Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 4
Milan fiel fast in Ohnmacht.
»Bist du total übergesch …« Mitten im Satz hielt er inne. »Ach, was will ich überhaupt?« Er winkte ab. »Ein Mann, der mit dreißig Jahren noch T-Shirts bedruckt, ist nicht zurechnungsfähig.«
»Aber der Herr Neurochirurg hat natürlich die Weisheit mit Löffeln gefressen.« Deniz drehte sich um und musterte seinen Bruder. »Ist dir schon zu Ohren gekommen, dass Vielwisserei noch lange nicht Verstand bedeutet?«
»Verschone mich mit deinen Kalendersprüchen!«
»Und meine T-Shirts werden der Renner. Du wirst schon sehen.«
Milan saß im Rollstuhl vor seinem Bruder und musterte ihn von oben bis unten. Langsam schüttelte er den Kopf.
»Deniz, wann wirst du endlich erwachsen? Wann suchst du dir endlich einen richtigen Job? Nimm dir ein Beispiel an mir. Obwohl ich ein Krüppel bin, habe ich es geschafft.«
Deniz lächelte.
»Entspann dich, Mil! Ich bin nicht gekommen, um mir anzuhören, wie genial du bist. Eigentlich wollte ich nur ein bisschen Spaß mit dir haben, in Erinnerungen schwelgen, die Stadt unsicher machen. Solche Sachen.«
Milans rechter Mundwinkel wanderte ein Stück hoch.
»Und warum bist du wirklich hier?«
Schweigen. Deniz presste die Lippen aufeinander. Sah sich um und ließ sich schließlich auf einen der Stühle am Tisch fallen.
»Samantha hat mich verlassen.« Er nahm einen Keks vom Teller. Bevor Milan ihn warnen konnte, kaute er schon darauf herum. Verzog das Gesicht. »Wo habt ihr denn die Dinger her? Da schmeckt ja Sams Kuchen besser. Und die kann überhaupt nicht backen.«
»Restbestände vom alten Verwaltungschef«, erwiderte Milan knapp. »Samantha … Samantha … ist das nicht die Wünschelrutengängerin?«
Deniz’ schwarze Locken flogen hin und her.
»Das war Christa. Samantha verkauft Handarbeiten auf Märkten. Blumenampeln aus Makramee, gehäkelte Einkaufsnetze, solche Sachen.«
Milan Aydin schnalzte mit der Zunge.
»Du und deine Frauen.«
»Tu doch nicht so! Gut, du schleppst wahrscheinlich Ärztinnen und Unternehmerinnen ab. Trotzdem läuft es bei dir auch nicht besser.« Deniz fuhr sich durch die Mähne. Er konnte schon wieder lächeln. »Deshalb dachte ich, ich bleibe ein paar Tage bei dir. Dann können wir uns gegenseitig trösten.«
Milans Kehle wurde trocken.
»Nette Idee«, erwiderte er lahm. »Was meinst du genau mit ›ein paar Tage‹?«
»Keine Ahnung.« Inzwischen strahlte Deniz wieder von einem Ohr bis zum anderen. »Bekomme ich deinen Wohnungsschlüssel?«
Schon als Junge hatte er seinen großen Bruder um den kleinen Finger gewickelt. Hatte ihm das größte Spielzeugauto und die roten Gummibärchen abgeschwatzt. Wirkte sein Charme immer noch?
Der Schlüssel klimperte, als Milan ihn aus der Tasche zog. Laura, Katja und Silvie mussten wohl oder übel warten. Na ja, wenigstens steigerte das seine Attraktivität. Diese Erfahrung hatte Milan inzwischen mehr als ein Mal gemacht. Getreu dem Motto ›Willst du was gelten, mach dich selten.‹ Sonst wäre ihm die Entscheidung wohl nicht so leicht gefallen.
»Also schön«, gab er sich geschlagen. »Bleib, solange du willst. Unter einer Bedingung.«
»Alles, was du willst, Bruderherz.«
»Du lässt dich nicht in der Klinik blicken. Versprochen?«
Deniz schnappte nach dem Schlüssel und stand auf.
»Wir sehen uns später, Mil.«
*
Die Vene in der Armbeuge schimmerte bläulich und wölbte sich. Wie eine Schlange!, ging es Moritz durch den Sinn. Dr. Weigand war mit dem Ergebnis seiner Bemühungen zufrieden. Er versenkte die Nadel unter der Haut. Während sich das erste Röhrchen mit Blut füllte, öffnete er den Stauschlauch.
»Sie können die Faust jetzt öffnen.«
Moritz wackelte mit den Fingern. Er lächelte hinüber zu seinem Freund Vincent.
»Siehst du, sogar das Blutabnehmen habe ich ohne Ohnmachtsanfall überstanden. Du kannst wirklich zurück zu den anderen gehen. Schließlich feiert man nicht jeden Tag seinen Junggesellenabschied.«
Vincent stemmte die Hände in die Hüften. Er machte ein paar Schritte. Kehrte an die Behandlungsliege zurück.
»Vergiss den Junggesellenabschied. Du bist doch viel wichtiger als diese alberne Veranstaltung.« Ein Blick hinüber zu Dr. Weigand. Das letzte Röhrchen war gefüllt. »Haben Sie schon eine Erklärung für Moritz’ Herzinfarkt?«
»Wie vorhin schon erwähnt, kann eine erbliche Vorbelastung dafür verantwortlich sein. Als weiterer Grund kommt ein bisher unentdeckter Herzfehler in Frage.« Matthias drückte einen Tupfer auf die Einstichstelle und zog die Nadel heraus. »Oder Spasmen. Gerade in ungewöhnlichen Situationen kann sich ein Herzkranzgefäß verkrampfen.« Dr. Weigand schickte die Schwester mit den Blutproben ins Labor. Dann nahm er noch einmal die Ausdrucke zur Hand, die er während der Ultraschalluntersuchung gemacht hatte.
Zu Beginn seiner Ausbildung war es ihm wie allen anderen Menschen ergangen. Er hätte genausogut in einen wolkenverhangenen Himmel starren können. Erst mit der Zeit und vielen Kursen war es ihm gelungen, einen Gallenstein zu identifizieren. Er wusste, wie eine Gefäßverengung im Hirn aussah und erkannte die Strukturen einer Fettleber.
»Im Ultraschall ist nichts Auffälliges zu sehen. Keine Veränderung der Herzkammern. Auch Wandbewegungsstörungen konnte ich keine erkennen.«
Moritz nickte seinem Freund zu.
»Siehst du, du musst dir keine Sorgen machen. Also ab mit dir auf deine Party.«
»Vergiss es! Ich gehe erst, wenn ich weiß, was mit dir los ist.«
Matthias Weigand steckte die Bilder zu den anderen Unterlagen in die Akte.
»Dann können wir uns jetzt guten Gewissens der anderen Baustelle widmen.« Er rollte ans Fußende der Liege. »Zähne zusammenbeißen. Jetzt tut es wahrscheinlich ein bisschen weh.« Er legte Hand an.
»Neigen Sie immer zu Untertreibungen?«, stöhnte Moritz.
Matthias stopfte den Socken in den Turnschuh und beförderte beides auf den Boden. Er bewegte den Patientenfuß hin und her. Moritz zischte wie eine Schlange. Der Arzt nickte.
»Dachte ich es mir doch. Es knirscht.«
»Und was heißt das?«
»Eine Krepitation ist ein hör- und fühlbares Knistergeräusch, das entsteht, wenn Knochensplitter aneinanderreiben.«
»Klingt