Nice Girls. Louise Boije af Gennäs
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Fort; weg, um sein eigenes Leben zu leben. Ein Leben, in dem kein Platz für sie war.
Nicht, daß er sie nicht liebte, denn das tat er wirklich. Er liebte sie rein und stark. Untreue gab es in seiner Vorstellungswelt nicht, da war sie sicher. Als sie sich kennenlernten, hatte er ihr immer wieder versichert, wie fantastisch es sei, sein zweites Ich getroffen zu haben, seine bessere Hälfte, seine weibliche Ergänzung. Sie hätten so vieles gemeinsam, das betonte er ständig, angefangen bei ihren Interessen bis zu ihrem Verhalten.
Doch das war damals. Dann hatte Frank eine bessere Stelle bekommen, und sie war schwanger geworden.
Jetzt lebten sie schon in weit entfernten Welten.
»Ich rufe von Arlanda aus an, wenn wir landen«, sagte er. »Aber das wird mit Sicherheit nicht vor zehn Uhr sein.«
Dann küßte er sie auf dem Weg zur Wohnungstür flüchtig auf die Wange. Lizzie konnte ihm gerade noch den Toilettenpapierzipfel vom Kinn reißen.
Die Tür schlug zu. Frank war weg. Nur sie stand da mit einem kleinen Papierfetzen in der Hand. Das einzige, was seine Anwesenheit vor ein paar Sekunden bezeugte, war der kleine kreisrunde, hellrote Blutfleck, den seine Schnittwunde hinterlassen hatte.
Irgendwann morgen abend gegen zehn würde er also wieder in Schweden landen. Bis dahin mußte sie allein zurechtkommen.
Lizzie starrte auf die Tür. Dann drehte sie sich langsam zum Spiegel um und begegnete ihrem Blick, graublau, alltäglich, unter völlig geraden Augenbrauen.
Sie wußte nicht, wie lange sie dort gestanden hatte, als sie plötzlich ein Zucken in ihrem Bauch fühlte, schwach wie von einem kleinen zappelnden Fisch.
Das erste Strampeln!!!
Und sie war ganz allein.
2.
Der Morgen brach an bei Benjamin und Stella. Genau in der Reihenfolge stimmte es, zuerst war es Morgen bei Benjamin, dann bei Stella. Immer war es erst sein Morgen, ehe es ihrer wurde. Sein Name stand zuoberst an der Tür, seine Sachen dominierten in der winzigen Einzimmerwohnung, und er war es, der bestimmte, was Spaß machte – ob es nun um Sex ging oder darum, vielleicht vor der Glotze zu sitzen und Bier zu trinken, oder sich zusammen mit Kumpels vollzudröhnen, bevor man in die Stadt zog.
Stella machte mit. Sie machte bei allem mit. Zum erstenmal in ihrem Leben war nicht sie es, die das Sagen hatte, sondern sie ließ über sich bestimmen und fand es herrlich und erschreckend zugleich. Alle, die Stella kannten, wußten, daß ihre Willenskraft für fünf ausreichte und daß sie mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg halten konnte, egal zu welchem Thema. Wer Benjamin hatte kennenlernen dürfen – und das waren nicht viele –, fand es unglaublich, daß sie sich auf dieses Arrangement eingelassen hatte. Fragte man Stella selbst, erklärte sie, sie begreife nicht, warum man die ganze Zeit an Kleinigkeiten herumkritteln solle. So was verderbe eine Beziehung nur, das könne man ja überall beobachten.
In Wahrheit hatte Stella ihre Abhängigkeit eingesehen, hatte verstanden, daß sie aus dieser Beziehung vielleicht sowieso nicht herauskam. Und damit gab es tausend Gründe, jedem Auftritt aus dem Weg zu gehen und zu vermeiden, den eigenen Willen bei jeder Gelegenheit zu betonen. Was hieß überhaupt Willen? Wessen Willen denn? Stella konnte nicht länger sehen, wohin sie unterwegs war. Ihren Willen hatte Benjamin übernommen. Und sie selbst hatte sich darein gefügt.
Nachdem Benjamin aufgestanden war und die Stereoanlage eingeschaltet, ein Bier geöffnet, die Zeitung durchblättert, gerülpst und sich unter die Dusche gestellt hatte, machte Stella Tee für sich und ihn. Zum Frühstück nur Tee war die erste Regel des Tages. Kein Toast dazu – davon wurde man dick. Manchmal machte sich Benjamin zwar ein Brot, doch fragte er Stella nie, ob sie auch eins wolle, und niemals ergriff sie selbst die Initiative, während er zusah. Sie sprachen nicht viel beim Frühstück. Benjamins Laune war vor drei Uhr nachmittags selten gut.
Die Musik dröhnte durch die Wohnung. Stella ging ins Bad, duschte und zog sich an. Sie war dünner, als sie während ihres ganzen erwachsenen Lebens gewesen war, und die Sachen hingen an ihr herunter wie an einem unterernährten Pariser Model. Als sie fertig angezogen war, nahm sie Kalender, Portemonnaie und Tasche und küßte Benjamin auf die Stirn, bevor sie ging. Er brummte zur Antwort, umfaßte sie leicht, ohne von der Zeitung aufzusehen.
»Ich komme gegen sieben nach Hause. Bist du heut abend da?« fragte Stella.
Benjamin schaute auf.
»Weiß nicht. Mal sehen. Hab noch nichts festgemacht.«
Stella nickte. Sie nahm ihre Tasche und ging, und erst als sie unten auf der Straße war, konnte sie richtig durchatmen. Ein und aus, die herrliche, frische Morgenluft. Von Luft wurde man nicht fett. Und hier sah sie keiner, sah, wie sie die Lungen mit Luft füllte und Brust und Bauch richtig rausstreckte, weit, weit raus, ehe sie die Luft ausatmete und wieder zusammenfiel.
In ihrem Kopf surrte eine Textzeile herum wie eine lästige Fliege, sie ließ sich nieder, flog auf und setzte sich wieder zur Ruhe. Als sie bei Rot über die Straße ging, flog sie blitzschnell auf und war wieder zur Stelle.
»... cause if you can’t let yourself go
what are you saving yourself for?«
Die Zeile hallte in ihrem Kopf wider.
Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, aus welchem Song sie war.
3.
Als Stella klein war, wohnte sie mit ihren Eltern und ihrer größeren Schwester in einer alten Villa in Täby. Dem äußeren Anschein nach hatte die Familie keine Probleme, im Gegenteil, und Stella wuchs von früh an umgeben von den Kindern der Verwandten und Freunde ihrer Eltern auf. Ziemlich bald sagte man ihr nach, recht schwierig zu sein. Sie sei eingebildet und eigensinnig, schlage den Mädchen die Barbiepuppen auf den Kopf, wenn ihr nicht passe, was sie sagten oder taten, und war beim Bäumeklettern und Toben im Garten wilder als die Jungen. War Stella dabei, gab es fast immer Streit. Manche Familien fingen an, sie von sich fernzuhalten.
Stella war früh entwickelt, in jeder Beziehung. Schon mit zwölf hatte sie einen Freund. Zur gleichen Zeit wurde es in der Gegend üblich, Haschisch zu rauchen, wenn die Eltern weg waren und ihre Kinder Partys feierten. Stellas Eltern begriffen, daß sie etwas tun mußten. Sie überlegten hin und her, entschieden dann aber ziemlich rasch, daß ein Internat die beste Alternative sei, um mit Stellas Problemen zurechtzukommen. Am besten weit weg von der alten Clique, bis sie etwas älter war und selbst entscheiden konnte, was sie wirklich wollte.
Noch immer sprach man nur von »Stellas Problemen«, nie von denen »der Familie«. Nicht mit einer Silbe deuteten die Eltern an, daß sie vielleicht selbst Schwierigkeiten hatten.
Stella wurde unter großem Protest nach Lundsberg gebracht. Dort angekommen, verfrachtete man sie in die siebente Klasse, als beinahe Jüngste ihres Schülerheims, und ihre Zigaretten wurden so gut wie sofort beschlagnahmt. Stella sperrte sich wochenlang, entdeckte jedoch auch gegen ihren Willen, daß es gewisse Vorteile gab, im Internat zu leben. Es gab zum Beispiel nur eine Heimleiterin pro Haus, während zwischen 25 und 45 Schüler dort wohnten. Die Voraussetzungen, irgendwelchen Unfug zu verzapfen, ohne überführt zu werden, waren also bedeutend besser als zu Hause in der Familie, wo das Verhältnis zwischen