zwischen 20 und 30 und, bis auf einen, Söhne aus superreichen Häusern, geübte Trinker, gute Sportler und routinierte Verführer, doch alle fünf mehr oder wenig unfähig, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Ihre vier Begleiterinnen, die blonde Marion, Nina, die Dunkelhaarige, die rote Daisy und die brünette Doris, sortiert wie aus einem Farbkatalog, sind jung, hübsch und unverfroren. Von keiner würde man annehmen, daß sie etwas anbrennen läßt.
»Aber wirklich jetzt die letzte Flasche.«
Der Patron gibt noch einmal nach und stellt den Schampus auf den Tisch.
»Und dann kommst du am besten gleich mit uns«, lädt ihn Ferry ein. »Wenn du heute nacht noch etwas vom Leben haben willst.«
»Ich muß doch noch die Abrechnung machen. Aber ich komm später nach. Ganz bestimmt.«
»Dann will ich dich inzwischen mal scharfmachen«, entgegnet der 28jährige Berufserbe, der auf schnellstem Weg den goldenen Löffel versilbert mit dem er zur Welt gekommen ist. »Zeig mal, was du hast, Marion!« fordert er den 20jährigen Busenstar an seiner Seite auf. »Gleich werden dir die Augen übergehen, Rio.« Er knöpft seiner Favoritin die Bluse bis zum Nabel auf, legt ihre freitragenden Werte offen. »Zier dich doch nicht so! Faß mal an, Rio! Alles Marions Kapital: fest und griffig.« Ferry streichelt die Rundungen, bis die Knospen stehen. »Solche Titten findest du in ganz Ascona nicht mehr«, stellt er kennerisch fest, als wüßte es Rio nicht längst.
Die Feriensaison wird erst in den nächsten Wochen richtig anlaufen. Junge Männer sind in der ›Zeit der Haselnüsse‹ – so nennen die Tessiner die Zwischenzeit – Mangelware. Die Mädchen an ihrer Seite genießen es, sich nicht wie während des Winters mit Methusalem-Machos herumplagen zu müssen. Sie gehören zum Bild des einstigen Fischernests, späteren Künstlerorts und heutigen Millionärtreffs wie die kleinen Pinten, idyllischen Winkel, die Boote und die Möwen.
Die hübschen weiblichen Dauergäste sind hier absichtlich oder zufällig hängengeblieben und schlagen sich mehr schlecht als recht durch. Einige arbeiten tagsüber regelmäßig, andere schlafen bei Tageslicht und gammeln nachts vor sich hin. Alle aber warten sie auf die Chance ihres Lebens, die Hochzeit mit einem alternden Nabob oder noch besser dessen Sohn. Tatsächlich schafft es die eine oder andere, während bei den Anläufen der übrigen nicht mehr herausschaut als ein warmes Nachtmahl mit anschließendem Barbesuch nebst nachfolgender Rückzahlung im Bett.
»Bevor du weinst, Rio, verlassen wir dich jetzt«, sagt der junge Grams zum Hausherrn. »Die Rechnung. Ihr seid alle meine Gäste«, verkündet er großkotzig.
»Quatsch!« erwiderte Patrick. »Meinst du,