Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn

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Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane - Felix Dahn

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      Und nimm dir ein Bündel duftigen Bergheus vom Iffinger-Hang mit und lege nachts den Kopf darauf, so wirst du besser schlafen.

      Und hast du nun Rom gefunden und das goldene Haus des Königs darin, und trittst du ein in seinen Saal, so siehe, welcher der Männer einen goldnen Reif um die Stirne trägt und von wessen Brauen es milde niederglänzt wie Morgenlicht von den Berghöhen: – der ist dann König Totila.

      Und dann beuge das Haupt vor ihm, – aber nur ein wenig, und nicht die Knie: denn du bist eines freien Goten freies Kind. Und dann übergibst du dem König diese Rolle, die ich hier seit vielen Sommern getreulich verwahrt: – sie ist von Oheim Wargs, den der Berg begraben hat.»

      Und der Alte hob einen Ziegel aus dem steinernen Unterbau, der den Herdsockel mit dem hart gestampften Erdboden verband, und holte aus dem dunkeln Raum eine Papyrusrolle hervor, die, sorgfältig verschnürt und versiegelt, in ein gleichfalls beschriebenes und mit seltsamen Siegeln darüber gefestigtes Pergament geschlagen war.

      «Hier», sagte er, «dies Geschreibsel wahre gut. Dies Äußere, was da auf der Eselhaut steht, das hab’ ich dem langen Hermegisel drüben in Majä, der schreiben kann, vorgesprochen, zu schreiben. Er hat mir geschworen, davon zu schweigen, und er hat’s gehalten. Nun kann er gar nicht mehr reden unter dem Kirchengang hervor, wo sie ihn begraben.

      Du aber und Hunibad – ihr könnt nicht lesen. Und das ist gut. Denn gefährlich könnt’ es werden für dich und – einen andern, wenn früher, bevor der milde und gerechte König Totila davon erfährt, die Leute erführen, was die Rolle da weiß. Zumal vor den Welschen birg die Rolle. Und frage in jeder Stadt, wo du einziehst, ob sie berge Cornelius Cethegus Cäsarius, den Präfekten von Rom.

      Und sagen die Torwächter ja, – dann wende dich auf dem Absatz und, wie müde du bist und so spät schon die Nachtstunde oder so glühheiß der Mittag, – wandre davon, bis du drei Wasser zwischen dir hast und dem Mann Cethegus.

      Und nicht minder als dies Geschreibsel – du siehst, ich drückte statt des Siegels Baumharz darauf, wie es aus den Tannen träuft, und unsre Hausmarke ritzt’ ich drein, wie sie unser Vieh und unsre Fahrnis trägt – nicht minder wahre dies alte, teure Gold.»

      Und er langte aus dem Hohlraum die Hälfte eines breiten Goldreifs, wie sie die Gotenhelden um die nackten Arme trugen. Ehrfurchtsvoll küßte er das Gold und die unvollständige Runenschrift darauf. «Das stammt noch von Theoderich, dem großen König, und von ihm – meinem teuren – Sohne Wargs. Merke: – das gehört Adalgoth. Und ist sein allerbestes Erbe. Die andre Hälfte des Ringes – und des Spruches darauf – hab’ ich dem Knaben mitgegeben, da ich ihn fortgesandt. Und hat der König das Geschreibsel gelesen, und ist Adalgoth in der Nähe, – wie er sein muß, wenn er meine Gebote befolgt – dann rufe, Adalgoth herbei, und füget Halbring an Halbring und heischet des Königs Spruch.

      Er soll klug und klar und mild und alldurchschauend sein, wie der Sonnenschein. Er wird den rechten Spruch finden. Findet er ihn nicht, dann findet ihn keiner. Nun lege mir noch einen Kuß auf jedes meiner sehemüden Augen. Und nun gehe bald zum Frühschlaf. Und der Himmelsfürst und alle seine lichten Augen, Sonne, Mond und Sterne, mögen schauen auf deinen Weg.

      Und hast du Adalgoth gefunden, und lebst du mit ihm in den kleinen Gemächern der dumpfen Häuser, in den engen Städtestraßen, und wird es euch dort unten zu klein und zu dumpf und zu eng, – dann denkt an eure Kindertage hier auf dem hohen Iffing. Und es wird euch anwehn wie frische Bergluft.»

      Schweigend, ohne Widerrede, ohne Furcht, ohne Frage hörte und gehorchte das Hirtenkind. «Fahr wohl, Großvater!» sagte sie, ihn auf die Augen küssend. «Dank für viel Lieb’ und Treue.»

      Aber sie weinte nicht. Sie wußte nicht, was Sterben ist.

      Und sie trat von ihm weg auf die Schwelle des Sennhauses: und sie blickte hinaus in die nun tiefernst gewordne Berglandschaft. Klar war der Himmel, die Gipfel der Berge ringsum glänzten im Mondlicht. «Lebt wohl», sprach sie, «du Iffinger und du, Wolfshaupt! Und du, alter Riesenkopf! Und du da drunten, hell aufschimmernde Passara! Wißt ihr’s schon? Morgen gehe ich von euch allen. Aber ich gehe gern. Denn ich gehe zu ihm!»

      Fünftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Und nach vielen Wochen kamen Cassiodor und Julius zurück von Byzanz und brachten – keinen Frieden.

      Cassiodor ging sogleich nach der Landung zu Brundisium, welt-und wegemüde, in sein apulisch Kloster, Julius allein die Berichterstattung an den König in Rom überlassend. Totila empfing ihn auf dem Kapitol, im Beisein der ersten Heerführer.

      «Anfangs», erzählte dieser, «waren die Aussichten günstig genug. Der Kaiser, der früher gotische Gesandte von Witichis gar nicht vor sein Angesicht gelassen, konnte dem größten Gelehrten des Abendlandes, konnte Cassiodors Weisheit, Frömmigkeit und Milde seinen Palast nicht verschließen. Wir wurden ehrenvoll und freundlich empfangen. Gewichtige Stimmen, so Tribonianus und Prokopius, sprachen für den Frieden im Rate des Imperators, der selbst dazu geneigt schien.

      Seine beiden großen Feldherrn, Narses und Belisar, beschäftigten zugleich an verschiedenen Punkten der stets bedrohten Ostgrenze des Reichs die Kämpfe mit Persern und mit Sarazenen. Die Unternehmungen in Italien und Dalmatien aber hatten so große Opfer gekostet, und so lange Zeit gewährt, daß dem Kaiser der Gotenkrieg verleidet war.

      Zwar gab er den Gedanken der Wiedergewinnung Italiens wohl schwerlich ganz auf. Aber er erkannte die Unmöglichkeit der Durchführung für die nächste Zukunft. Er ging daher gern auf die Friedensverhandlungen ein und nahm unsere Vorschläge zur Erwägung entgegen: ihm schwebte zunächst freilich noch, wie er uns sagte, eine vorläufige Teilung der Halbinsel bis an den Padus vor: das weitaus größte Stück des Landes im Süden dieses Flusses sollte dem Kaiser, das Gebiet im Norden den Goten zufallen.

      Mit guten Aussichten hatten wir eines Mittags den Kaiser und den Palast verlassen. Die Audienz war günstiger ausgefallen als alle früheren. Aber am Abend des gleichen Tages wurden wir überrascht durch den Curopalata Marcellus, der uns von den Palastsklaven die üblichen Abschiedsgeschenke überreichen ließ: – das unverkennbare Zeichen des Abbruchs der Verhandlungen.

      Bestürzt über diese plötzliche Wendung», fuhr Julius in seinem Bericht fort, «beschloß Cassiodor gleichwohl, um des Friedenswerkes willen, das Äußerste zu wagen: nämlich, nach Überreichung der Abschiedsgeschenke, nochmal Gehör bei dem Kaiser zu suchen. Der hochangesehene Tribonianus, von jeher ein Gegner dieses Kriegs und Cassiodors verehrungsvoller Freund, ließ sich bewegen, für uns um diese unerhörte Gnade nachzusuchen.

      Die Antwort war die höchst ungnädige Drohung der Verbannung, wenn er noch einmal gegen den klar angedeuteten kaiserlichen Willen etwas erbitten werde. Nie, niemals werde der Kaiser mit den Barbaren Frieden schließen, bis sie nicht jede Scholle des Reiches verlassen. Nie werde er die Goten in Italien anders denn als Feinde betrachten.

      Vergebens bemühten wir uns», schloß Julius seine Erzählung, «eine Ursache des plötzlichen Umschwungs zu entdecken. Nur das erfuhren wir, daß nach unserer Mittags-Audienz die Kaiserin, die jetzt vielfach leidend sein soll, ihren Gemahl zur Tafel in ihre Gemächer geladen. Aber es steht fest, daß die Kaiserin, früher bekanntlich die eifrigste Schürerin des Krieges, seit geraumer Zeit nicht mehr für den Kampf, sondern für den Frieden sprach.»

      «Und was», fragte der König, der ernst, aber eher drohend als besorgt, der Erzählung

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