Professor Unrat. Heinrich Mann

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Professor Unrat - Heinrich Mann

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die Ge­mei­hen­de an und ver­sam­me­let uns Brü­der am mor­gi­gen Aben­de zum Ge­bet mit ei­nem be­rühm­ten Mis­sio­nar. Ja, o jah.«

      Un­rat fand es schwie­rig, zur Künst­le­rin Fröh­lich zu ge­lan­gen. Er such­te eine Wei­le, und als er kei­nen Um­weg mehr fand, ging er grad­aus.

      »Auch in der Ge­sell­schaft für Ge­mein­sinn zeigt sich uns nächs­tens – im­mer mal wie­der – eine Berühmt­heit. Eine Künst­le­rin – Sie wer­den ja, so gut wie je­der­mann, von ihr ge­hört ha­ben, Meis­ter.«

      »Sie tanzt, Meis­ter. In der Ge­sell­schaft für Ge­mein­sinn tanzt sie. Ei, da wer­den nun die Leu­te hin­lau­fen.«

      Rind­fleisch nick­te.

      »Die Leu­te ma­chen es sich woll nich klar, Herr Pro­fes­ser, wo sie hin­lau­fen«, sag­te er ge­dämpft und be­deu­tungs­voll.

      »Sie tanzt ja bar­fuß, das ist doch eine selt­sa­me Fer­tig­keit, Meis­ter.«

      Un­rat wuss­te nicht, wie er den Mann noch an­feu­ern sol­le.

      »Den­ken Sie nur: bar­fuß!«

      »Bar­fuß«, wie­der­hol­te der Schus­ter. »O o oh! Also tan­ze­ten auch die Wei­ber der Ama­le­ki­ter, die vor dem Göt­zen tan­ze­ten.«

      Und er stieß ein lee­res Ge­läch­ter aus, nur aus De­mut, weil er, der un­ge­lehr­te Mann, sich mit Wor­ten der Schrift zu schmücken wag­te.

      Un­rat rück­te ge­pei­nigt hin und her, wie bei der Über­set­zung ei­nes Schü­lers, der stock­te und gleich fest­zu­sit­zen droh­te. Er hieb mit den Knö­cheln auf die Stuhl­leh­ne und sprang auf.

      »So las­sen Sie’s nun gut sein mit dem Maß­neh­men, Meis­ter, und sa­gen Sie mir – vor­wärts denn also! – ob die Bar­fußtän­ze­rin Fröh­lich schon ein­ge­trof­fen ist! Das soll­ten Sie wohl wis­sen!«

      »Ich, Herr Pro­fes­ser?« Und Rind­fleisch stand be­stürzt, »ich – eine Tän­ze­rin?«

      »Da­durch wer­den Sie auch nicht schlech­ter«, be­haup­te­te Un­rat un­ge­dul­dig.

      »O o oh, fer­ne von mir sei der geis­ti­ge Hoch­mut und die Selbst­ge­rech­tig­keit. Und Lie­be im Herrn, Herr Pro­fes­ser, will ich denn auch ha­ben für mei­ne bar­fü­ßi­ge Schwes­ter, o jah, und will bit­ten, dass der Herr an ihr tuhe, was er an der Sün­de­rin Mag­da­le­na ge­tan hat.«

      »Sün­de­rin?« frag­te Un­rat über­le­gen. »Wa­rum hal­ten Sie denn die Künst­le­rin Fröh­lich für eine Sün­de­rin?«

      Der Schuh­ma­cher blick­te keusch auf den ge­öl­ten Fuß­bo­den.

      »Ei ja«, ver­setz­te Un­rat, im­mer un­zu­frie­de­ner mit dem Meis­ter, »wenn Ihre Frau oder Ihre Toch­ter einen Le­bens­wan­del be­gin­nen woll­ten wie eine Künst­le­rin, das stän­de ih­nen – frei­lich denn wohl – nicht an. Hin­ge­gen gibt es Le­bens­krei­se und Sit­ten­ge­set­ze: – doch mag’s denn ge­nug sein.«

      Und er mach­te eine Hand­be­we­gung, die sag­te, dass hier ein Ge­gen­stand in Ter­tia be­rührt ward, der höchs­tens nach Pri­ma ge­hör­te.

      »Auch mein Weib ist eine Sün­de­rin«, sag­te der Schus­ter lei­se, schob die Fin­ger über dem Ma­gen durch­ein­an­der und sah auf, mit ei­nem Be­ken­ner­blick.

      »Und ich selbs­t­en muss spre­chen: Herr Her­re. Denn Flei­sches­sün­der sind wir all­zu mal.«

      Nun er­staun­te Un­rat.

      »Sie und Ihre Frau? Sie sind doch recht­mä­ßig ver­hei­ra­tet?«

      »O o oh jah, das sind wir woll. Aber Flei­sches­sün­de, Herr Pro­fes­ser, bleibt es im­mer­dar, und Gott er­laubt es auch nuhr …«

      Der Herrn­hu­ter rich­te­te sich auf zu et­was Wich­ti­gem. Sei­ne Au­gen wur­den rund und ganz bleich von Ge­heim­nis.

      »Nun?« frag­te Un­rat nach­sich­tig.

      Und je­ner, flüs­ternd:

      »Das wis­sen die an­de­ren Men­schen man nich, dass Gott es nuhr dar­um er­laubt, auf dass er in sei­nen Him­mel oben mehr En­gel kriegt.«

      »So so«, mach­te Un­rat, »das ist ja denn frei­lich recht hübsch.«

      Und er lug­te mit ei­nem hin­ter­häl­ti­gen Lä­cheln zu dem ver­klär­ten Ge­sicht des Schuh­ma­chers hin­auf.

      Aber er un­ter­drück­te bald sei­nen Spott und wand­te sich zum Ge­hen. Er fing an zu glau­ben, Rind­fleisch wis­se wirk­lich nichts über die Künst­le­rin Fröh­lich. Der Schuh­ma­cher be­sann sich auf die­se Welt und frag­te, wie hoch denn die Schäf­te sein soll­ten. Un­rat ant­wor­te­te nach­läs­sig, be­han­del­te auch den Ab­schied von der Fa­mi­lie Rind­fleisch nur mit flüch­ti­ger Leut­se­lig­keit. Dann trat er rasch den Heim­weg an.

      Er ver­ach­te­te Rind­fleisch. Er ver­ach­te­te die blaue Stu­be, die Enge die­ser Geis­ter, die de­mü­ti­gen See­len, die pie­tis­ti­schen Über­spannt­hei­ten und die sitt­li­che Ver­stockt­heit. Auch bei Un­rat zu Hau­se sah es eher dürf­tig aus; da­für aber hat­te er in sei­nem Kopf die Mög­lich­keit, sich mit meh­re­ren al­ten Geis­tes­fürs­ten, wenn sie zu­rück­ge­kehrt wä­ren, in ih­rer Spra­che über die Gram­ma­tik in ih­ren Wer­ken zu un­ter­hal­ten. Er war arm, un­er­kannt; man wuss­te nicht, wel­che wich­ti­ge Ar­beit er seit zwan­zig Jah­ren för­der­te. Er ging un­an­sehn­lich, so­gar ver­lacht un­ter die­sem Volk um­her – aber er ge­hör­te, sei­nem Be­wusst­sein nach, zu den Herr­schen­den. Kein Ban­kier und kein Mon­arch war an der Macht stär­ker be­tei­ligt, an der Er­hal­tung des Be­ste­hen­den mehr in­ter­es­siert als Un­rat. Er er­ei­fer­te sich für alle Au­to­ri­tä­ten, wü­te­te in der Heim­lich­keit sei­nes Stu­dier­zim­mers ge­gen die Ar­bei­ter – die, wenn sie ihre Zie­le er­reicht hät­ten, wahr­schein­lich be­wirkt ha­ben wür­den, dass auch Un­rat et­was reich­li­cher ent­lohnt wäre. Jun­ge Hilfs­leh­rer, noch schüch­ter­ner als er, bei de­nen er sich mit der Spra­che her­aus­wag­te, warn­te er düs­ter vor der un­se­li­gen Sucht des mo­der­nen Geis­tes, an den Grund­la­gen zu rüt­teln. Er woll­te sie stark: eine

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