Jeder Mann liebt Ursula. Robert Heymann

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Jeder Mann liebt Ursula - Robert Heymann

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      Robert Heymann

      Jeder Mann liebt Ursula

      Roman

      Saga

      Jeder Mann liebt Ursula

      German

      © 1932 Robert Heymann

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711503805

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      1.

      Heute, an einem Herbstabend, der Wind sauste durch die Straßen, die Bäume standen schon beinahe kahl, saß Ursula im Theater. Ihr Atem setzte manchmal aus, ihre Augen füllten sich mit Tränen, ihre Finger zerknüllten erregt das Taschentuch. Sie war krampfhaft bemüht, in den Pausen ein gleichgültiges Gesicht zu zeigen. Was ging sie das schon an, was sich da oben abspielte! Schieber und Schleicher gingen über die Bühne, einsame Herzen wurden zertreten ... ja, nun, wo werden keine Herzen zertreten? Ist es nicht lächerlich, darüber zu vergessen, daß Tränen die Tusche von den Wimpern wuschen! Aber das Stück war doch sonderbar: Ein Mensch, der das Gute will, der allen Menschen das Glück bringen will, solch ein Mensch stieß sich den Schädel an den steinharten Kanten der lieben Seelen ein ...

      Na schön! Wenn schon!

      Ursula betrachtete kritisch ihr Gesicht in dem kleinen Spiegel auf der Innenseite der kunstledernen Handtasche. Sie tupfte rosafarbenen Puder auf die Nase, die immer ein wenig glänzte, und zog den runden Mund mit dem Lippenstift herzförmig nach. Dabei schielte sie mit einem halb zugekniffenen Auge auf den Herrn in der nächsten Reihe. Was der Fatzke mich immer anzustarren hat? Wenn ich dem bloß mal die Zunge zeigen dürfte ...

      Ussi war ein Mädel wie tausend andere aus der Armee der Arbeit, und doch wieder war sie anders. Freilich, sie trug die Uniform der Fräulein ihrer Zeit, äußerlich und innerlich. Das billige seidene Fähnchen spannte sich fest um nur angedeutete Hüften, das blonde Haar war sorgsam onduliert, ihre Gedanken waren auf das Leben, auf Reichtum und Liebe mit den gleichen Schlagworten eingestellt wie das Leben ungezählter anderer kesser kleiner Angestellten, mit den gleichen Sorgen und den gleichen Träumen. Dabei schaute Ussi aus wie eine junge Dame von Welt. Nur wer ihr einen zweiten Blick zuwarf, der sah wohl die vielen kleinen Unterschiede zwischen ihr und jenen Damen, die keine oder nur sehr geringe Sorgen hatten, hinter deren glatten und weißen Stirnen sehr klare Vorstellungen von der Welt und dem Leben wohnten. Wenn man aber bedachte, daß Ussi im Berliner Norden geboren war und in der Gegend rund um die Fruchtstraße aufgewachsen ist — wenn man sich überlegte, daß Ussi aus einem dieser in ewigem Schatten versunkenen Hinterhöfe hervorgegangen war, dann mochte man über das Wunder staunen, das Ussi an sich selbst vollzogen hatte.

      Für ihre Bildung hatte sie alles getan, was in dieser Zeit für ein Mädel ihrer Art nötig war. Sie hatte die Augen und Ohren offen gehalten, sie hatte für jedes Problem, das die Welt bewegte, eine schnoddrige Groschen-Weisheit bereit.

      Sonntags ging sie entweder ins Kino oder in die Volksbühne. Der Eintritt kostete sie nichts, sie bekam Freikarten, denn Rolf Sonntag, ein kleiner Schauspieler, ist der Freund ihrer Schwester Martha. Martha ist Näherin, sie zog das Kino vor, im Sommer aber paddelte sie lieber mit Rolf oder machte Touren mit Erwin vom Jugendbund. Martha hatte ein Dutzend Flirts, aber keine große Liebe, die Jungens sagten, sie wäre ein „Vamp“.

      Ussis Gedanken kehrten wieder zu dem Stück zurück. Es regte auf. Aber das war eine ganz andere Erregung, die ihr Blut peitschte, als wenn sie im Kino über Greta Garbo weinte.

      Die könnten doch auch mal was anderes spielen, wo keine Liebe vorkam? Aber vielleicht wäre es dann nicht so interessant. Die Liebe ist schon eine merkwürdige Angelegenheit. Mal geht es schief — (sehr oft geht es schief!) — mal wird die Liebe belohnt — (um welchen Preis!) — Das ist eine Frage des Charakters und einer robusten Gesundheit, dachte Ursula.

      Ich könnte nicht so viel leiden, um glücklich zu sein! Was ist das denn schon? Man hat einen Mann, vielleicht Kinder ... ich mag die Göhren gar nicht! Paula, die jüngste Schwester, ärgerte mich mehr, als man Freude an ihr hatte! — Aber ich würde vielleicht einen so armen Kerl wie den da oben in dem Theaterstück von der Bühne weg heiraten. —

      Nein, würde ich doch nicht! Aber einen Kuß könnte ich ihm geben, mitten auf seinen verkümmerten Mund, und dann liefe ich davon, er könnte sich ja den Kopf zerbrechen, wer ihm diesen einzigen Kuß versetzt hatte!

      Unter solchen Gedanken ließ Ussi die Szenen auf der Bühne bald entsetzt, bald innerlich protestierend, an sich vorbeigehen. Das alles hatte immer irgendwie etwas mit dem Elend ihrer Klasse zu tun. Das waren vertraute Bilder, und doch ist das Leben da oben im Licht der Rampen verzerrt, übermalt. Das ist so im Theater wie im Kino. Ussi fühlte plötzlich körperlich die Schminke auf ihrem blassen Gesicht. Wir wollen eben immer etwas anderes gelten als wir sind. Ich auch, natürlich!

      Es war wieder Pause. Sie ließ hochmütig eine Braue hochsteigen. Die Menschen um sie her sollten nicht denken, daß sie gerührt war ... und der Affe dort vorne starrte sie noch immer an!

      Dann wurde es wieder dunkel, und Ussi war wieder mitten drin in dem Elend der Menschen, die so verschieden waren und, statt sich gegenseitig zu helfen, einander mit den tollsten Mätzchen betrogen.

      Sie kam nicht los, wenn auch das Hirn rebellierte. die Tragödie marterte ihr Herz. Es ist schon so! Immer war es so! Das bißchen Liebe — und so viel Jammer und Geschrei! Zum Kuckuck, ich werde mich niemals verlieben! Mir kann die Liebe gestohlen bleiben. Wie käme ich dazu, das Elend meiner Mutter zu wiederholen? Sie hatte elf Kinder geboren! Aber was hatte das schon mit Liebe zu tun? Nun, vielleicht hatte es schon allerhand damit zu tun!

      Aber nun war das Spiel aus, die Lichter erloschen, die Stimmung zerrann. Ursula ging befreit zum Ausgang. Draußen auf dem großen Bülowplatz blieb sie verblüfft stehen.

      Eine Kette Autos rollte zur Anfahrt wie am laufenden Band. Knallend flogen die Türen zu, schillernde Frauen, gleichgültige Männer verschwanden. Da sprang ein junger Mensch zu dem und jenem Auto hin, kaum daß es hielt, öffnete den Schlag vor den Einsteigenden, schloß ihn wieder, streckte die Hand aus ... und wenn er nichts bekommen hatte, wenn die Hand leer blieb, stand er noch sekundenlang da wie eine Statue, umkreist von Lampenlicht, das zittrig den Dunst der Stadt durchdrang. Aber es waren mehrere junge Menschen, nicht nur einer! Freilich sah einer wie der andere aus, Marionetten, alle aus derselben Fabrik, mit den eingekrusteten Schlacken der Arbeit auf den abgetragenen Röcken. Die Hosen schlenkerten ihnen um die Beine, als ob sie Stelzen hätten. Aber dieser eine Mensch da ... dieser eine Mensch, der sich jetzt vor dem anfahrenden Wagen aus der gebeugten Stellung zurückschnellte ... das ist doch Peter, Peter — der Bankbeamte Peter Lange — dachte Ursula. Dieses Zurückspringen des geduckten Körpers ... und der Kopf mit dem langen strähnigen Jungenshaar (das trug er noch immer. Aber er war ja sicher noch immer so ein Junge.) Nur: Wie kam Peter hierher? Arbeitslos? Ja, aber — Trinkgelder — ein ehemaliger Bankbeamter — und wie elegant war er immer gewesen!

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