Der Bergpfarrer Box 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Bergpfarrer Box 1 – Heimatroman - Toni Waidacher страница
Inhalt
Vronis Sehnsucht nach der Heimat
Wohin das Schicksal dich trägt
Vronis Sehnsucht nach der Heimat
Die Kirchturmspitze von St. Johann lag noch im Dunst des frühen Nebels, und die Menschen in dem idyllischen Bergdorf schliefen den Schlaf des Gerechten.
Nur ein Mann war in dieser Herrgottsfrühe schon unterwegs. Der sauber geharkte Kies knirschte unter den Schritten seiner Wanderstiefel, als er über den Weg zum Kirchenportal ging. Rechts und links wurde der Weg von einer niedrigen Buchsbaumhecke begrenzt, dahinter lag ein sorgfältig gemähter Rasen, der bis zu den Blumenrabatten vor der weißen Kirchenmauer reichte.
Der Mann schloß die Kirchentür auf und trat in das kühle Gotteshaus ein. Seinen Hut und den Rucksack, den er in der Hand getragen hatte, legte er am Eingang ab. Drinnen war es noch nicht richtig hell, lediglich ein paar Strahlen der eben aufgehenden Sonne warfen ihr Licht durch die hohen Fenster. Staubpartikel tanzten darin.
Der frühe Besucher in Wanderkleidung durchschritt das Kirchenschiff, kniete vor dem Altar und schlug das Kreuz. Einen Moment verharrte er im stummen Gebet, dann stand er auf und wandte sich der Sakristei zu, einem Raum, in dem alte Kirchenbücher aufbewahrt wurden, aber auch Meßgewänder, Kerzen und andere Dinge. Dort drinnen wurde der Gottesdienst vorbereitet.
Der Blick des Mannes fiel auf ein Gemälde, das unter dem Bogengang vor der Sakristei hing. Es hieß ›Gethsemane‹ und zeigte Christus, im Gebet versunken, am Abend vor der Kreuzigung. Nachdenklich blieb der Mann stehen – etwas war hier anders als sonst…
Die Madonna! durchfuhr es ihn siedendheiß. Neben dem Gemälde hatte eine Madonnenstatue ihren Platz. Es war das handgeschnitzte Kunstwerk eines unbekannten Meisters aus dem siebzehnten Jahrhundert. Vor einigen Jahren war die Skulptur von einem Experten begutachtet worden, der ihr einen nicht unbeträchtlichen Wert zubilligte.
Jetzt war diese Madonnenstatue verschwunden!
Dem Mann stockte der Atem, als er nähertrat. Holzspäne auf dem Steinboden zeugten davon, daß der oder die Täter die wertvolle Statue brutal von ihrem Sockel gesägt hatten. Er drehte den Kopf. Die Tür zur Sakristei war geöffnet. Von dort wehte ein kalter Luftzug. Der Mann schaltete das Licht ein und sah, daß die Scheibe des Fensters eingeschlagen war. Dahinter war der Friedhof, von dort mußten die Diebe eingedrungen sein.
*
Maximilian Trenker rekelte sich in seinem Bett. Wieder war das aufdringliche Klingeln des Telefons zu vernehmen. Mühsam rappelte der junge Mann sich auf. Er hatte sich also nicht verhört. Während er sich streckte und ausgiebig gähnte, ging er in das Dienstzimmer hinüber, das gleich neben seinem Schlafzimmer lag. Er nahm den Hörer ab und meldete sich.
»Polizeistation Sankt Johann, Trenker am Apparat.«
»Ich bin’s«, vernahm er die Stimme seines Bruders.
»Gütiger Himmel, weißt du, wie früh es ist?«
»Viertel nach vier«, antwortete Sebastian Trenker. »Max, du mußt sofort kommen. Jemand ist in die Kirche eingebrochen – die Madonna – sie ist gestohlen worden!«
Max Trenker war mit einem Schlag hellwach.
»Ich bin unterwegs«, rief er und warf den Hörer auf die Gabel.
Während der Polizeibeamte in seine Kleider schlüpfte, ging Sebastian Trenker in seinem Arbeitszimmer unruhig auf und ab. Die Madonna gestohlen! Nie hätte er es für möglich gehalten, daß solch ein Verbrechen in dem beschaulichen Bergdorf vorkommen könne – und doch war es geschehen.
Er unterbrach seine ruhelose Wanderung und schaute nachdenklich zu Boden. Dabei fiel sein Blick auf die Wanderschuhe, die er immer noch trug. Kopfschüttelnd setzte er sich und zog sie aus. Die Bergtour, die er für den heutigen Morgen geplant hatte, konnte er getrost vergessen. Daraus würde nun nichts mehr werden.
Schade! Pfarrer Trenker war ein begeisterter Bergwanderer und Kletterer. Niemand, der den Geistlichen nicht kannte, hätte geglaubt, daß dieser sportliche, braungebrannte Endvierziger Pfarrer ist. Auf den ersten Blick machte er den Eindruck eines agilen, durchtrainierten Touristen, und doch war es so. Eine unerklärliche Liebe zu den gewaltigen, schroffen und majestätischen Bergen trieb Sebastian Trenker immer wieder in schwindelnde Höhen. Dort oben, wo der Himmel zum Greifen nahe schien, dort war er seinem Herrgott noch näher, konnte er stumme Zwiesprache mit seinem Schöpfer halten. Und dort sammelte er neue Kraft für seinen schweren, aufopferungsvollen Beruf.
Pfarrer Trenker war der gute Hirte seiner Gemeinde, der für jeden und alles ein offenes Ohr hatte. Er wußte Rat und Hilfe in verzwickten, oft ausweglosen Lebenslagen. Er liebte seine Gemeinde, und seine Gemeinde liebte ihn.
Die Liebe zu den Bergen teilte er mit seinem Namensvetter, dem berühmten Bergsteiger, Schauspieler und Regisseur, Luis Trenker, und manchmal neckte ihn der eine oder andere Freund liebevoll mit diesem Vergleich, den Sebastian mit einem Schmunzeln abtat.
Wer nicht über seine Liebe zu den Bergen schmunzelte, war Sophie Tappert, Sebastians Haushälterin und Perle im Pfarrhaus.
Sie war eine herzensgute Frau, die in ständiger Sorge um ›ihren‹ Pfarrer lebte. Sie verstand er nicht nur Ordnung und Sauberkeit zu halten – ihre geradezu himmlischen Kochkünste verlockten dazu, mehr zu essen, als es der Linie guttat. Und würde Pfarrer Trenker sich nicht so viel sportlich betätigen und lieber in der gemütlichen Wohnstube des Pfarrhauses sitzen – er würde sich wohl alle paar Wochen eine neue Soutane zulegen müssen.
Und es gab noch einen, der von Frau Tapperts Kochkünsten provitierte – Sebastians Bruder, Max, oft und gerngesehener Gast in der Pfarrhausküche, wo er sich immer wieder gerne zum Essen einlud. Was man ihm aber net unbedingt ansah. Max war rank und schlank, und das gefiel so manchem Madel… – da half es auch nichts, daß sein Bruder so manches Mal warnend den Finger hob.
*
Mit untrüglichem Gespür dafür, daß etwas Schlimmes geschehen war, wachte Sophie Tappert auf. Zwar konnte sie nicht verstehen, was der Herr Pfarrer sagte, aber, daß er aufgeregt telefonierte, war nicht zu überhören. Die Haushälterin schaute auf die Uhr. Nicht einmal halb fünf – wenn der Pfarrer so früh noch im Haus war, dann stimmte etwas nicht. Normalerweise war er schon unterwegs in die Berge – sehr zum Leidwesen seiner Perle, die ihm mehr als einmal prophezeite, er würde dort oben verhungern, oder erfrieren oder noch Schlimmeres.
Inzwischen