Lange Schatten. Louise Penny
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»Was macht die Kunst?«
Die Frage überraschte Clara. Im ersten Augenblick dachte sie, sie würde Peter gelten, und fing an, die an ihrer Brust klebenden Tomatenkerne abzupulen.
»Meinst du mich?« Sie hob den Kopf und sah Julia an. Die Schwester, die sie am wenigsten kannte. Aber sie kannte die Geschichten, die Peter ihr erzählt hatte, und war auf der Hut. »Ach, na ja, du weißt ja. Es ist ein ewiger Kampf.«
Mit dieser Antwort machte sie es sich leicht, sie erwarteten sie. Clara, die Versagerin, die sich selbst als Künstlerin bezeichnete, aber nie etwas verkaufte. Die lächerliche Bilder von schmelzenden Bäumen malte und Figuren mit toupierten Haaren zusammenbastelte.
»Ich habe von deiner letzten Ausstellung gehört. Ziemlich beeindruckend.«
Clara richtete sich auf. Natürlich, die meisten Leute waren höflich genug, sich oberflächlich nach ihrer Arbeit zu erkundigen, aber dass jemand das Thema vertiefen wollte, kam selten vor.
Vielleicht meinte Julia es ja ehrlich.
»Kriegerinnen und ihre Uteri richtig?«, sagte Julia. Clara suchte in ihrem Gesicht nach einem Hinweis darauf, dass sie sich über sie lustig machte, konnte jedoch keinen entdecken.
Clara nickte. Zugegeben, nach wirtschaftlichen Maßstäben konnte man diese Serie nicht gerade als gewinnbringend bezeichnen, aber für ihr Selbstwertgefühl war sie ein voller Erfolg gewesen. Sie hatte daran gedacht, Peters Mutter eine der Uterus-Kriegerinnen zu Weihnachten zu schenken, war dann aber zu dem Schluss gekommen, dass sie damit vermutlich einen Schritt zu weit gehen würde.
»Haben wir euch das nicht erzählt?« Peter gesellte sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu ihnen. Das war bei einem Familientreffen nie ein gutes Zeichen. Je mehr sie lächelten, desto unaufrichtiger waren sie. Clara versuchte, seinen Blick aufzufangen.
»Was erzählt?«, fragte Sandra in einem Ton, als befürchte sie das Schlimmste.
»Das von Claras Malerei.«
»Ich hätte gern noch ein Bier«, sagte Clara. Keiner achtete auf sie.
»Was ist damit?«, fragte Thomas.
»Nichts«, sagte Clara. »Nur Quatsch. Ihr kennt mich doch. Hier mal was probieren, da mal was probieren.«
»Ein Galerist ist an sie herangetreten.«
»Peter«, sagte Clara scharf. »Ich glaube nicht, dass wir das hier erörtern müssen.«
»Aber ich bin sicher, dass es sie interessiert«, sagte Peter. Er zog die Hand aus der Hosentasche und stülpte dabei das Futter nach außen, was nicht ganz zu seiner gepflegten Erscheinung passen wollte.
»Clara ist zu bescheiden. Die Galerie Fortin in Montréal plant eine Einzelausstellung mit ihr. Denis Fortin ist höchstpersönlich nach Three Pines gekommen, um sich ihre Arbeiten anzusehen.«
Schweigen.
Clara grub die Fingernägel in ihre Handflächen. Eine Bremse entdeckte die zarte blasse Haut hinter ihrem Ohr und stach zu.
»Wunderbar«, sagte Peters Mutter zu Clara. »Ich bin begeistert.«
Clara drehte sich überrascht zu ihrer Schwiegermutter um. Sie glaubte sich verhört zu haben. War sie in ihrem Urteil all die Jahre zu hart gewesen? Ungerecht gegenüber Peters Mutter?
»Meistens sind sie zu dick.«
Claras Lächeln begann zu verschwinden. Zu dick?
»Und nicht mit echter Mayonnaise. Aber Véronique hat sich wieder einmal selbst übertroffen. Hast du die Gurkensandwiches schon probiert, Claire? Sie sind wirklich ausgezeichnet.«
»Ja, sie sind echt toll«, stimmte Clara zu, als handele es sich um eine außergewöhnliche Delikatesse.
»Meinen Glückwunsch, Clara. Was für großartige Neuigkeiten.« Eine männliche Stimme, tief und freundlich und irgendwie vertraut. »Félicitations.«
Mit großen Schritten kam ein kräftiger Mann mittleren Alters und mit einem komischen Hut auf dem Kopf auf sie zu. Neben ihm ging eine elegante, kleine Frau, die zum Schutz vor der Sonne den gleichen Schlapphut trug wie er.
»Reine-Marie?« Clara sah sie ungläubig an. »Peter, ist das Reine-Marie?«
Peter starrte das Paar, das die Treppe heraufkam, mit offenem Mund an.
»Clara, das ist phantastisch«, sagte Reine-Marie und umarmte ihre Freundin. Joy von Jean Patou stieg Clara in die Nase und löste die gleiche Empfindung in ihr aus. Es kam ihr vor, als hätte man sie im letzten Moment aus den Klauen eines Folterknechts gerettet. Sie trat einen Schritt zurück und sah Reine-Marie Gamache prüfend an, um sicherzugehen. Nein, es gab keinen Zweifel, sie stand tatsächlich vor ihr und lächelte. Clara spürte die Blicke in ihrem Rücken, aber es war ihr egal. Jetzt spielte es keine Rolle mehr.
Dann küsste Armand sie auf beide Wangen und drückte ihren Arm. »Wir freuen uns sehr für Sie. Und für Denis Fortin.« Er blickte der Reihe nach in die versteinerten Mienen. »Fortin ist der führende Kunsthändler in Montréal, aber das wissen Sie wahrscheinlich. Besser kann man es nicht treffen.«
»Tatsächlich?« Peters Mutter schaffte es, gleichzeitig desinteressiert und missbilligend zu klingen. Als wäre Claras Erfolg etwas Ungehöriges. Auf jeden Fall war diese Zurschaustellung von Gefühlen, diese Begeisterung, ungehörig. Sie hatten hier ein Familientreffen, das dadurch rücksichtslos gestört wurde. Und, was vielleicht noch schlimmer war, es war ein unmissverständlicher Beweis dafür, dass Peter sich mit den Leuten aus den billigen Zimmern abgab. Es war die eine Sache, Bridge mit ihnen zu spielen, wenn man zusammen in einem fernab jeglicher Zivilisation gelegenen Hotel festsaß. Das fiel einfach unter gute Erziehung. Aber es war etwas ganz anderes, eigens ihre Gesellschaft zu suchen.
Gamache ging zu Peter und schüttelte ihm die Hand. »Hallo, Peter, schön, Sie zu sehen.«
Gamache lächelte, während Peter ihn anstarrte, als hätte er eine Geistererscheinung.
»Armand? Was in aller Welt machen Sie denn hier?«
»Na ja, das ist ein Hotel.« Gamache lachte. »Wir sind hier, um unseren Hochzeitstag zu feiern.«
»Gott sei Dank«, sagte Clara und trat zu Reine-Marie. Peter machte Anstalten, es ihr gleichzutun, als ihn ein leises Räuspern hinter ihm innehalten ließ.
»Wir können uns ja später noch unterhalten«, schlug Reine-Marie vor. »Sie wollen sicher erst einmal ein bisschen Zeit mit Ihrer reizenden Familie verbringen.« Sie umarmte Clara noch einmal rasch. Clara ließ sie nur widerstrebend wieder los, dann sah sie den Gamaches hinterher, wie sie hinunter zum See schlenderten. Plötzlich spürte sie, dass ihr der Schweiß über den Hals lief. Als sie ihn abwischen wollte, stellte sie erstaunt fest, dass sie Blut an den Fingern hatte.
6
Nach dem Mittagessen, das sich eine halbe Ewigkeit hin- zog, wollte sich Clara umgehend auf die Suche nach den Gamaches machen.
»Ich