Ausgewählte Tiergeschichten. Manfred Kyber

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Ausgewählte Tiergeschichten - Manfred Kyber

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dabei ist Affenfleisch ganz kommun.« Der kleine Makak war aber gar nicht arrogant, er hatte bloß schreckliche Angst, weil er gefressen werden sollte, und er dachte an Papa und Mama und an des Makaknachbars älteste Tochter, von deren lächelndem Mäulchen er den ersten Kuß bekommen, weil er ihr galant und ritterlich das zarte Fell abgesucht hatte. Und bei solchen Gedanken ist das ganz gleich, ob es ein großer Mensch ist oder eine kleine, zitternde Affenseele – und bei vielem anderen übrigens auch. Aber es gibt etwas auf der Welt, das sich dazwischen armer, geängstigter Geschöpfe erbarmt, und es erbarmte sich auch des kleinen Äffchens. Grad als der Makak zum zweiten Dattelblatt griff und hineinheulte, war ihm, als umschlänge ihn ein Affenschwanz, und eine Stimme flüsterte ihm einen Gedanken zu – es konnte Mama oder Papa sein oder des Nachbars Älteste. Der Gedanke war so schön, daß der kleine Makak sofort aufhörte zu heulen, sein Fell legte sich wieder, und sein Frätzchen nahm den Ausdruck unsagbarer Heiterkeit an, der Heiterkeit, die so besonders hübsch ist, wenn sie ein häßliches Gesicht verklärt.

      »Pst, Sie«, äffte der kleine Makak das Krokodil nach und warf ihm Dattelkerne auf den Kopf. »Sind Sie denn auch patentiert?«

      Wie viele sind so! Kaum geht's ihnen gut, so schmeißen sie mit Dattelkernen. Das ist menschlich, und die Affen haben ja so etwas Menschliches.

      »Wieso patentiert?« fragte das Krokodil mißtrauisch, »ich will Sie fressen, und das werde ich auch tun.«

      Das Äffchen kreuzte die langen Arme über der Brust und sah überlegen auf das Krokodil herab. »Alle anständigen Leute in der Wüste werden jetzt patentiert«, sagte es, »sonst ist man nicht fair. Aber man muß was haben, was andere nicht haben.«

      Dich will ich bald haben, dachte das Krokodil ärgerlich; aber die Sache ging ihm im Kopf herum, denn es wollte gern fair sein. Da ein Krokodilgehirn nicht groß ist – je größer das Maul, um so kleiner das Gehirn –, war seine Denkkraft bald erschöpft. »Wo kann man denn patentiert werden?« fragte es. »Beim Wüstenpatentkomitee. Das ist ein Büro.« Das Krokodil besann sich. »Wie komme ich da am besten hin?« erkundigte es sich, »vorausgesetzt, daß es nicht weit ist und daß Sie hier warten. Darauf muß ich mich verlassen können.«

      »Sicher«, sagte das Äffchen und rieb sich die Hände vor Vergnügen, »das Büro ist, wie alle Büros, in der Wüste. Guten Erfolg, hoffentlich reüssieren Sie!«

      Das Krokodil krabbelte ans Ufer und trottete langsam in die Wüste hinein. Nach einer Weile kam es an eine Bretterbude, da dachte das Krokodil: Aha. Wie viele haben schon »Aha« gedacht, aber es war nichts dahinter. Diesmal aber war es doch richtig, denn auf der Bude stand in großen Lettern: Wüstenpatentkomitee GmbH (Gesellschaft mit besondrer Hinterpfote). Eben verließ das Rhinozeros mit freundlichem Kopfnicken das Lokal, und das Krokodil trat ein und stand vor dem Komitee.

      Das Komitee bestand aus dem Kamel, dem Marabu und dem Panther. Das Kamel hatte die Akten zu führen und sonstige Schreiberdienste zu verrichten, es ließ mit subalterner Miene die Unterlippe hängen und trug das allgemeine Wüstenehrenzeichen um den Hals, eine kleine Tretmühle in den Landesfarben. Der Marabu hatte keine Haare auf dem Kopf und war juristischer Beirat, und der Panther als Vertreter der Behörde saß an einem Tisch und manikürte seine Pfoten. Als das Krokodil sah, daß das ganze Komitee eßbar war, klappte es vor Appetit mit den Kinnbacken. »Hören Sie doch auf zu klappen!« schrie der Panther gereizt, »macht einen ja nervös!«

      Das Krokodil ärgerte sich, aber es wollte gern ein Patent haben, und so legte es bescheiden und leise die obere Kinnlade auf die untere.

      »Was wünschen Sie?« fragte das Kamel und schob die subalterne Unterlippe nach oben.

      »Ich will patentiert werden.«

      »Und woraufhin?«

      »Das ist mir ganz egal. Auf meinen Appetit.«

      »Lachhaft«, murmelte der Panther,«haben ja alle.«

      »Dann auf mein großes Maul«, sagte das Krokodil eingeschüchtert und sperrte den Rachen empfehlend auf. »Ihr pp. Maul ist recht groß, wie wir es hier in loco sehen«, meinte der Marabu als juristischer Beirat, »aber damit stehen Sie nicht allein da. Die meisten Menschen haben ein viel größeres.«

      Das Krokodil weinte zwei von den bekannten Krokodilstränen und glotzte ratlos und dösig auf das eßbare Komitee. Schließlich wurde es aber böse und schlug den Schuppenschwanz erregt hin und her. »Ich will aber patentiert werden!« schnappte es asthmatisch vor Ärger.

      »Ruhe! Sonst werden Sie rausgeschmissen!« brüllte der Panther und schlug mit der Pfote auf den Tisch.

      »Jawohl, Ruhe!« blökte das Kamel und ließ die subalterne Unterlippe devot hängen, indem es diensteifrig nach dem Panther schielte.

      »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf«, kakelte der Marabu höflich und beschwichtigend, »so würde ich Ihr Gebiß patentieren lassen. Soweit ich es übersehen konnte, als Sie Ihr wertes Maul öffneten, ist es von achtbaren Dimensionen und jedenfalls einzig in seiner Art. Es ließe sich als Fleischhackmaschine registrieren.«

      »Also dalli«, sagte der Panther, zum Kamel gewandt, und strich sich die Schnauze, »lesen Sie das Register vor!« Das Kamel las eintönig, mit blökender Stimme, da es der Meinung war, es käme einem Unterbeamten nicht zu, ein Wort eigenmächtig besonders zu betonen. »Patent Nr. 1. Der Brillenschlange für eine Brillenzeichnung auf dem Kopfe. Abteilung optische Geräte. Patent Nr. 2. Dem Känguruh für eine Beuteltasche auf dem Magen. Abteilung Galanteriewaren. Patent Nr.3. Dem Rhinozeros für ein Horn auf der Nase. Abteilung Bijouterie.« »Sie können nun zwischen einem englischen und einem deutschen Patent wählen«, wandte sich der Marabu an das Krokodil, »auf dem englischen steht darauf 'made in Germany' und auf dem deutschen ›façon de Paris‹.« »Welches ist denn besser?« fragte das Krokodil mißtrauisch. »Das ist lediglich Geschmackssache«, sagte der Marabu, »das Känguruh zum Beispiel wählte das englische Patent mit Rücksicht auf die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse Australiens, während das Rhinozeros, das nur auf Schick etwas gibt, sich ohne Besinnen für façon de Paris entschieden hat.«

      »Ich will aber beide haben«, sagte das Krokodil.

      »Das geht nicht«, meinte der Marabu und zuckte bedauernd die Flügel, »aber ich würde Ihnen, da es sich um eine Fleischhackmaschine handelt, zum englischen Patent raten ...« »Also Schluß!« brüllte der Panther, »schreiben Sie: Patent Nr. 4. Dem Krokodil für eine Fleischhackmaschine – im Maul – äh – Abteilung Küchengeräte. Guten Morgen!« Mit diesen Worten stand der Panther auf, nahm den Schwanz vorschriftsmäßig über die Pfoten und verließ schnurrend das Lokal; die Bürostunden waren zu Ende.

      Das Kamel fertigte das Diplom aus, und der Marabu übergab es dem Krokodil mit einigen ermahnenden Worten. »Seien Sie recht vorsichtig«, sagte er, »Diplome sind etwas rein Dekoratives, sie sind auf sogenanntem autosuggestivem Wege aus dem überaus zähen und gänzlich unverdaulichen Stoff der Tradition hergestellt – ein übrigens internationales Verfahren –, also verschlucken Sie es ja nicht! Ich empfehle mich Ihnen.« Und der juristische Beirat frühstückte einen langen Wurm, den ihm seine Frau in Butterbrotpapier eingewickelt hatte. Marabus lebten in der Nähe einer europäischen Niederlassung und waren schwer kultiviert. Daher das Butterbrotpapier und die juristischen Kenntnisse.

      Als das Krokodil den juristischen Beirat frühstücken sah, wurde ihm ganz schwach. Es nahm behutsam sein Diplom zwischen die Zähne und trottete eiligst ab, dem Flußufer zu, um den kleinen Makak zu fressen. Aber das Äffchen war nicht mehr da.

      Wie unzuverlässig doch heutzutage die Leute sind! dachte das Krokodil, kein Wunder, daß man das Alte und Gute patentiert. Und es blies sich

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