Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson

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Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson - Robert Louis Stevenson

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sagen, daß du des Kerls Hure warst?« »Zu Befehl, Mylord«, wimmerte das Frauenzimmer. »Gott steh uns bei! Ihr macht ein sauberes Paar!« bemerkte seine Lordschaft, und in seiner Verachtung lag eine so wilde Drohung, daß nicht einmal die Galerie zu lachen wagte.

      Die Schlußrede enthielt ein paar Leckerbissen.

      »Diese zwei erbärmlichen Geschöpfe scheinen einander in die Hände gearbeitet zu haben – die nähere Erklärung kommt mir nicht zu.« – »Der Angeklagte ist (was immer er sonst sein mag) gleich abstoßend an Geist wie an Körper.« – »Weder der Angeklagte noch das alte Frauenzimmer scheinen auch nur so viel Verstand gehabt zu haben, im erforderlichen Moment zu lügen.« Und im Verlauf der Urteilssprechung bekannte sich Mylord zu folgendem obiter dictum: »Ich bin unter Gott das Werkzeug gewesen, bereits einen stattlichen Haufen Gesindels an den Galgen zu bringen, aber noch nie einen so gottverlassenen Lumpen wie Euch.« Die Worte waren an sich schon stark, allein die Schärfe und Wucht und Betonung, mit der sie gesprochen wurden, und die barbarische Freude, die der Redner an seiner Aufgabe hatte, bewirkten, daß sie allen noch lang in den Ohren klangen.

      Als alles vorüber war, trat Archie hinaus in eine veränderte Welt. Hätte das Verbrechen auch nur einen Schatten versöhnender Größe gezeigt, etwas Dunkles, Geheimnisvolles, er hätte vielleicht verstanden. Aber der Delinquent stand dort in seinem Todesschweiß, ohne Abwehr, ohne Entschuldigung, mit einem wehen Hals, ein Etwas, das Scham einen jeden zu verhüllen zwang: ein Wesen, so weit unter der Grenze der Sympathie und des Mitleids, daß es fast harmlos anmutete. Und der Richter hatte es mit monströser, mit genießerischer Heiterkeit, ein Bild aus einem Albtraum, über alle Maßen furchtbar, in den Tod gehetzt. Einen Tiger erlegen ist ein ander Ding als eine Kröte zertreten; selbst das Schlachthaus besitzt seine Ästhetik; und das Abstoßende, das Archie bei Duncan Jopps Anblick empfand, hatte auf seinen Richter übergegriffen und verpestete dessen Bild.

      Unter wirren Reden und Gesten schritt Archie auf der Hauptstraße an seinen Freunden vorüber. Wie im Traum erblickte er Holyrood, Erinnerung an dessen romantische Geschichte erwachte und verblaßte wieder, visionär sah er die alten, strahlenden Gestalten: Maria Stuart, Prinz Charlie, den gekrönten Hirsch, den Glanz und die Verbrechen, Samt und funkelnden Stahl der Vergangenheit. Er verscheuchte das alles mit einem schmerzlichen Aufschrei. Jetzt lag er stöhnend auf der feuchten Erde von Hunters Bog, und die Himmel über ihm waren verdunkelt und die Gräser auf dem Felde ein Greuel in seinen Augen. »Das ist nun mein Vater«, dachte er. »Von ihm habe ich das Leben empfangen; das Fleisch auf meinen Knochen ist sein Fleisch, das Brot, das ich esse, ist der Lohn dieser Scheußlichkeiten.« Er gedachte seiner Mutter und trommelte mit der Stirn gegen den Boden. Er dachte an Flucht und an ein neues Leben. Wohin sollte er wohl fliehen? Und gab es überhaupt ein Leben, des Lebens wert, in dieser Höhle blutrünstiger, schadenfroher Tiere?

      Die Zeit bis zur Hinrichtung verging ihm wie ein quälender Traum. Er kam mit seinem Vater zusammen, allein er konnte ihn nicht ansehen, er brachte es nicht über sich, mit ihm zu sprechen. Man hätte glauben können, jedes lebende Wesen müsse unverzüglich diese schwelende Feindschaft empfinden, aber des Lord Oberrichters Fell blieb unverletzt. Wäre Mylord zum Sprechen aufgelegt gewesen, der Waffenstillstand hätte niemals dauern können; aber zum Glück befand er sich gerade in einer seiner Launen sauertöpfischen Schweigens, und so nährte Archie die Begeisterungsflamme der Rebellion unter den Breitseiten des Feindes selbst. Ihn dünkte es von der Höhe seiner neunzehnjährigen Erfahrung herab, als sei er von Geburt aus dazu bestimmt, Träger irgendeiner großen Tat zu werden, die am Boden liegende Barmherzigkeit neu aufzurichten und den Teufel samt Hörnern und Klauen, der ihren Thron usurpiert, zu stürzen. Verführerische, jakobitische Trugschlüsse, die er im Speculative Club häufig widerlegt, tauchten vor seinem geistigen Auge auf und erschreckten ihn mit ihren Stimmen; und es war ihm, als wandle er in Begleitung einer fast greifbaren Gegenwart neuer Grundsätze und Pflichten einher.

      An dem betreffenden Morgen begab er sich an den Ort der Hinrichtung. Er sah den grinsenden Pöbel, sah die Vorführung des zitternden Verbrechers. Eine Weile war er Zeuge einer Art parodistischer Andachtsübung, die dem bejammernswerten Geschöpf noch seinen letzten Anspruch auf Menschentum zu rauben schien. Dann folgte der brutale Akt der Vernichtung und das armselige Zappeln der Überreste gleich denen eines zerbrochenen Hampelmannes. Er war auf etwas Furchtbares gefaßt gewesen, nicht auf dieses Schauspiel tragischer Gemeinheit. Einen Augenblick verharrte er in seinem Schweigen, dann brüllte er: »Ich verdamme dies als einen gotteswidrigen Mord!«, und sein Vater, der zwar den Inhalt jenes Ausrufs zurückgewiesen haben würde, hätte doch die Stentorstimme, mit der dieser vorgebracht wurde, schwerlich verleugnen können.

      Frank Innes schleppte ihn mit Gewalt hinweg. Die beiden hübschen jungen Burschen folgten demselben Studium und den gleichen Vergnügungen und fühlten sich, hauptsächlich durch ihr gutes Aussehen, zueinander hingezogen. Dieses Gefühl ging jedoch niemals tief; Frank war von Natur ein schmächtiges, zynisches Geschöpf, weder fähig, Freundschaft zu empfinden noch einzuflößen, und die Beziehungen zwischen den beiden waren rein oberflächlich und wurzelten in gemeinsamen Kenntnissen sowie in den Annehmlichkeiten, die einem gemeinsamen Bekanntenkreise entspringen. Um so anerkennenswerter war es von Frank, daß er sich über Archies Ausbruch ehrlich entsetzte und zum mindesten den Vorsatz faßte, ihn tagsüber im Auge und, wenn möglich, unter seiner Zucht zu behalten. Aber Archie, der soeben Gott oder dem Satan – es war unklar, welchem von beiden – getrotzt hatte, wollte auf das Wort eines Studiengenossen nicht hören.

      »Ich werde nicht mit Ihnen gehen«, sagte er. »Ich wünsche Ihre Begleitung nicht, Herr; ich will allein sein.«

      »Weir, Mensch, machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte Innes und hielt ihn hartnäckig am Ärmel fest. »Ich lasse Sie nicht fort, bis ich nicht weiß, was Sie vorhaben; es hat gar keinen Zweck, derart mit dem Stocke herumzufuchteln.« Im Augenblick hatte Archie tatsächlich eine rasche, vielleicht sogar kampflustige Bewegung gemacht. »Das hier war kompletter Wahnsinn; Sie wissen es selber ganz genau. Sie wissen genau, daß ich jetzt lediglich den barmherzigen Samariter spiele. Ich will ja nichts weiter, als daß Sie sich beruhigen.«

      »Wenn das alles ist, Mr. Innes«, entgegnete Archie, »und Sie mir versprechen, mich in Ruhe zu lassen, kann ich Ihnen das eine verraten: Es ist meine Absicht, aufs Land zu gehen und die Schönheiten der Natur zu bewundern.«

      »Ehrenwort?« forschte Frank.

      »Ich pflege nicht zu lügen, Mr. Innes«, lautete Archies Erwiderung. »Ich habe die Ehre, Ihnen einen guten Tag zu wünschen.«

      »Sie werden doch nicht vergessen, in den Speculative Club zu kommen?«

      »Den Speculative Club? O nein, ich werde es nicht vergessen.«

      Und der junge Mann trug seinen gefolterten Geist hinaus aus der Stadt wegauf, wegab, einen ganzen Tag lang, auf eine endlose Pilgerfahrt der Qual, während der andere sich lächelnd beeilte, die Nachricht von Weirs Wahnsinnsanfall zu verbreiten und auf den Abend hin den ganzen Speculative Club zusammenzutrommeln mit der Mitteilung, daß weitere exzentrische Entwicklungen mit Gewißheit zu erwarten ständen. Es ist zu bezweifeln, ob Innes selbst ernstlich an seine Voraussage glaubte; wahrscheinlich entsprang diese vor allem dem Wunsche, eine gute Geschichte auszuschmücken und den Skandal so groß wie möglich zu machen, und das nicht etwa aus bösem Willen gegen Archie, sondern lediglich, um den Kreis gespannter Gesichter zu sehen. Trotzdem waren seine Worte prophetisch. Archie vergaß den Club nicht; er war pünktlich zur Stelle und hatte vor Ablauf des Abends seinen Kameraden einen denkwürdigen Schock versetzt. Zufällig führte er an jenem Abend den Vorsitz. Er saß in dem nämlichen Zimmer, in dem auch heute noch der Club tagt – nur waren die jetzigen Porträts noch nicht vorhanden: die Männer, die für sie saßen, standen damals noch an den Anfängen ihrer Laufbahn. Aber die nämliche Lichtflut zahlreicher Kerzen umspielte die Versammlung; ja, vielleicht saß Archie in dem gleichen Sessel, auf dem seither so viele von uns gesessen. Zeitweilig schien er die Geschäfte des Abends ganz zu vergessen; aber auch in diesen Momenten

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