Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 27
Verlegene Blicke, scharrende Füße.
»Es hat sich leider herumgesprochen, dass Sie in finanziellen Schwierigkeiten stecken«, antwortete Josepha.
»Ach ja?« Milans Augen wurden schmal. Sein Blick fiel auf Elena.
»Ich kann nichts dafür.« Wie um sich zu schützen hielt sie die Hände vor den Oberkörper.
Aydin atmete durch.
»Was soll’s. Es stimmt ja. Sicher wissen Sie auch schon, dass mein Vermieter mich verklagen will.« Offenbar hatte er gefunden, wonach er suchte, und zog die Patientenakte aus dem Stapel.
»Keine Sorge, das bleibt unter uns«, versicherte Schwester Astrid schnell.
»Kein Problem. Ich wollte die Neuigkeit sowieso ans Schwarze Brett hängen.« Er zwinkerte den Damen in der Runde zu, grinste Henri an, nahm einen Keks von Josephas Teller und rollte davon, ehe einer der vier eine passende Bemerkung gefunden hatte.
*
Langsam kehrte Ruhe ein auf den Fluren der Behnisch-Klinik. Dort, wo tagsüber ein Betrieb wie in einer Bahnhofshalle war, herrschte fast gespenstische Ruhe. Die Rollwagen mit Medikamenten oder Wäsche standen verwaist in dunklen Ecken. Im gedimmten Licht huschten helle Schatten fast lautlos hin und her. Gerade so, als wollten sie Rücksicht nehmen auf den Mann, der auf der Bank vor der Intensivstation lag und schnarchte. Der Forsythienzweig welkte auf seinem Bauch vor sich hin.
Beim Anblick ihres Vaters zog sich Annabels Herz zusammen. Sie stürzte sich nicht sofort auf ihn, um Schutz und Sicherheit bei ihm zu suchen. Wie damals, als sie sich als Kind vor der Dunkelheit gefürchtet hatte. Doch inzwischen war sie kein Kind mehr. Deshalb besiegte sie den ersten Impuls und ging auf ihn zu.
»Papa!«
Annabel streckte die Hand aus. Leicht wie ein Schmetterling landete sie auf seinem Arm.
Plötzlich war da ein Lächeln auf Uwes Lippen. Ihre Stimme mischte sich in seine Träume.
»Papa, fang mich auf!« Er stand bis zur Hüfte in einer Blumenwiese. Von Annabel war nicht viel mehr als der blonde Haarschopf zu sehen. Und ihre Ärmchen, die in die Höhe ragten wie die jungen Äste eines Apfelbaumes. »Papaaaaaa!«
Uwe fuhr hoch. Die Forsythie landete auf dem Boden. Es dauerte einen Moment, bis er wusste, wo er war. Wer vor ihm stand.
»Annabel, was machst du denn hier?« Er starrte seine Tochter an wie eine Erscheinung. »Ich dachte, du bist in Berlin.«
»War ich auch. Aber du hast so schrecklich geklungen am Telefon. Und später konnte ich dich nicht mehr erreichen.« Sie sank neben ihren Vater auf die Bank. Wandte ihm den Oberkörper zu. »Deshalb habe ich mich ins Auto gesetzt und bin losgefahren.« Sie nahm seine Hand zwischen die ihren. Fühlte die Schwielen. Die raue Haut. Wenn er ihr früher übers Haar gestrichen hatte, waren sie immer hängen geblieben.
Das Adrenalin in Uwes Blut ebbte ab. Er rieb den schmerzenden Rücken. Nur ein Fakir hätte auf der harten Bank gut geschlafen.
»Wie spät ist es?«
Annabel sah auf die Uhr.
»Elf durch.« Sie sah hinüber zur Tür mit der Aufschrift ›Intensivstation‹. Licht fiel durch die Ritzen und verriet, dass hier kaum ein Unterschied gemacht wurde zwischen Tag und Nacht. »Wie geht es Ma… Inga?«
»Sie ist da drinnen. Aber die Ärzte wollen mich nicht zu ihr lassen.« Uwe gähnte. »Kannst du mir einen Gefallen tun und Kaffee holen?« Er musterte sie aus Augen, die in dunklen Höhlen lagen. »Nach der langen Fahrt kannst du bestimmt auch einen brauchen. Mit zwei Löffeln Zucker und einem Schuss Milch?«
»Stimmt auffallend.« Annabel lachte leise. »Wie gut du mich kennst.«
»Du bist doch meine Tochter.«
»Inga weiß das nie. Sie muss jedes Mal wieder fragen. Und sie ist meine Mutter.« Plötzlich klang Annabels Stimme spitz. Schnell stand sie auf und machte sich auf die Suche nach einem Kaffeeautomaten.
In der Lobby wurde sie fündig. Ein Mann im Rollstuhl stand davor. Zu ihrer Überraschung trug er einen weißen Kittel. Der Automat zischte und spuckte wie ein Drachen.
»Keine Angst. Ich verteidige Sie vor dem wilden Monster«, sagte der Mann im Rollstuhl.
Annabel legte den Kopf schief. Sie klemmte sich eine Strähne hinters Ohr.
»Können Sie Gedanken lesen?«
Milan lachte heiser.
»Vielleicht.« Er nahm den Becher aus dem Halter. Warf einen Blick hinein und dachte kurz nach. »Bitteschön. Mit Milch und Zucker.«
»Sie können wirklich Gedanken lesen.«
»Leider nicht. Aber vielleicht erzählen Sie mir ja etwas von dem, was in Ihrem hübschen Kopf vor sich geht.« Wieder fauchte der Automat und spuckte einen weiteren dampfenden Becher aus.
Annabel überlegte kurz. Durfte sie sich eine kleine Auszeit gönnen, ehe sie endgültig ins Reich des Grauens eintauchte?
»Was wollen Sie hören?«
Milan grinste zufrieden und winkte sie mit sich zur Sitzgruppe.
*
Daniel Norden schloss die Tür hinter sich. Mit der kühlen Nachtluft sperrte er die Gedanken an die Arbeit aus. Das gelang ihm nicht immer. Doch nach so einem Tag musste es einfach sein. Er machte Licht im Flur. Stellte die Tasche an ihren Platz unter der Garderobe. Hängte den Mantel auf. Er lauschte auf die Geräusche im Haus. Bis auf die Stimmen aus dem Wohnzimmer war nichts zu hören. Seltsam, wie sich die Zeiten änderten. Wie man selbst sich änderte. Wenn er vor fünfzehn, zwanzig Jahre nach Hause gekommen war, hatten sich die Kinder regelrecht auf ihn gestürzt. Sich an seine Arme und Beine gehängt. Ihn mit Fragen, Anekdoten und Wünschen bestürmt, dass er um seine Trommelfelle fürchtete, während seine Frau Felicitas lauernd dahinter stand, die Liste mit den Aufträgen schon in der Hand. Natürlich hatte er sich über die Aufmerksamkeit gefreut. Ein bisschen weniger davon wäre ihm aber auch recht gewesen. Ein bisschen Verschnaufpause nach dem anstrengenden Alltag als Allgemeinmediziner mit eigener Praxis.
Die hatte inzwischen sein ältester Sohn Danny übernommen, während sein jüngerer Bruder Felix als Pilot durch die Welt jettete und sich nur noch alle Jubeljahre zu Hause blicken ließ. Anneka studierte Soziale Arbeit und wohnte bei ihrem Freund, dem Medizinstudenten Sascha. Nur die Zwillinge Jan und Dési, inzwischen ebenfalls Studenten, lebten noch zu Hause. Doch sie hatten Besseres zu tun, als sich johlend auf ihren Vater zu stürzen. Ja, sie bemerkten noch nicht einmal mehr, wenn er nach Hause kam. Übelnehmen konnte Daniel es ihnen nicht. Schließlich ging es auf Mitternacht zu.
»Träumst du mit offenen Augen?«
Fees Stimme riss ihn aus den Gedanken. Daniel lächelte. Schloss seine Frau in die Arme und wiegte sie wie ein Kind.
»Feelein, wie schön, dass wenigstens du mich begrüßt.«