Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles

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Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles

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ja die eine Beschaffenheit selbst ist der Steigerung fähig, denn das Weisse kann weisser werden. Dies gilt zwar nicht allgemein, aber doch für die meisten Beschaffenheiten. So könnte man zweifeln, ob bei der Gerechtigkeit ein solches Mehr oder Weniger ausgesagt werden könne; und auch bei den übrigen Zuständen erhebt sich der Zweifel. Manche bestreiten dies und behaupten, dass man bei der Gerechtigkeit keine als ein Mehr oder Weniger gegen die andere bezeichnen dürfe; auch bei der Gesundheit dürfe dies nicht geschehen, wohl aber könne der Eine weniger Gesundheit oder Gerechtigkeit haben, als der Andere; auch gelte dies für die Sprachwissenschaft und andere Zustände. Allein die darnach benannten Dinge sind unzweifelhaft des Mehr oder Weniger fähig; denn der Eine wird sprachgelehrter, oder gerechter, oder gesünder als der Andere genannt und dies gilt auch bei allen übrigen solchen Beschaffenheiten. Dagegen scheinen das Dreieck und das Viereck und überhaupt die Figuren das Mehr nicht annehmen zu können; denn die Figuren, welche unter den Begriff des Dreiecks oder des Kreises fallen, sind alle in gleicher Weise Dreiecke oder Kreise und von den Figuren, die nicht darunter fallen, ist es die eine nicht mehr als die andere; so ist das Viereck nicht mehr ein Kreis als jede andere geradlinige Figur, da keine von ihnen unter den Begriff des Kreises fällt. Ueberhaupt kann dann, wenn zwei Gegenstände nicht unter denselben Begriff fallen, der eine nicht mehr als der andere ein solcher genannt werden. Sonach nimmt also nicht jede Beschaffenheit das Mehr oder Weniger an.

      Die bisherigen Bestimmungen sind keine Eigenthümlichkeiten der Beschaffenheiten; dagegen wird das Aehnliche und das Unähnliche lediglich von Beschaffenheiten ausgesagt; denn kein Gegenstand ist einem andern in Bezug auf etwas anderes, als auf seine Beschaffenheit ähnlich; deshalb hat nur die Beschaffenheit das Eigenthümliche, dass lediglich in Bezug auf sie etwas ähnlich oder unähnlich genannt werden kann.

      Uebrigens sorge ich mich nicht darum, dass mir Jemand vorhalten könnte, ich hätte bei Abhandlung der Beschaffenheit vieles mit zu ihr hinzugerechnet, was zu den Beziehungen gehöre; denn ich habe allerdings früher die Eigenschaften und die Zustände für Beziehungen erklärt. Indess werden beinahe von allen Beschaffenheiten die Gattungen als Beziehungen gebraucht, aber nicht die Beschaffenheit der einzelnen Gegenstände. So wird die Wissenschaft, als Gattungsbegriff, als das, was sie ist von einem andern ausgesagt (denn man sagt: die Wissenschaft von etwas); aber von den besonderen Wissenschaften wird keine als das, was sie ist, von einem anderen ausgesagt; so sagt man von der Sprachlehre nicht: die Sprachlehre von Etwas, und auch nicht: die Musiklehre von Etwas. Werden sie aber in Bezug auf den Gattungsbegriff gebraucht, so werden auch sie als Beziehungen behandelt und die Sprachlehre heisst dann die Wissenschaft von Etwas, aber nicht Sprachlehre von Etwas und die Musiklehre heisst dann die Wissenschaft von Etwas, aber nicht die Musiklehre von Etwas. Deshalb gehören die besondern Wissenschaften nicht zu den Beziehungen. Dagegen wird der Mensch als beschaffen nach den besondern Wissenschaften bezeichnet ; denn diese besitzt er und er heisst ein Wissender dadurch, dass er irgend eine der besondern Wissenschaften inne hat. So dürften deshalb die besondern Wissenschaften zu den Beschaffenheiten gehören und nach ihnen wird auch wohl der Inhaber beschaffen genannt; allein Beziehungen sind sie nicht. Aber selbst, wenn es sich auch träfe, das ein und dasselbe eine Beziehung und eine Beschaffenheit wäre, so wäre es doch nicht widersinnig, dasselbe zu beiden Gattungen zu rechnen.

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Sowohl das Thun wie das Leiden ist des Gegentheiligen und des Mehr oder Minder fähig; denn das Erwärmen ist das Gegentheil von dem Erkälten und das Erwärmtwerden das Gegentheil von dem Erkältetwerden, und das Erfreutwerden ist das Gegentheil von dem Betrübtwerden; mithin nehmen diese Kategorien das Gegentheilige an. Ebenso geschieht dies mit dem Mehr und Minder; denn das Erwärmen kann mehr oder weniger stark geschehen und ebenso das Erwärmt – werden. Sonach nimmt das Thun und das Leiden sowohl das Mehr wie das Weniger an.

      So viel sei über diese Kategorien gesagt. Heber die Kategorie des Zustandes habe ich schon bei der Kategorie der Beziehung gesagt, dass die Zustände durch Wort-Ableitung von den verschiedenen Lagen benannt werden. Ueber die andern Kategorien, nämlich die des Orts und der Zeit und des Habens braucht, da sie an sich klar sind, nichts weiter gesagt zu werden, als was im Beginn bemerkt worden ist, nämlich, dass das Haben beispielsweise das Beschuhtsein oder das Bewaffnetsein bedeutet und der Ort z.B.: im Lykeion bedeutet und was sonst noch früher über diese Kategorien gesagt worden ist.

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Das Gesagte mag für die aufgestellten Grundbegriffe genügen; dagegen habe ich noch bei den Gegensätzen darzulegen, in wie vielfacher Art sie stattfinden können. Eines kann dem Andern in vierfacher Weise gegenüberstehen; entweder als Beziehung oder als Gegentheil, oder als Beraubung und Haben, oder als Bejahung und Verneinung. Von diesen Gegensätzen stehen sich, um es im Umriss zu bezeichnen, die Beziehungen einander so entgegen, wie z.B. das Doppelte dem Halben und die Gegentheile so wie z.B. das Schlechte dem Guten; ferner die Beraubung dem Haben, sowie z.B. die Blindheit dem Gesicht; die Bejahung der Verneinung, sowie z.B.: er sitzt, und: er sitzt nicht.

      Alle, welche sich als Bezogene gegenüberstehen, werden als das, was sie sind, oder auf sonst eine Art von dem Entgegengesetzten ausgesagt; so wird z.B. das Doppelte, als das, was es ist, nehmlich als das Doppelte von einem Andern, ausgesagt, denn es ist das Doppelte von Etwas. Auch die Wissenschaft ist als Beziehung der Gegensatz von dem Wissbaren und die Wissenschaft wird als das, was sie ist, von dem Wissbaren ausgesagt. Ebenso wird das Wissbare als das, was es ist, in Bezug auf sein Gegensätzliches ausgesagt, nämlich auf die Wissenschaft; denn das Wissbare ist das Wissbare in Etwas, nämlich in der Wissenschaft.

      Alles, was als Beziehung einander gegenübersteht, wird also als das, was es ist, von einem Anderen, oder sonst wie bezüglich auf einander ausgesagt. Dagegen werden die Gegentheile in keiner Weise als das, was sie sind, bezüglich von einander ausgesagt, sondern nur Gegentheile von einander genannt. Denn das Gute wird nicht das Gute des Schlechten genannt, sondern dessen Gegentheil; ebenso das Weisse nicht das Weisse des Schwarzen, sondern dessen Gegentheil. Deshalb sind diese Gegensätze von einander verschieden. Alle Gegentheile, welche der Art sind, dass die Gegenstände, in denen sie von Natur entstanden sind, oder von denen sie ausgesagt werden, nothwendig eines der Gegentheile an sich haben müssen, haben kein Mittleres; wo aber die Gegenstände nicht der Art sind, dass sie eines von Beiden an sich haben müssen, da giebt es allemal ein Mittleres. So sind z.B. die Krankheit und die Gesundheit am Körper natürliche Zustände und eines von Beiden muss nothwendig dem Körper der lebenden Wesen anhaften, entweder die Krankheit oder die Gesundheit. Ebenso wird das Ungerade und das Gerade von der Zahl ausgesagt und die Zahl muss eines von Beiden sein, entweder gerade oder ungerade. Bei solchen Gegentheilen giebt es kein Mittleres; weder von der Krankheit und Gesundheit, noch von dem Geraden und Ungeraden. Wo aber der Gegenstand nicht nothwendig eines von Beiden sein muss, da giebt es ein Mittleres; so entsteht z.B. das Schwarze und das Weisse zwar von Natur an einem Körper, aber es ist nicht nothwendig, dass der Körper eines von Beiden sein muss, denn nicht jeder Körper ist entweder weiss oder schwarz. Auch wird das schlechte und das gute von dem Menschen und von vielem Anderen ausgesagt, aber es ist nicht nothwendig, dass entweder eines oder das andere den Gegenständen anhafte, von denen es ausgesagt wird; denn nicht Alles ist entweder schlecht oder gut. Auch giebt es bei solchen Gegentheilen ein Mittleres; z.B. von dem Weissen und Schwarzen das Helle und das Blasse, und was sonst noch für andere Farben, und ebenso von dem Schlechten und dem Guten das, was weder schlecht noch gut ist. In manchen Fällen sind Namen für das Mittlere vorhanden; wie bei dem Weissen und Schwarzen das Helle und das Blasse und etwanige andere Farben; in andern Fällen kann man nicht leicht durch einen Namen das Mittlere angeben, sondern man bestimmt es durch Verneinung der beiden

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