Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 18
Schnell wandte sich Deniz ab.
»Komm schon! Du wirst doch auf deine alten Tage nicht sentimental werden«, schalt er sich selbst.
Am Straßenrand blieb er stehen. Wartete auf eine Lücke im Verkehr. Genau vor seiner Nase blieb ein LKW stehen. Von der Plane lachte ihm ein Schneemann entgegen. Erbaut von Mutter, Vater und zwei Kindern, deren Wangen so rot leuchteten wie der Schal ihres Bauwerks. Das konnte doch nicht wahr sein. Deniz rieb sich die Augen. Doch weder der Schneemann noch die glückliche Familie verschwanden. »Vielleicht war doch zuviel Gras im letzten Joint«, mutmaßte er.
Die Bahnhofshalle gegenüber versprach Schutz vor dem ungemütlichen Wetter und hoffentlich auch vor den sentimentalen Gefühlen.
Er wurde nicht enttäuscht. Das geschäftige Treiben drinnen war ganz nach Deniz’ Geschmack. Noch blieb Zeit bis zur Abfahrt. Er kaufte sich einen Kaffee und sah sich um. Das beste Mittel gegen seine Befindlichkeiten war Bestätigung. Eine neue Bekanntschaft musste her! Deniz’ Wahl fiel auf eine junge Frau. Mit ihren Dreadlocks, der Pluderhose und dem Rucksack sah sie aus, als wäre sie auf dem Weg in ein sommerliches Paradies. Scheinbar ziellos schlenderte er auf sie zu.
»Hey!«
»Hey!«
Diese blauen Augen! Das strahlende Lächeln! Offenbar gab es doch noch Gerechtigkeit auf dieser Welt!
»Hast du mal Feuer?« Er hielt die Zigarette hoch, die er vorhin geschnorrt hatte.
»Klar.« Das geblümte Feuerzeug klickte.
Deniz nahm einen tiefen Zug.
»Wohin geht die Reise, schönes Kind?«
»Nach Westen, die Sonne putzen.«
Das war eine Antwort nach seinem Geschmack.
»Da will ich auch hin.« Er fuhr sich durch die schwarzen Locken. Zauberte den Verführerblick hervor, den er stundenlang vor dem Spiegel geübt hatte. Er schien nichts von seiner Wirkung verloren zu haben.
Eine Zungenspitze blitzte zwischen glänzenden Lippen.
»Ein Beschützer ist nie verkehrt.« Sie hielt ihm die Hand hin. »Kessy.«
»Deniz.« Er beugte sich vor und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Sie roch süß nach Vanille und Orangen.
Kessy kicherte.
»Das da drüben ist übrigens Jarmila.« Sie drehte sich um und winkte.
Ein kleines Mädchen in Pumphose und Felljacke hüpfte herbei. Deniz hielt die Luft an. Sah sich nach einem Fluchtweg um, als er spürte, wie sich ein Arm fest in seinem verhakte. Und Kessys Blick verriet, dass sie ihn so schnell nicht mehr loslassen würde.
*
Kein Wunder, dass Moritz Loibl Herzprobleme hatte. An diesem Tag blieb ihm auch nichts erspart.
»Waaaaas??? Becky wurde operiert?«
Mit Mühe konnte Dr. Norden ihn daran hindern, direkt aus dem Bett zu springen.
»Bitte regen Sie sich nicht auf.« Seine Stimme klang beschwörend wie die eines Schamanen. Manchmal fühlte er sich tatsächlich wie einer dieser spirituellen Spezialisten, denen magische Fähigkeiten zugesprochen wurden. Die konnte er bei Patienten wie Moritz Loibl gut brauchen. »Es ist alles gut gegangen. Ich habe mich selbst davon überzeugt. Rebecca wurde auf die Station verlegt. Sie können sie morgen besuchen.«
»Ich will sie aber sofort sehen.«
Nichts anderes hatte Daniel befürchtet.
»Gut. Ich werde einer Schwester Bescheid sagen, die Sie im Rollstuhl hinbringt. Aber nicht lange.« Mahnend hob er den Zeigefinger. »Ich will kein Risiko eingehen. Weder bei Ihnen noch bei Ihrer Freundin.« Der Klinikchef hatte noch nicht ausgesprochen, als Moritz die Decke zurückschlug und die Beine über die Bettkante schwang. Im letzten Moment gelang es Dr. Norden gerade, die Kabel zu entfernen, die seinen Patienten mit den Überwachungsgeräten verbanden. Wenigstens die sollten die Aktion unbeschadet überstehen.
»Ich brauche keine Schwester«, erklärte Moritz im Brustton der Überzeugung. Das Klappern der Krücken erinnerte Daniel an das Holzbein eines Seeräubers. Moritz wirkte nicht minder kaltblütig. »Haben Sie nicht gesagt, ich muss üben, üben und noch einmals, üben? Meine Frau hat einen mobilen Mann verdient. Und mein Kind einen gesunden Vater.« Er hatte die Tür erreicht. Sie zu öffnen, stellte ein logistisches Problem dar. Doch auch davon ließ sich Moritz nicht aufhalten. Eine Frage hatte er allerdings noch. »Wo finde ich Becky?«
»Rechts und mit dem Aufzug in den zweiten Stock. Soll ich nicht …«
»Nein, danke, Doc.« Moritz zwinkerte dem Klinikchef zu. »Machen Sie sich keine Sorgen. Das schaffe ich schon«, versprach er und stakste los.
Zwischendurch meinte er, sich übernommen zu haben. Dann erinnerte er sich an Rebeccas Motto. Es geht immer weiter!
»Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinbekäme!«, feuerte er sich selbst an und marschierte weiter.
Eine halbe Stunde später saß er am Bett seiner Freundin.
Becky starrte ihn an, als wäre eines der Weltwunder an ihrer Seite aufgetaucht.
»Bist du hergeschwommen, oder warum bist du so nass?«
»Das ist der Angstschweiß, du könntest mich verlassen.« Moritz stellte die Krücken weg und lehnte sich zurück. Nie zuvor war ein Stuhl kostbarerer gewesen als in diesem Moment.
»Tut mir leid, aber in den vergangenen Stunden habe ich keinen Gedanken an dich verschwendet.« Ihr Lächeln milderte die Botschaft hinter ihren Worten.
»Natürlich nicht.« Moritz senkte den Blick. »Es tut leid, dass ich nur an mich gedacht habe. Wie geht es dir? Dem Winzling?«
»Ich schätze, es war alles ein bisschen viel in den vergangenen Wochen. Aber wir sind zäh. So gut solltest du uns inzwischen kennen.«
Beckys Tonfall machte Moritz Mut.
»Ein Glück!« Tränen der Erleichterung fluteten seine Augen. Tapfer drängte er sie zurück. »Wir hätten es nie so weit kommen lassen dürfen. Hätten Vincent reinen Wein einschenken müssen, als uns klar wurde, wohin uns beide die Reise führt.«
»Wissen wir das denn jetzt?« Rebecca blinzelte zu ihrem Freund hinüber.
Moritz konnte der Versuchung nicht länger widerstehen. Er beugte sich vor und nahm die Hand seiner Freundin.
»Ich weiß nur, dass ich nicht ohne dich, ohne euch reisen will. Alles andere ist mir eigentlich egal.« Er schluckte. »Wie klingt das in deinen Ohren?«
Über die Antwort musste Rebecca nicht lange nachdenken. Sie zog seine Hand an die Lippen und küsste sie. Dabei ließ sie Moritz nicht aus den Augen.
»So gut, dass ich gleich aufstehen und losgehen könnte.«
*