Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe. Sigmund Freud

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Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe - Sigmund Freud

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Wünsche«, und dies ist für die meisten Träume Erwachsener durchaus zu bestätigen.

      Anders sieht es aus, wenn man »sexuell« in dem nun in der Psychoanalyse gebräuchlichen Sinne von »Eros« gebraucht. Aber das interessante Problem, ob nicht alle Träume von »libidinösen« Triebkräften (im Gegensatz zu »destruktiven«) geschaffen werden, haben die Gegner kaum vor Augen gehabt..

       176 Nun erübrigen noch die Angstträume als besondere Unterart der Träume mit peinlichem Inhalt, deren Auffassung als Wunschträume bei den Unaufgeklärten die geringste Bereitwilligkeit begegnen wird. Doch kann ich die Angstträume hier ganz kurz abtun; es ist nicht eine neue Seite des Traumproblems, die sich uns in ihnen zeigen würde, sondern es handelt sich bei ihnen um das Verständnis der neurotischen Angst überhaupt. Die Angst, die wir im Traume empfinden, ist nur scheinbar durch den Inhalt des Traumes erklärt. Wenn wir den Trauminhalt der Deutung unterziehen, merken wir, daß die Traumangst durch den Inhalt des Traumes nicht besser gerechtfertigt wird als etwa die Angst einer Phobie durch die Vorstellung, an welcher die Phobie hängt. Es ist z. B. zwar richtig, daß man aus dem Fenster stürzen kann und darum Ursache hat, sich beim Fenster einer gewissen Vorsicht zu befleißen, aber es ist nicht zu verstehen, warum bei der entsprechenden Phobie die Angst so groß ist und den Kranken weit über ihre Anlässe hinaus verfolgt. Dieselbe Aufklärung erweist sich dann als gültig für die Phobie wie für den Angsttraum. Die Angst ist beide Male an die sie begleitende Vorstellung nur angelötet und stammt aus anderer Quelle.

      Wegen dieses intimen Zusammenhangs der Traumangst mit der Neurosenangst muß ich hier bei der Erörterung der ersteren auf die letztere verweisen. In einem kleinen Aufsatze über die »Angstneurose« (1895 b) habe ich seinerzeit behauptet, daß die neurotische Angst aus dem Sexualleben stammt und einer von ihrer Bestimmung abgelenkten, nicht zur Verwendung gelangten Libido entspricht. Diese Formel hat sich seither immer mehr als stichhältig erwiesen. Aus ihr läßt sich nun der Satz ableiten, daß die Angstträume Träume sexuellen Inhalts sind, deren zugehörige Libido eine Verwandlung in Angst erfahren hat. Es wird sich späterhin die Gelegenheit ergeben, diese Behauptung durch die Analyse einiger Träume bei Neurotikern zu unterstützen. Auch werde ich bei weiteren Versuchen, mich einer Theorie des Traums zu nähern, nochmals auf die Bedingung der Angstträume und deren Verträglichkeit mit der Wunscherfüllungstheorie zu sprechen kommen.

      V

       DAS TRAUMMATERIAL UND DIE TRAUMQUELLEN

       Inhaltsverzeichnis

       Als wir aus der Analyse des Traums von Irmas Injektion ersehen hatten, daß der Traum eine Wunscherfüllung ist, nahm uns zunächst das Interesse gefangen, ob wir hiemit einen allgemeinen Charakter des Traums aufgedeckt haben, und wir brachten vorläufig jede andere wissenschaftliche Neugierde zum Schweigen, die sich in uns während jener Deutungsarbeit geregt haben mochte. Nachdem wir jetzt auf dem einen Wege zum Ziel gelangt sind, dürfen wir zurückkehren und einen neuen Ausgangspunkt für unsere Streifungen durch die Probleme des Traumes wählen, sollten wir darüber auch das noch keineswegs voll erledigte Thema der Wunscherfüllung für eine Weile aus den Augen verlieren.

      Seitdem wir durch Anwendung unseres Verfahrens der Traumdeutung einen latenten Trauminhalt aufdecken können, der an Bedeutsamkeit den manifesten Trauminhalt weit hinter sich läßt, muß es uns drängen, die einzelnen Traumprobleme von neuem aufzunehmen, um zu versuchen, ob sich für uns nicht Rätsel und Widersprüche befriedigend lösen, die, solange man nur den manifesten Trauminhalt kannte, unangreifbar erschienen sind.

      Die Angaben der Autoren über den Zusammenhang des Traums mit dem Wachleben sowie über die Herkunft des Traummaterials sind im einleitenden Abschnitt ausführlich mitgeteilt worden. Wir erinnern uns auch jener drei Eigentümlichkeiten des Traumgedächtnisses, die so vielfach bemerkt, aber nicht erklärt worden sind: 1. Daß der Traum die Eindrücke der letzten Tage deutlich bevorzugt (Robert, Strümpell, Hildebrandt, auch Weed-Hallam); 2. daß er eine Auswahl nach anderen Prinzipien als unser Wachgedächtnis trifft, indem er nicht das Wesentliche und Wichtige, sondern das Nebensächliche und Unbeachtete erinnert; 3. daß er die Verfügung über unsere frühesten Kindheitseindrücke besitzt und selbst Einzelheiten aus dieser Lebenszeit hervorholt, die uns 178 wiederum als trivial erscheinen und im Wachen für längst vergessen gehalten worden sind. Es ist klar, daß die Auffassung Roberts, der Traum sei dazu bestimmt, unser Gedächtnis von den wertlosen Eindrücken des Tages zu entlasten, nicht mehr zu halten ist, wenn im Traume einigermaßen häufig gleichgültige Erinnerungsbilder aus unserer Kindheit auftreten. Man müßte den Schluß ziehen, daß der Traum die ihm zufallende Aufgabe sehr ungenügend zu erfüllen pflegt.

      Diese Besonderheiten in der Auswahl des Traummaterials sind von den Autoren natürlich am manifesten Trauminhalte beobachtet worden.

       DAS REZENTE UND DAS INDIFFERENTE IM TRAUM

       Inhaltsverzeichnis

       Wenn ich jetzt in betreff der Herkunft der im Trauminhalt auftretenden Elemente meine eigene Erfahrung zu Rate ziehe, so muß ich zunächst die Behauptung aufstellen, daß in jedem Traum eine Anknüpfung an die Erlebnisse des letztabgelaufenen Tages aufzufinden ist. Welchen Traum immer ich vornehme, einen eigenen oder fremden, jedesmal bestätigt sich mir diese Erfahrung. In Kenntnis dieser Tatsache kann ich etwa die Traumdeutung damit beginnen, daß ich zuerst nach dem Erlebnis des Tages forsche, welches den Traum angeregt hat; für viele Fälle ist dies sogar der nächste Weg. An den beiden Träumen, die ich im vorigen Abschnitt einer genauen Analyse unterzogen habe (von Irmas Injektion, von meinem Onkel mit dem gelben Bart), ist die Beziehung zum Tag so augenfällig, daß sie keiner weiteren Beleuchtung bedarf. Um aber zu zeigen, wie regelmäßig sich diese Beziehung erweisen läßt, will ich ein Stück meiner eigenen Traumchronik daraufhin untersuchen. Ich teile die Träume nur so weit mit, als ich es zur Aufdeckung der gesuchten Traumquelle bedarf.

      1. Ich mache einen Besuch in einem Hause, wo ich nur mit Schwierigkeiten vorgelassen werde usw., lasse eine Frau unterdessen auf mich warten.

      Quelle: Gespräch mit einer Verwandten am Abend, daß eine Anschaffung, die sie verlangt, warten müsse, bis usw.

      2. Ich habe eine Monographie über eine gewisse (unklar) Pflanzenart geschrieben.

      Quelle: Am Vormittag im Schaufenster einer Buchhandlung eine Monographie gesehen über die Gattung Zyklamen.

      3. Ich sehe zwei Frauen auf der Straße, Mutter und Tochter, von denen die letztere meine Patientin war.

      Quelle: Eine in Behandlung stehende Patientin hat mir abends mitgeteilt, welche Schwierigkeiten ihre Mutter einer Fortsetzung der Behandlung entgegenstellt.

      4. In der Buchhandlung von S. und R. nehme ich ein Abonnement auf eine periodische Publikation, die jährlich zwanzig Gulden kostet.

      Quelle: Meine Frau hat mich am Tage daran erinnert, daß ich ihr zwanzig Gulden vom Wochengelde noch schuldig bin.

      5. Ich erhalte eine Zuschrift vom sozialdemokratischen Komitee, in der ich als Mitglied behandelt werde.

      180 Quelle: Zuschriften erhalten gleichzeitig vom liberalen Wahlkomitee und vom Präsidium des humanitären Vereins, dessen Mitglied ich wirklich bin.

      6. Ein Mann auf einem steilen Fels mitten im Meer, in Böcklinscher Manier.

      Quelle: Dreyfus auf der Teufelsinsel,

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