Fürstenkrone Box 16 – Adelsroman. Viola Maybach
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»Ja, glaubst du denn, sie würde dann noch bereit sein, deine Frau zu werden?«, hatte der alte Graf außer sich geschrien.
Der Sohn hatte ausweichend die breiten Schultern gezuckt, dann sagte er:
»Ich kann nicht lügen und betrügen, Vater. Kann keine Gefühle heucheln, wo ich keine empfinde.«
Der alte Graf hatte es vorgezogen, nichts mehr zu sagen. Er wollte den Bogen nicht überspannen.
Hatte er nicht sein Ziel erreicht, hatte er nicht diese unstandesgemäße Ehe verhindert und den Sohn auf den rechten Weg zurückgebracht?
In diesem Augenblick erkannte der alte Graf fast schmerzlich, dass sein stolzer Sohn wenig von ihm hatte, sondern mehr von seiner Mutter, die oft von einer fanatischen Wahrheitsliebe gewesen war.
»Tu, was du nicht lassen kannst, Holger, aber bedenke bei allem, was du nun unternimmst, Langen steht auf dem Spiel und – mein Leben.« Das letzte war eine versteckte Drohung, die den Sohn wie ein Peitschenhieb traf.
Er hatte den Vater nur verächtlich angesehen und war mit schnellen Schritten aus dem Zimmer gegangen.
Holger hatte nie eine innere Bindung zu seinem Vater verspürt, dessen Wesensart war ihm zu fremd, und seine gnadenlose Härte hatte schon in dem Knaben Abscheu hervorgerufen.
Der junge Graf war kein Weichling. Wenn er sich in seinem Recht wusste, konnte er sehr hart und unnachgiebig sein. Aber er konnte auch ein Unrecht eingestehen, selbst wenn er es mit einem seiner Angestellten zu tun hatte. Diese Art hatte ihm viele Freunde eingebracht.
So wie man den Alten, wie der Graf nur genannt wurde, hasste und fürchtete, so liebte und verehrte man seinen Sohn, der einmal auf Langen Herr sein würde. Bei ihm wussten alle ihr Geschick in guten Händen und hatten keine Sorge um ihre Zukunft.
Graf Holger aber hatte mit ernstem, bleichem Gesicht seine Aufwartung bei seiner zukünftigen Braut gemacht.
Graf Dahmen hatte den jungen Mann herzlich willkommen geheißen. Er war sehr redselig und für seine etwas grobe Art überall bekannt. Aber er trug das Herz auf dem rechten Fleck und war ein gutmütiger Mensch.
Komtess Juliane war ein schlankes Mädchen, das dem Grafen bis an die Schulter reichte. Ihr mittelblondes Haar trug sie sportlich kurz. Die gerundeten Wangen waren wie die zarte Haut eines Pfirsichs, wie weicher Samt. Sie schien das blühende Leben selbst zu sein.
Die braunen Augen waren voller Lebensfreude und Wärme, sodass der junge Mann sich betroffen fühlte.
Hätte er einem kalten hochmütigen Mädchen gegenübergestanden, so wäre es ihm vielleicht nicht allzu schwer geworden, dem Wunsch seines Vaters nachzukommen. Aber dieses warmherzige Menschenkind durch eine bewusste Lüge zu seiner Braut zu machen, dagegen bäumte sich alles in ihm auf.
Hier saß er nun und musste um ein Mädchen werben, das seinem Herzen völlig fremd war, das ihm nie etwas bedeuten konnte. Dafür hatte er die Frau, die er bis zum Wahnsinn liebte, aufgeben müssen, und es würde nie mehr ein Glück für sie beide auf dieser Welt geben.
*
Juliane, die lustig drauflosplauderte, hielt betroffen mitten im Sprechen inne und sah erschrocken in das von Leid gezeichnete Gesicht des Mannes.
»Fehlt dir etwas, Holger?«, fragte sie besorgt.
Er rieb sich mit einer schnellen Bewegung über die Augen.
»Nein, nein. Verzeih meine Unaufmerksamkeit, aber mein Kopf schmerzt etwas«, wich er aus.
Mitleidig sahen die braunen Augen ihn an.
»Du Ärmster, soll ich dir etwas gegen deine Schmerzen holen? Mein Paps hat ein sehr gutes Mittel, denn er hat auch immer starke Kopfschmerzen.«
Ehe der Mann ablehnen konnte, war sie schon leichtfüßig aus dem Zimmer geeilt.
Wie abwesend blickte der Mann der biegsamen Gestalt nach. Wie brennende Scham stieg es in ihm auf, als er daran dachte, dass er im Begriff stand, dieses gläubige Vertrauen zu missbrauchen.
Er war aufgestanden und ans Fenster getreten. Mit bitterem Lächeln um den Mund sah er auf den wundervollen Park hinunter und war ehrlich genug, sich einzugestehen, dass Dahmen es verstand, seinem Anwesen einen prachtvollen Rahmen zu verleihen.
Wie reich der Graf sein musste, zeigte jeder Gegenstand, der hier in den Räumen stand. Ohne zu prunken, verrieten die kostbaren Gemälde und prachtvollen Vasen den feinen, künstlerischen Geschmack der Bewohner, aber auch den Reichtum, der hier im Verborgenen blühte.
Graf Dahmen liebte sein einziges Kind über alles. Obwohl er sich mit dem alten Grafen einig war, dass aus ihren Kindern einmal ein Paar würde, hatte er doch die letzte Entscheidung seinem Kind überlassen. Selbst auf die Gefahr hin, sich mit Graf von Osterburg zu verfeinden, war er entschlossen, seine Tochter zu keiner Ehe zu zwingen, die sie nicht selbst eingehen wollte.
Er mochte den jungen Grafen Holger sehr.
Ihre Familien hatten schon immer miteinander verkehrt. Als seine Frau schon tot war, hatte er Graf Eberhard in Berlin getroffen. Wie es nun einmal so geht, wenn zwei alte Freunde sich plötzlich treffen, so trennten auch sie sich spät in der Nacht. Beide waren sie ziemlich bezecht und schworen sich ewige Freundschaft.
In dieser Nacht war denn auch der Plan entstanden, dass aus ihren Kindern ein Paar werden sollte.
Holger zählte damals gerade sechzehn Jahre und besuchte die Schule. Juliane aber war erst zehn und in einem Internat, weil er mit seinem kleinen Wildfang nicht fertig wurde.
Der Adel der Grafen von Dahmen war noch ziemlich jung und lag erst ein Menschenalter zurück, während die Grafen von Osterburg zu dem uralten Hochadel des Landes zählten.
Graf von Dahmen war bestrebt, seiner reizvollen Tochter den Weg nach oben zu bahnen. Eine Einheirat in den uralten Adel würde ihr die Salons der höchsten Gesellschaft öffnen, und sie würde eine der ersten Stellen einnehmen. Aber so weit ging sein Ehrgeiz nicht, dass er dafür das Glück seines einzigen Kindes aufs Spiel gesetzt hätte.
Nun war der junge Graf endlich gekommen, und wie er feststellte, war er als Werber erschienen. Lange genug hatte er sich ja Zeit gelassen.
Na ja, gut Ding will Weile haben. Aber ein wenig hätte er sich ja um Juliane kümmern können. Dass sie sich einmal als Kinder gekannt hatten, war noch lange keine Gewähr dafür, dass sie sich nun auch lieben würden.
Ohne Liebe? Nein, dazu würde seine Tochter niemals ja sagen, das wusste er ganz genau. Aber leid würde es ihm doch tun, wenn aus dieser Verbindung nichts würde.
Er hatte das junge Paar allein gelassen, damit der Mann Gelegenheit fand, seine Werbung vorzubringen. Früher, ja, da sprach man erst mit den Eltern der Auserwählten. Aber heute, da war alles ganz anders. Die Jugend war selbständig geworden, und sie ließen sich den Lebenspartner nicht mehr bestimmen. Sie wählten nach eigenem Gutdünken, und alles, was recht war, sie bewiesen meist dabei einen sehr klaren nüchternen Verstand.
*
Unterdessen stand die junge