Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Elisabeth zügelte ihr Roß und sah, zwar unruhig, aber ohne die Ursache der Gefahr zu ahnen, auf, indem sie auf die krachenden Töne horchte, welche die Stille des Waldes unterbrachen. Aber im nächsten Augenblick ergriff der Richter den Zügel ihres Pferdes und rief:
»Gott beschütze mein Kind!«
Sie fühlte sich fortgerissen von der kräftigen Gewalt seines Armes.
Alle bückten sich gegen die Sattelknöpfe vor, als dem Rauschen der Zweige ein Ton, ähnlich dem Sausen des Windes, folgte. Dann vernahm man ein donnerndes Getöse und verspürte eine Erschütterung, unter der die Erde erbebte; denn eine der edelsten Ruinen des Urwaldes war gerade über ihren Weg gefallen.
Ein Blick war hinreichend, um den Richter Temple zu überzeugen, daß seine Tochter und alle seine Vordermänner in Sicherheit waren; nun sah er in wahrer Todesangst zurück, um das Schicksal der übrigen zu erfahren. Der junge Edwards befand sich auf der andern Seite des Baumes: er hatte sich so weit wie möglich im Sattel zurückgelehnt, und seine linke Hand hielt gewaltsam den Zügel, während seine Rechte den von Miss Grants Tier gefaßt hatte, so daß dessen Kopf ganz gegen den Leib hinuntergezerrt war. Beide Pferde zitterten vor Schrecken und schnaubten furchtbar. Luise selbst hatte die Riemen losgelassen und saß, die Hände vor das Gesicht gedrückt und gegen den Sattel vorgebeugt, in einer Haltung da, in welcher sich die Verzweiflung auf eine seltsame Weise mit Ergebung gepaart hatte.
»Es ist euch doch nichts geschehen?« rief der Richter, zuerst das furchtbare Schweigen unterbrechend.
»Gott sei Dank, nein«, antwortete der Jüngling, »hätte aber der Baum an dieser Stelle Äste gehabt, so wären wir verloren gewesen.«
Er hatte kaum ausgesprochen, als Luise im Sattel zu wanken begann, und ohne die Beihilfe seines Armes wäre sie zur Erde gesunken. Sie hatte jedoch außer dem Schrecken keinen weiteren Schaden genommen, und unter Elisabeths Beistand kam sie bald wieder zu sich. Man wartete eine kleine Weile, bis sie sich ganz erholt hatte; dann wurde sie wieder in den Sattel gesetzt, worauf sie, zu beiden Seiten von Richter Temple und Herrn Edwards unterstützt, der Gesellschaft langsam folgte.
»Der plötzliche Umsturz eines Baumes ist das gefährlichste Ereignis in den Wäldern«, sagte Marmaduke, »da man es nie voraussehen kann. Es kommt vor, ohne daß ein Lüftchen geht, und ohne irgendeine erkennbare Ursache, gegen welche man auf der Hut sein könnte.«
»Der Grund eines solchen Umsturzes liegt nahe genug, Richter Temple«, sagte der Sheriff. »Der Baum ist alt und infolge der Kälte morsch geworden; wenn dann der Schwerpunkt über die Basis hinausfällt, muß er stürzen. Ich möchte wissen, ob es ein zwingenderes Argument gibt als eine mathematische Gewißheit. Ich studierte Mathe – –«
»Ganz recht, Richard«, unterbrach ihn Marmaduke. »Deine Begründung ist richtig, und wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, so wurde sie von mir selbst bei einer früheren Gelegenheit aufgestellt. Aber wie kann man sich gegen die Gefahr schützen? Kannst du durch die Wälder gehen, um die Basen abzumessen und die Schwerpunkte der Eichen zu berechnen? Beantworte mir das, Freund Jones, und ich will dir zugestehen, daß du dem Land einen großen Dienst erwiesen hast.«
»Das soll ich dir beantworten, Freund Temple?« erwiderte Richard. »Ein Mann von Bildung kann dir alles beantworten. Stürzt etwa ein anderer Baum in dieser Weise als ein morscher? Nimm dich in acht, der Wurzel eines mürben Baumes nahe zu kommen, und du wirst sicher genug sein.«
»Da dürften wir nur ganz aus den Wäldern wegbleiben«, versetzte Marmaduke. »Aber zum Glück räumen die Winde mit so gefährlichen Ruinen auf, wenn ihnen durch die Lichtungen der Zugang gebahnt wird. Ein Sturz wie der gegenwärtige gehört zu den Seltenheiten.«
Luise hatte sich inzwischen so weit erholt, daß die Gesellschaft einen schärferen Schritt einhalten konnte. Aber lange ehe sie die Heimat erreichten, wurden sie von dem Sturm überholt, und als sie an der Tür des Herrenhauses abstiegen, waren die schwarzen Federn auf Miss Temples Hut von dem Gewicht einer Schneemasse geknickt und die Röcke der Herren waren weiß eingepudert.
Während Edwards Luise vom Pferde half, ergriff das warmherzige Mädchen seine Hand mit Feuer und flüsterte:
»Jetzt, Herr Edwards, verdanken Euch Vater und Tochter das Leben.«
Es folgte bald ein heftiger Nordwest-Orkan, und noch ehe die Sonne unterging, war jede Spur des Frühlings wieder verwischt. Der See, die Berge, der Wald und die Felder lagen abermals unter einer blendenden Schneehülle begraben.
XXII
Männer, Knaben, Mädchen
Fliehn aus dem öden Dorf, und wilde Scharen
Ziehn durch das Tal, gejagt von süßem Wahnsinn.
Somerville
Von nun an bis gegen Ende April bildete die Witterung eine ununterbrochene Reihe rascher Wechsel. Den einen Tag schienen sich die sanften Lüfte des Frühlings durch das Tal zu stehlen und im Verein mit einer belebenden Sonne die schlummernden Kräfte der Pflanzenwelt zu wecken, während am anderen wieder rauhe Nordstürme über den See fegten und jede Spur vernichteten, welche ihre sanften Gegner zurückgelassen hatten. Trotzdem aber verschwand der Schnee nach und nach, und in allen Richtungen sah man grüne Weizenfelder mit ihren dunklen verkohlten Stümpfen, die noch im vergangenen Jahr einige der stolzesten Bäume des Waldes getragen hatten. Wo immer sich ein Pflug anwenden ließ, war dieses nützliche Werkzeug in Bewegung, und der Rauch der Zuckersiedereien erhob sich nicht länger über den Ahorngehölzen. Der See hatte die blanke Schönheit eines Eisfeldes verloren; denn obgleich noch eine dunkle, düstere Rinde seine Wasser verbarg, so konnte doch, da keine Strömungen vorhanden waren, kein Eisgang eintreten, und das erstarrte Element erhielt sich noch lange in jenem porösen Zustand, der kaum Kraft genug besaß, den Zusammenhang seiner Teile zu erhalten. Man sah große Scharen wilder Gänse über den Landstrich hinziehen, die eine Zeitlang über dem Spiegel des Sees schwebten, augenscheinlich, um einen Ruheplatz zu suchen; wenn sie sich dann von der kalten Decke abgestoßen fanden, so flogen sie gen Norden, die Luft mit schrillem Geschrei erfüllend, als wollten sie ihren Klagen über das langsame Wirken der Natur Luft machen.
Eine Woche lang blieb diese schwarze Hülle des Otsego in dem ungestörten Besitz zweier Adler, die sich auf seinem Mittelpunkt niedergelassen hatten und von da ihr unbestrittenes Territorium betrachteten. Während der Anwesenheit dieser Luftmonarchen vermieden die Zugvögelschwärme den See und bogen in die Berge ein, augenscheinlich den Schutz der Wälder aufsuchend, während die weißen kahlen Köpfe der nunmehrigen Bewohner des Sees mit einem Blick der Verachtung in die Höhe schauten. Aber die Zeit kam, wo auch diese Könige der Vögel aus ihrem Besitz vertrieben werden sollten. Eine Öffnung an der untern Seite der Wasserfläche, wo die Strömung des Flusses, selbst zu der kältesten Jahreszeit, die Bildung von Eis verhindert hatte, griff allmählich um sich, und die frischen Südwinde, die ungehindert das Tal durchstrichen, übten ihre Wirkung. Leichte Wogen begannen sich über dem Rand des Eisfeldes zu kräuseln und bildeten einen Saum von Kristallen, der sich allmählich weiter gegen Norden zurückzog. Schritt für Schritt mehrte sich die Macht der Winde und der Wellen, so daß es den letzteren nach einem Kampf von einigen Stunden gelang, das ganze