Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Als der Häuptling, welcher sich Duncans Hülfe erbeten, seine Pfeife zu Ende geraucht hatte, machte er eine letzte und ungehinderte Bewegung zum Aufbruch. Ein Wink mit dem Finger war für den vermeintlichen Arzt das Zeichen, zu folgen; und während Duncan durch die Rauchwolken schritt, war er in mehr als einer Hinsicht froh, bald die reine Luft eines kühlen und erfrischenden Sommerabends wieder athmen zu dürfen.
Statt den Weg nach den Hütten zu nehmen, wo Heyward bereits seine erfolglose Nachsuchung angestellt hatte, wandte sich sein Begleiter seitwärts und schritt gerade auf die Ansteigung eines nahen Berges zu, der über den zeitigen Wohnsitz der Huronen ragte. Ein Dickicht von Unterholz umgab seinen Fuß und ein schmaler, geschlängelter Pfad lag gerade vor ihnen. Die Knaben hatten ihre Spiele in der Lichtung wieder begonnen und gaben eben unter sich eine mimische Vorstellung von der Jagd nach dem Kriegspfosten. Um ihre Spiele der Wirklichkeit so nahe als möglich zu bringen, hatte einer der kecksten einige Feuerbrände in Bündel von abgehauenen Baumwipfeln geworfen, die bis jetzt der Flamme entgangen waren. Der Schein eines dieser Feuer leuchtete dem Häuptling und Duncan auf ihrem Wege und erhöhte noch den wilden Charakter der rauhen Landschaft. In geringer Entfernung von einem kahlen Felsen und gerade vor demselben kamen sie an eine Grasfläche, die sie eben durchschreiten wollten. In diesem Augenblick erhielt das Feuer neue Nahrung, und das Licht der mächtigen Flamme drang selbst bis zu jener entfernten Stelle. Es fiel auf die weiße Oberfläche des Berges und warf sich auf ein dunkles, geheimnißnißvoll aussehendes Wesen zurück, das sich unerwartet auf ihrem Wege erhob.
Der Indianer zögerte, als sey er unschlüssig, ob er weiter gehen sollte, und ließ seinen Begleiter zu sich heran kommen. Ein großer schwarzer Knäuel, der Anfangs stille zu liegen schien, begann sich jetzt auf eine für Duncan unerklärliche Weise zu bewegen. Das Feuer flammte von Neuem auf, und sein Schein fiel deutlicher auf den Gegenstand. Jetzt erkannte selbst Duncan das Thier an der unruhigen und schwankenden Stellung, die den obern Theil seiner Gestalt in beständiger Bewegung erhielt, während das Ganze zu sitzen schien – für einen Bären. Obgleich er laut und wild brummte, und von Zeit zu Zeit seine feurigen Augäpfel sichtbar wurden, gab er doch kein Zeichen von Feindseligkeit. Der Hurone wenigstens schien von den friedlichen Absichten des seltsamen Eindringlings überzeugt, denn er verfolgte nach einer aufmerksamen Betrachtung ruhig seinen Weg.
Duncan, welcher wußte, daß dieses Thier unter den Indianern oft als Hausthier gefunden wird, folgte dem Beispiel seines Begleiters, in der Meinung, ein Lieblingsbär des Stammes habe, auf Futter ausgehend, seinen Weg in das Dickicht gefunden, und sie kamen unangefochten vorbei. Obgleich genöthigt, mit dem Ungeheuer in nahe Berührung zu kommen, schritt der Hurone, der anfänglich über diesen seltsamen Gast sich so vorsichtig zu beruhigen gesucht hatte, nun ohne einen Augenblick weiteren Forschens voran, aber Heyward konnte nicht umhin, sich nochmals umzusehen, in wachsamer Hut gegen Angriffe von hinten. Seine Unruhe verminderte sich in keiner Weise, als er bemerkte, wie das Thier den Weg entlang rollte und ihnen auf dem Fuße folgte. Er wollte eben sprechen, als der Indianer in diesem Augenblick eine Thür von Rinde bei Seite schob und in eine Höhle im Innern des Berges trat.
Zufrieden, sich einen so leichten Rückzug gesichert zu sehen, folgte ihm Duncan auf dem Fuße und wollte die leichte Thüre der Oeffnung hastig hinter sich schließen, als er sie seiner Hand durch das Thier entrissen fühlte, dessen zottige Gestalt unverweilt den Eingang verdunkelte. Sie befanden sich jetzt in dem engen und langen Gang einer Felsenspalte, wo jede Umkehr, ohne auf das Thier zu stoßen, unmöglich war. In dieser Noth das Beste wählend, eilte der junge Mann vorwärts, sich möglichst nahe an seinen Führer haltend. Der Bär brummte häufig dicht auf seinen Fersen, und ein-oder zweimal legten sich ihm seine ungeheuren Tatzen auf den Rücken, als wollte er ein weiteres Vordringen in die Höhle hindern.
Wie lange Heyward’s Nerven in dieser so außerordentlichen Lage ausgehalten haben würden, läßt sich schwer entscheiden, denn glücklicherweise wurde er bald erlöst. Ein Lichtschimmer war beständig vor ihnen gewesen, und sie befanden sich jetzt an der Stelle, von welcher er ausging.
Die geräumige Höhlung des Felsens war auf eine rohe Weise zum Dienste verschiedener Gemächer eingerichtet worden. Die Unterabtheilungen waren einfach, aber sinnreich aus Stein, Aesten und Rinde in buntem Gemisch aufgeführt. Oeffnungen von oben ließen das Tageslicht herein, und bei Nacht vertraten Feuer und Fackeln die Stelle der Sonne. Hierher hatten die Huronen ihre meisten Besitzthümer von Werth gebracht, besonders diejenigen, welche Gemeingut des Stammes waren; und hierher, wie sich jetzt zeigte, war auch die kranke Frau, die man für ein Opfer übernatürlicher Mächte hielt, geschafft worden, in dem unbewußten Eindrucke, ihrem Quälgeiste werde es schwerer fallen, mit seinem Angriffe durch die Steinwände, als durch die Laubdächer der Hütten zu dringen. Das Gemach, in welches Duncan mit seinem Führer zuerst eintrat, war ausschließlich der Bequemlichkeit der Kranken gewidmet. Er näherte sich ihrem Lager, das von Weibern umgeben war, in deren Mitte Heyward zu seiner Ueberraschung den vermißten Freund David entdeckte.
Ein einziger Blick überzeugte den vorgeblichen Arzt, daß die Kranke der Hülfe der Heilkunst bereits entrückt sey. Sie lag in einer Art Lähmung, gleichgültig gegen ihre ganze Umgebung, und schien zum Glücke ihre Leiden nicht zu empfinden. Heyward war es keineswegs unlieb, daß er seine Gaukeleien an einem Wesen üben sollte, das sich viel zu schlecht befand, um an ihrem Erfolg oder Mißlingen noch Interesse zu nehmen. Der leichte Gewissensskrupel, den sein vorgehabter Betrug in ihm erregt hatte, war alsbald beschwichtigt, und er begann eben seine Gedanken zu sammeln, um seine Rolle mit gebührendem Nachdruck zu spielen, als er fand, daß ein Anderer seiner Geschicklichkeit zuvorkommen und die Gewalt der Musik erproben wollte.
Gamut, der bereit gewesen war, seinen Geist zu einem Gesang zu erheben, als die neuen Ankömmlinge eintraten, zog nach augenblicklichem Aufschub einen Ton aus seiner Pfeife und begann eine Hymne, die Wunder gewirkt haben würde, wenn der feste Glaube an ihre Wirksamkeit hier von Belang hätte seyn können. Man ließ ihn zu Ende singen, da die Indianer seine vermeintliche Geistesschwäche schonten, und dem jungen Soldaten der Verzug zu gelegen kam, um die geringste Unterbrechung zu wagen. Die letzte hinsterbende Cadenz klang eben in Duncan’s Ohren, da fuhr er erschreckt bei Seite, denn er hörte dieselben Strophen hinter sich mit einer Stimme wiederholen, die, nur halb menschlich, wie aus einem Grabe herauftönte. Er sah um sich und erblickte das zottige Unthier in einem schattigen Winkel der Höhle, auf den Hinterbeinen sitzend, wo es seinen Leib in der unruhigen Weise dieser Thiere rastlos hin und her wiegte, und mit dumpfem Brummen Laute, wo nicht Worte wiederholte, die mit der Melodie des Sängers eine entfernte Ähnlichkeit hatten.
Die Wirkung eines so unerwarteten Echo’s auf David läßt sich leichter denken als beschreiben. Er öffnete die Augen weit, als ob er an ihrer Wirklichkeit zweifelte, und seine Stimme verstummte augenblicklich vor Erstaunen. Ein tief durchdachter Plan, Heyward wichtige Mittheilungen zu machen, ward aus seinem Gedächtniß durch ein Gefühl vertrieben, das so ziemlich der Furcht glich, von ihm aber gerne für Bewunderung gehalten wurde. Unter solchen Einflüssen rief er laut: »Sie erwartet Euch! – sie ist in der Nähe!« und rannte eilig zur Höhle hinaus.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.