Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 210
»Mein Canadavater vergißt seine Kinder nicht,« sagte der Häuptling, »ich danke ihm. Ein böser Geist lebt in der Frau eines meiner jungen Männer. Kann der kundige Fremde ihn hinwegschrecken?«
Heyward besaß einige Kenntniß von den Gaukeleien, die unter den Indianern gegen vermeintliches Besessenseyn im Schwange waren. Er sah mit einem Blicke, daß dieser Umstand vielleicht für seine eigenen Zwecke ausgebeutet werden könne, und es hätte ihm daher eben jetzt Wohl nicht leicht ein erwünschterer Vorschlag gemacht werden können. Da er aber von der Nothwendigkeit überzeugt war, die Würde seines vorgeblichen Charakters zu bewahren, so unterdrückte er seine Gefühle und antwortete in einem entsprechend geheimnißvollen Tone: »Der Geister sind verschiedene: die einen weichen der Macht der Weisheit, die andern sind zu mächtig für sie.«
»Mein Bruder ist ein großer Arzt,« sprach der schlaue Wilde, »will er es versuchen?«
Eine Geberde der Zustimmung war die Antwort. Der Hurone war mit der Zusage zufrieden, nahm seine Pfeife wieder auf und wartete auf einen schicklichen Augenblick zum Aufbruch. Der ungeduldige Heyward verwünschte innerlich die ruhige Sitte der Wilden, die dem Scheine so viel Opfer brachte, nahm aber klüglich dieselbe Gleichgültigkeit, wie der Häuptling an, der wirklich ein naher Verwandter der gequälten Frau war. Minute um Minute schwand, und der Aufschub dünkte den angehenden Charlatan stundenlang, da setzte endlich der Hurone seine Pfeife bei Seite und zog seinen Mantel über die Brust, als sey er im Begriff, ihn nach der Wohnung der Kranken zu führen. In diesem Augenblicke aber verdunkelte die mächtige Gestalt eines Kriegers das Licht des Thorwegs, und setzte sich, stillschweigend durch die aufmerksame Gruppe hinschreitend, auf das andere Ende des niederen Haufens Gestrüpp, welcher Duncan trug. Dieser warf einen ungeduldigen Blick auf seinen Nachbar, und ein unwillkürlicher Schauder überlief ihn, als er sich in so unmittelbarer Berührung mit Magua fand.
Die plötzliche Rückkehr dieses arglistigen und gefürchteten Häuptlings ließ den Huronen seinen Weg aufschieben. Mehrere Pfeifen, die bereits ausgelöscht waren, wurden wieder angezündet, während der neue Ankömmling, ohne ein Wort zu sprechen, seinen Tomahawk aus dem Gürtel zog, den Kopf an dem oberen Ende desselben füllte und die Dünste des Krautes durch den hohlen Schaft mit einer Gleichgültigkeit einsog, als wäre er nicht zwei ermüdende Tage auf einer langen und anstrengenden Jagd ausgewesen. Zehn Minuten, welche Duncan eben so viele Menschenalter schienen, mochten auf diese Weise verflossen seyn, und sämmtliche Krieger waren in eine weiße Rauchwolke eingehüllt, ehe einer von ihnen sprach.
»Willkommen!« rief endlich einer, »hat mein Freund das Mußthier gefunden?«
»Die jungen Krieger schwanken unter ihren Lasten,« versetzte Magua, »das schwankende Rohr gehe auf den Jagdpfad; er wird sie treffen.«
Eine tiefe, feierliche Stille folgte dem Klange des verbotenen Namens. Die Pfeife fiel aus jedes Mund, als ob Alle im nämlichen Augenblicke etwas Unreines eingesogen hätten. Der Rauch wirbelte in kleinen Säulen über ihre Köpfe empor und zog sich schneckenförmig und schnell durch die Oeffnung am Dache der Hütte, den Platz unter sich von seinem Dunste reinigend, so daß die dunkeln Gesichter zumal wieder deutlich sichtbar wurden. Die Blicke der meisten Krieger waren auf die Erde geheftet, und nur wenige Jüngere, minder Begabte in der Versammlung ließen ihre wilden, blitzenden Augäpfel auf einen Greis mit weißen Haaren rollen, der zwischen zwei der geehrtesten Häuptlinge des Stammes saß. Es lag übrigens nichts in dem Aeußern und dem Anzug dieses Indianers, das ihn zu solcher Auszeichnung hätte berechtigen können. Seine Miene drückte eher Niedergeschlagenheit aus, als daß sie sich durch die den Eingebornen eigene Haltung bemerklich machte, und seine Kleidung war die gewöhnliche eines Indianers der niederen Klassen. Wie bei den Meisten um ihn her, war auch sein Blick eine Weile zur Erde gerichtet; als er aber endlich einmal seine Augen verstohlen bei Seite sehen ließ und gewahrte, daß er der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden war, stand er auf und erhob mitten in der allgemeinen Stille seine Stimme: »Es war eine Lüge,« sprach er, »ich hatte keinen Sohn. Er, der mit diesem Namen genannt wurde, ist vergessen; sein Blut war blaß, und kam nicht aus den Adern eines Huronen; die verruchten Chippewas hatten mein Weib bethört. Der große Geist hat gesagt: Wiß-en-tush’s Geschlecht soll enden – Glücklich der, welcher weiß, daß das Verderben in seinem Geschlecht mit ihm stirbt! Ich habe gesprochen.«
Der Redner, dessen Sohn der feigherzige junge Indianer gewesen war, blickte umher, als wollte er in den Augen der Zuhörer Beifall über seinen Stoicismus lesen. Aber die strengen Sitten seines Volkes hatten dem alten schwachen Manne eine zu harte Probe auferlegt, der Ausdruck seines Auges widersprach seinen bilderreichen, ruhmredigen Worten, während jede Muskel seines mit Runzeln bedeckten Gesichtes vor innerer Qual zuckte. Er blieb noch einen Augenblick stehen, um seinen bittern Triumph zu genießen und wandte sich dann ab, als schauderte er bei dem Anblick der Menschen, verhüllte das Gesicht mit seiner Decke und entfernte sich mit dem geräuschlosen Tritte eines Indianers, um in der Abgeschiedenheit seiner eigenen Hütte die Theilnahme einer Gefährtin zu suchen, alt, kummervoll und kinderlos wie er.
Die Indianer, welche an eine Vererbung der Tugenden und Fehler des Charakters glauben, ließen ihn stillschweigend hinausgehen.
Als er sich entfernt hatte, zog einer der Häuptlinge, getrieben von einer zarten Rücksicht, die manche gebildetere Kreise der Gesellschaft anstreben dürften, die Aufmerksamkeit der jungen Krieger von der Schwäche ab, von der sie so eben noch Zeugen gewesen waren, und wandte sich in freundlichem Tone an Magua, den letzten Ankömmling.
»Die Delawaren sind um mein Dorf geschlichen, wie die Bären nach den Honigkörben. Aber wer hat einen Huronen je schlafend gefunden?«
Die finstere drohende Gewitterwolke, die dem Donnerschlage vorangeht, ist nicht schwärzer, denn Magua’s Braue war, als er rief:
»Die Delawaren von den Seen!«
»Nicht doch. Die, welche Weiberröcke an ihrem eignen Flusse tragen. Einer von ihnen ist durch den Stamm gegangen.«
»Haben meine jungen Krieger seinen Skalp genommen? –«
»Seine Beine waren gut, obgleich sein Arm besser für die Hacke als für den Tomahawk taugt,« erwiederte der Andere, auf die unbewegliche Gestalt des Mohikaners deutend.
Statt mit weibischer Neugierde seine Augen an dem Anblick eines Gefangenen zu weiden, dessen Volk er mit so vielem Grund haßte, rauchte Magua mit der nachdenklichen Miene fort, die ihm eigen war, wenn seine Arglist oder Beredsamkeit nicht unmittelbar in Anspruch genommen wurde. Obgleich über die in der Rede des alten Vaters kundgewordenen Thatsachen insgeheim verwundert, erlaubte er sich doch keine Frage, jede weitere Ausforschung auf eine schicklichere Zeit aufsparend. Erst nach einer geraumen Weile schüttete er die Asche aus seiner Pfeife, nahm den Tomahawk wieder zu sich, zog den Gürtel fester an und stand auf, zum ersten Mal einen Blick auf den Gefangenen werfend, der etwas hinter ihm stand. Der aufmerksame, obgleich scheinbar in Gedanken vertiefte Uncas bemerkte diese Bewegung, wandte sich plötzlich dem Lichte zu und ihre Blicke begegneten sich. Fast eine Minute standen diese kühnen, unbeugsamen Geister einander gegenüber, sich fest in das Auge schauend, und keiner schlug den Blick vor dem stolzen