Dir zur Feier. Rainer Maria Rilke
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Rainer Maria Rilke
Dir zur Feier
Eine Liebeserklärung
Mit einem Nachwort von Gunna Wendt
Reclam
2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Coverentwurf: zero-media.net
Coverabbildung: FinePic®
Made in Germany 2021
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961831-9
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-011329-5
Geschrieben für Lou Andreas-Salomé
Ich möchte dir ein Liebes schenken,
das dich mir zur Vertrauten macht:
aus meinem Tag ein Deingedenken
und einen Traum aus meiner Nacht.
Mir ist, dass wir uns selig fänden
und dass du dann wie ein Geschmeid
mir löstest aus den müden Händen
die niebegehrte Zärtlichkeit.
Du meine Hohe, weise
mich weiter auf deiner Bahn;
komm und tu mir leise
Wunder um Wunder an.
Ich habe viel gelitten,
vieles starb und brach, –
jetzt geh ich mit blinden Schritten
deinem Leben nach.
Sehr alte Schmerzen rücken
zurück in ein Verzeihn,
mir baun sich goldne Brücken
zu deinem Gütigsein.
Ob auch die Stunden uns wieder entfernen:
wir sind immer beisammen im Traum
wie unter einem aufblühenden Baum.
Wir werden die Worte, die laut sind, verlernen
und von uns reden wie Sterne von Sternen, –
alle lauten Worte verlernen:
wie unter einem aufblühenden Baum.
Ich möchte Purpurstreifen spannen
und möchte füllen bis zum Rand
mit Balsamöl aus Onyxkannen
die Blumenlampen, die entbrannt
im Mittag flammen, und verbrennen
bis wir uns mit dem Namen nennen,
der Sterne ruft und Tage bricht;
die Täler taun, die Winde fallen
den Dingen in den Schoß und allen
ist bang nach deinem Angesicht.
Mein Leben ist wie leise See:
Wohnt in den Uferhäusern das Weh,
wagt sich nicht aus den Höfen.
Nur manchmal zittert ein Nahn und Fliehn:
aufgestörte Wünsche ziehn
darüber wie silberne Möwen.
Und dann ist alles wieder still …
Und weißt du was mein Leben will,
hast du es schon verstanden?
Wie eine Welle im Morgenmeer
will es, rauschend und muschelschwer,
an deiner Seele landen.
Leise ruft der Buchenwald.
Winkt mit seinen jungen Zweigen
weit hinaus ins Wiesenschweigen.
Kommt mein blonder Liebling bald
mir die tiefen Wege zeigen,
wo die Lichter wie Elfen reigen?
Kommt mein blonder Liebling bald?
Grüßend wird meine Seele sich neigen.
Meine Seele ist maieneigen
wie der rufende Buchenwald.
… Für die wir uns die Träume gaben
war eine Nacht so sanft und lind,
drin alle Brunnen Feen haben,
und auch die träumerischen Knaben
vergessen Schätze zu ergraben,
weil alle Dinge kostbar sind.
Da hörte ich dich noch von ferne,
und deine liebe Stimme schien
als wohntest du im ersten Sterne …
Ich stand in meiner Taltaverne
und suchte ihn.
Ich geh dir nach, wie aus der dumpfen Zelle
ein Halbgeheilter schreitet: in der Helle
mit hellen Händen winkt ihm der Jasmin.
Ein Atemholen hebt ihn von der Schwelle, –
er tastet vorwärts: Welle schlägt um Welle
der großbewegte Frühling über ihn.
Ich geh dir nach in tiefem Dirvertrauen.
Ich weiß deine Gestalt durch diese Auen
vor