Der Nachsommer. Adalbert Stifter

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Der Nachsommer - Adalbert Stifter

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ehe wir den Baum in dieselbe gesetzt haben, haben wir auch durch Erfahrung oder Bücher herauszubringen gesucht, was ihm auch nebst der Erde noch not tue und welchen Platz er haben müsse. Für welchen Baum ein geeigneter Platz im Garten nicht ist, der soll auch im Garten gar nicht sein. Welche Bäume viele Luft brauchen, setzten wir in die Luft, die das Licht lieben, in das Licht, die den Schatten, in den Schatten In den Schutz der größeren oder windwiderstandsfähigeren setzten wir diejenigen, welche des Schutzes bedurften. Die Frost und Reif scheuen, stehen an Wänden oder warmen Orten. Und auf diese Weise gedeihen nun alle durch ihre Lebenskraft und natürliche Nahrung. Im Frühlinge wird jeder Stamm und seine stärkeren Äste durch eine Bürste und gutes Seifenwasser gewaschen und gereinigt. Durch die Bürste werden die fremden Stoffe, die dem Baume schaden könnten, entfernt, und das Waschen ist ein nützliches Bad für die Rinde, die wie die Haut der Tiere von dem höchsten Belange für das Leben ist, und endlich werden die Stämme dadurch auch schön. Unsere Bäume haben kein Moos, die Rinde ist klar und bei den Kirschbäumen fast so fein wie graue Seide.“

      Ich hatte wohl gesehen, daß alle Bäume eine sehr gesunde Rinde haben; aber ich hatte dieses mit ihren schönen Blättern und mit ihrem Gedeihen überhaupt als eine notwendige Folge im Zusammenhang gebracht.

      „Wenn nun trotz aller Vorsichten doch einzelne Teile der Bäume durch Winde, Kälte oder dergleichen kahl werden“, fuhr mein Gastfreund fort, „so werden dieselben bei dem Beschneiden der Bäume im Frühlinge entfernt Der Schnitt wird mit gutem Kitte verstrichen, daß keine Nässe in das Holz dringen und in dem noch gesunden Teile eine Krankheit erzeugen kann. Und so würde in einem Garten nie eine Kahlheit zu erblicken sein, wenn nicht äußere Feinde kämen, die eine solche zu bewirken trachteten. Derlei Feinde sind Hagel, Wolkenbrüche und ähnliche Naturerscheinungen, gegen die es keine Mittel gibt. Sie schaden aber auch nicht so sehr. In unseren Gegenden sind sie selten, und ihre Wirkungen können auch leicht durch schnelles Beseitigen des Zerstörten, durch Nachwuchs und Nachpflanzungen unbemerkbar gemacht werden. Aber gefährlichere Gegner sind die Insekten, diese können die Güte eines Gartens zerstören, können seine Schönheit entstellen und ihm in manchen Jahren einen wahrhaft traurigen Anblick geben. Dies ist der Umstand von dem ich sagte, daß ich seiner zuletzt Erwähnung tun werde. Ihr seht, daß unser Garten von der Insektenplage, die Ihr, wie Ihr sagt, auf Eurer Wanderung an anderen Bäumen bemerkt habt, in diesem Jahre frei ist.“

      „Ich habe Äpfelbäume an warmen und stillen Orten fast ganz entlaubt gesehen“, antwortete ich. „Es sind mir mehrere Fälle dieser Art vorgekommen. Aber daß einzelne Äste entlaubt waren, daß das Laub von ganzen Bäumen entstellt war, habe ich oft gesehen. Allein ich habe es für kein großes Übel gehalten und habe auf kein schlechtes Jahr geschlossen, weil ich wußte, daß diese Zerstörungen immer vorkommen, und daß ihr Schaden, wenn sie nicht im Übermaße auftreten, nicht erheblich ist. Ich betrachtete die Erscheinung als ein Ding, das so sein muß.“

      „Daran möchtet Ihr unrecht getan haben“, sagte mein Gastfreund, „einen Schaden bringt diese Erscheinung immer, und wenn man ihn nach ganzen Länderstrichen berechnete, so könnte er ein sehr beträchtlicher sein, zu dem noch der andere kömmt, daß man den entlaubten Baum anschauen muß. Auch ist das Ding keine Erscheinung, die so sein muß. Es gibt ein Mittel dagegen, und zwar ein Mittel, das außer seiner Wirksamkeit auch noch sehr schön ist und also zum Nutzen einen Genuß beschert, durch den uns die Natur gleichsam zu seiner Anwendung leiten will. Aber dennoch, wie ich früher sagte, wird dieses Mittel unter allen am wenigsten gebraucht, ja man beeifert sich sogar an vielen Orten, es zu zerstören. Ihr solltet das Mittel schon wahrgenommen haben.“

      Ich sah ihn fragend an.

      „Habt Ihr nicht etwas in unserem Garten gehört, das Euch besonders auffallend war?“ fragte er.

      „Den Vogelgesang“, sagte ich plötzlich.

      „Ihr habt richtig bemerkt“, erwiderte er, „Die Vögel sind in diesem Garten unser Mittel gegen Raupen und schädliches Ungeziefer. Diese sind es, welche die Bäume, Gesträuche, die kleinen Pflanzen und natürlich auch die Rosen weit besser reinigen, als es Menschenhände oder was immer für Mittel zu bewerkstelligen imstande wären. Seit diese angenehmen Arbeiter uns Hilfe leisten, hat sich in unserm Garten so wie im heurigen Jahre auch sonst nie mehr ein Raupenfraß eingefunden, der nur im geringsten bemerkbar gewesen wäre.“

      „Aber Vögel sind ja an allen Orten“, entgegnete ich. „Sollten sie in Eurem Garten mehr sein, um ihn mehr schützen zu können?“

      „Sie sind auch mehr in unserem Garten“, erwiderte er, „weit mehr als an jeder Stelle dieses Landes und vielleicht auch anderer Länder.“

      „Und wie ist denn diese Mehrheit hierher gebracht worden?“ fragte ich.

      „Es ist so, wie ich früher von den Bäumen gesagt habe, man muß ihnen die Bedingungen ihres Gedeihens geben, wenn man sie an einem Orte haben will; nur daß man die Tiere nicht erst an den Ort setzen muß wie die Bäume, sie kommen selber, besonders die Vögel, denen das Übersiedeln so leicht ist.“

      „Und welche sind denn die Bedingungen ihres Gedeihens?“ fragte ich.

      „Hauptsächlich Schutz und Nahrung“, erwiderte er.

      „Wie kann man denn einen Vogel schützen?“ fragte ich.

      „Ihn kann man nicht schützen“, sagte mein Gastfreund, „er schützt sich selber; aber die Gelegenheit zum Schutze kann man ihm geben. Die Singvögel, welche sich nicht mit Waffen verteidigen können, suchen gegen Feinde und Wetter Höhlungen in Bäumen, Felsen, Mauern oder dergleichen auf, die so enge sind, daß ihnen ihr meistens größerer Feind in dieselben nicht folgen kann, und so tief, daß er auch nicht mit einem Schnabel oder einer Tatze bis auf den Grund zu langen vermag – einige, wie die Spechte, machen sich selber die Höhlungen in die Bäume –, oder sie gehen in solche Dickichte, daß Raubvögel, Wiesel und ähnliche Verfolger nicht durchzudringen vermögen. Hiebei ist es ihnen noch mehr um den Schutz ihrer Jungen, die sie in solchen Orten haben, als um ihren eigenen zu tun. Erst wenn so gesicherte Stellen nicht zu finden sind, und die Zeit drängt, begnügt sich der Singvogel zum Wohnen und Brüten mit schlechteren Plätzen. Hat eine Gegend häufige solche Zufluchtsorte, so darf man sicher schließen, daß sie auch, wenn die andern Bedingungen nicht fehlen, viele Vögel hat. Denkt nur an ein altes löcheriges Turmdach, wie ist es von Dohlen und Mauerschwalben umschwärmt. Will man Vögel in eine Gegend ziehen, so muß man solche Zufluchtsorte schaffen, und zwar so gut als möglich. Wir können, wie Ihr seht, nicht Felsen und Baumstämme aushöhlen, aber aus Holz gemachte Höhlungen können wir überall auf die Bäume aufhängen. Und dies tun wir auch. Wir machen diese Höhlungen tief genug, richten das Schlupfloch von der Wetterseite weg, meistens gegen Mittag, und machen es gerade so weit, daß der Vogel, für den es bestimmt ist, ein und aus kann. Ihr müßt ja derlei in den Bäumen unseres Gartens gesehen haben?“

      „Ich habe sie gesehen“, erwiderte ich, „habe dunkel vermutet, wozu sie dienen könnten, habe aber die Vorstellung infolge anderer Eindrücke wieder aus dem Haupte verloren.“

      „Wenn wir etwa noch einmal ein wenig in den Garten herumgehn“, sagte mein Gastfreund, „so werden wir mehrere solche Vogelbehälter sehen. Den Heckennistern bauen wir ein so dichtes Geflechte von Dornzweigen und Dornästen in unsere Büsche, daß man meinen sollte, es könne kaum eine Hummel ein und aus schlüpfen; aber der Vogel findet doch einen Eingang und baut sich sein Nest. Solcher Nester könnt Ihr mehrere sehen, wenn Ihr wollt. Sie haben das Angenehme, daß man diese Federfamilien in ihrem Haushalte sieht, was bei den Höhlennistern nicht angeht. Auf diese Weise schützen wir die kleineren Vögel, die wir in unserem Garten brauchen. Die großen, welche sich mit Schnabel, Krallen und Flügel verteidigen können, sind bei uns eher Feinde als Freunde und werden nicht geduldet.“

      „Außer dem Schutze“, fuhr er

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